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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 7.1893-1894

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1893)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Über das Illustrieren
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https://doi.org/10.11588/diglit.11728#0091

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L>vettes Dezember-Dekt tSS3.

6. Dekt.

Lrscbeint

ain Anfang und in der Mitte

Derausgeber:

Ferdinand Nvenartus.

Kcstellpreis:

vierteljährlich 21/2 Mark. ^

Anzeigen: Z gesp. Nonp.-Zeile 40 pf. -

tllber das

^a malen sie z. B. meinen „Fischer" und bedenken
nichsi daß sich der gar nicht malen lasse. Es
ist sa in dieser Ballade bloß das Gesuhl des
Wassers ausgedrückß das Anmutige, was uns
im Sommer lockt, uns zu baden; weiter liegt nichts darin,
und wie läßt sich das malen!"

Es ist gewiß erlaubt, daß man von den reicheren Er-
fahrungen der Gegenwart aus von Goethes Meinungen
gerade die über bildende Kunst gelegentlich ansicht; eben
vor den angeführten Worten z. B. sagte in dieser Be-
ziehung der Altmeister dem guten Eckermann Einiges, was
wir heute kaum noch verstehen können. Was er jedoch
von den Bildern zu jenem Gedichte sagt, es leuchtet uns
zunachst ein, denn sofort schweben einige gezeichnete, ge-
malte oder mvdellirte „Fischer" vor unserer Erinnerung,
deren Wirkung gar kläglich hinter der seiner Ballade zu-
rückbleibt. Aber ist es wahr: „läßt sich" „das" ganz
und gar nicht malen? Jst es der bildenden Kunst wirk-
lich ganz unmöglich, durch ihre Mittel der Wirkung eines
Gedichts, wie des erwähnten, noch ein Mehr hinzuzufügen?

Da ständen wir nun vor der Frage: wann kann eine
Jllustrirung von Vorteil sein und wann ist sie von Übel?

Gedenken wir der großen Wahrheit, daß Alles, was
wir anfangen, einen Sinn haben sollte. Also zum Beispiel:
wir sollten nur dann größere Mittel anwenden, wenn wir
damit größere Erfolge erreichen können. Än unserem Falle:
wir sollten nur dann"den'.Dichtungen Bilder Leigeben, wenn
wir dadurch die Wirkung der Poesie verstärken, vertiefen,
ergänzen, bereichern können. Das Bild, das einem Ge-
dichte nichts hinzufügt, ist also zwecklos, geradezu schädlich
aber jenes, das^die^Wirkung der Poesie beeinträchtigt.

Zllustrtren.

llnd diese Beeinträchtigung kann sehr leicht geschehen.
Jch will gar nicht von dem Weglenken der Teilnahmc
des Lesers vom Gedichte aufs Bild reden, die sich in ver-
schiedener Weise äußern kann. Sie macht in der Prapis
gar manches illnstrirte Gedichtbuch zum Bilderbuche, in
dem die Goethe und Schiller hinter den Jllustratoren ganz
verschwinden, obgleich sie doch eigentlich nicht kleiner sind.
Jch will auch nicht von der Unlust reden, die beigegebene
Bilder erwecken können, weil sie an und für sich schlecht
sind, will vielmehr annehmen, daß die Jllustrationen, rein
als Bilder genommen, immer gut seien. Sie werden trotz-
dem stören, wenn sie eine Auffassung der Dichtung ver-
raten, die sich mit unserer eigenen Ausfassung in Streit
setzt. Man erinnere sich des Heineschen Gedichts, vou
der schlanken Wasserlilie, die der Mond grüßt „mit lichtem
Liebesweh", und dann wieder, als sie ihr Köpfchen senkt,
zu ihren Füßen vom Wasserspiegel her. Es ist in Scherers
„Dichterwald" so illustrirt, daß die verschämte Lilie zu
ihreu Füßen die Leiche eines Ertrunknen liegen sieht,
während der Mond ein gut Stück seitab spiegelt — der
betreffende Künstler hat, scheint es, hinter dem „armen
blassen Geselln" einen Handwerksgesellen vermutet, der
verunglückt ist, die Wirkung des Gedichts aber durch sein
Bild wohl schwerlich erhöht. Auch jene Jllustrationen
stören, die einc Nebensache so herausheben, als wäre sie
die Hauptsache. Sie aber entstehen bei der Verschieden-
heit der dichterischen und malerischen Kunstmittel sehr häusig,
wenn der Zeichner ohne weitere Rücksicht nach Situationen
sucht, die Gelegenheit zu netten Bildern geben.

Die erste Anforderung an den Jllustrator scheint so-
mit die zu sein: vertiefe dich in die Dichtung bis aus

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