Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,1.1907

DOI Heft:
Heft 8
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8627#0564

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
niedrig i st. So haben die Werbe--
karten des „Dürerbundes" mit
Dürers Scherzbildchen des grüßen-
den Heilandskindes wegen der paar
für den Bund werbenden Worte
einigen die Freude an diesem Bild-
chen schier verleidet, weil es hier
verbunden mit „Neklame" sei. Re-
klame heißt: Propaganda für Pri-
vatzwecke. Für welche Privatzwecke
macht der Erläuterer allgemeiner
Ideen an der eigenen Arbeit, oder
macht der Bund Heimatschutz, macht
der Dürerbund Propaganda? Wir-
ken heißt Ausbreiten der K-raft.
Werben heißt Hereinholen neuer
Kraft, handelt sich's etwa um einen
Bund, auch neuer gebundener Kraft,
neuer Geldmittel also. Heimatschutz
wie Dürerbund brauchen sie, um
im Dienste ihrer Ausgaben zu arbei-
ten, es ist ihre Pflicht, ihr Ein-
kommen, also ihre Kraft auf an-
ständige Weise zu mehren. Kann
das z. B. der Dürerbund besser,
als wenn er sein Werben mit der
Verbreitung eines feinen Kunst-
werks verbindet und somit zwei
guten Zwecken zugleich dient? Was
ist daran „Reklame", was ist un-
vornehm daran, daß er zur Be-
schaffung neuer Arbeitsmittel in
Dürers Sinn Dürers Grußkarte
werben läßt?

„Reklame ist Propaganda für
Privatzwecke." Sie braucht auch
als solche noch nicht unanständig
zu sein, aber auf Unterschiede in-
nerhalb des ernsthaft umgrenzten
Begrifss „Reklame" brauchen wir
ja heute nicht einzugehn. Wir spre-
chen heute ja nur von dem über-
fließenden Gebrauch dieses Be-
griffs, von dem unklaren Schlag-
wort „Reklame". Das wird mit
seinem leisen, aber haftenden Äbel-
geruch im öffentlichen Leben bei
näherem Nachprüfen überall ohne
jeden Sinn zur Verunglimpsung ge-
braucht, wo sich's nicht um Pri-

vatinteressen handelt. And wir
meinen: wer Sauberkeit liebt, sollte
sich deshalb dies Schlagwort immer
gut ansehn, ehe er's in die Hand
nimmt. A

Neue Gedichte

Ernst Schur, „Die steinerne
Stadt" (Selbstverlag, Berlin;
Mk. 3.-)

Schur macht hier wohl den ersten
Versuch, die Großstadt als Kultur-
problem lyrisch zu bewältigen; in
einer Reihe von Stimmungen und
Beobachtungen will er vom Pessi-
mismus heutiger Betrachtungsweise
zu einer freudigeren Anschauung
hinüberleiten. Line ästhetisch wie
ethisch gleich wichtige Aufgabe; wir
freuen uns, daß er sie gestellt, wir
bedauern, daß er sie nicht gelöst
hat. In der Tat ist Schur fast
alles schuldig geblieben, und da der
Begleitzettel des Selbstverlags von
großzügigen, dichterisch geschauten
Bildern, lapidaren Schilderungen,
epischer Kraft, künstlerischer Gestal-
tung des Stofses, kraftvoller, phra-
senloser Sprache redet, so hat es
Schur nicht an Einsicht, was not
täte, aber an Kraft gefehlt. Man
wird nicht davon überzeugt, daß es
für ihn eine Notwendigkeit war,
dieses Buch zu schreiben; es brennt
dafür zu wenig von jenem Feuer
darin, das die Dinge erst so schmerz-
hast im Herzen des Dichters auf-
glühen läßt, das aber dann auch aus
dem Zufälligen das Wesentliche, aus
dem Wirklichen das Wahre heraus-
schmelzt. Schur bringt es, statt zu
einem prophetischen Pathos, nur
zu wehleidigem Schelten hier und
abstraktem Freudepredigen dort.

„Ihr, die ihr das Kleinste umfängt
wie das Größte —
alles andere versinkt:
ich sage euch —

Es muß einen Punkt geben,

2. Ianuarheft (907

q63
 
Annotationen