Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,1.1907

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1907)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Artikel:
Unsre Bilder und Noten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8627#0660

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
England und Amerika üblich sind, den Stiftern von Herzen, die endlich
erklärt sich aus unsern bescheidenern bewiesen y^ben, daß ihnen auch
Verhältnissen. Und so danken wir Geisteskultur etwas gilt.

Dürfen wir Sie einladen, verehrte Gnädige, so wie Sie Herr Erwin
Aath gemalt hat, vor unserm Fastnachtsheft Platz zu nehmen? Sie
lachen: „Das verdank ich nur dem, daß ich so famos gemalt bin!" Mein
Fräulein, wenn Sie sich sehen könnten! Nein, machen Sie nicht ein so
spöttisch-mißtrauisches Gesicht: wenn alle aussähen wie Sie, gäb's bei
diesem Heft nicht die Abelnehmerei, die es ganz ohne Zweifel geben
wird, denn dann könnten alle Spaß verstehen.

Und nun ein Posaunen-Klang: in Ehrfurcht geleitet von Olas
Gulbransson betritt kein Geringerer als Gabriele d'Annunzio
die Bühne. Welche Wonne, er lächelt! Seine Augen weilen in den Höhen
des Ideals, darum sind ihre Sterne für uns nicht zu sehn, nur die
Wolken unter ihnen sind es, die uns tröstend sagen: ganz ohne Ver-
bindung mit dem Irdischen ist selbst dieser Erhabene nicht. Auch die
Form des Ohrs, der Nase, der Anterlippe scheint ja darauf zu deuten,
während die in einfach klarer Linie sich dem Äbermenschlichen entgegen-
wölbende Stirn auf ihrer Höhe vom Haarwuchs der Erde nur noch
nrit Tangenten berührt wird, wie der Erdball von Sonnenstrahlen, wenn
sie scheiden. Wer das Bildnis innerlich noch nicht erfassen kann, dem
erschließt es sich vielleicht in all seinen Seelenwerten, wenn er die fast
ganz echte neueste Schöpfung des Geseierten „Der goldens Haufen" in
diesem Hefte liest.

Ganghofer — um dieses Bildnis recht zu würdigen, lese man,
was Ioseph Ruederer vom „Hohen Schein" erzählt. Wie die
Kraft des Geistes, die sich aus dem Gesicht mehr zurückgezogen hat, in
den Locken um so gewaltiger tobt, und wie des Leibes Bedeutung gleich
einer Tintenfläche sich ergießt! Nicht nur ein Nimrod, auch ein Dichter
und ein Weltmann!

Die sechs Bilder vom „n e u e n t d e ck t e n Genie" führen uns
aus dem Süden zum Norden. Nur mit Nmrissen wagt der Zeichner
dem großen Stosse zu nahen von der Tragik des kritischen Amts, dem
die Schöpsungen seines Geistes, ach, wohl unter der Hand zerrinnen.
Nicht durch ihres Schöpfers Schuld, nein, nur durch die des unzuläng-
lichen Stoffs, der aus sich nicht mehr bestehen kann, wenn des kritischen
Genius Odem fehlt. Der angesehene reichshauptstädtische Kritiker, dessen
Züge wir hier wiedererkennen, läßt es ja wahrlich an eigenem Bemühen
nicht fehlen: ist doch sein Angesicht beim Höhepunkte der Leistung so
angestrengt, daß des Zeichners sonst ausreichende Konturierung nicht mehr

s. Februarheft lZO? 553
 
Annotationen