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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 7.1893-1894

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1893)
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Lose Blätter
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Zeitungsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11728#0039

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O-



klemen finnischen Orte Hüveningen sendet. „Das einzige Be-
merkenswerte in Hüveningen", so schreibt er, „ist eine groß-
artige Orangerie, die ein ungeheures Terrain einnimmt.
Die Einrichtung dieser Gartenanlage ist geradezu musterhast;
ich dünkte mich ein Mürchenprinz, als ich in dieser prächtigen
Pflanzenwelt umherwandelte. Eine solche großartige, jeden-
salls sehr kostspielige Anlage in einem so miserablen Nest über-
raschte mich natürlich sehr. Der Stationsches erzahlte mir nun,
daß sie von der Hauptverwaltung der finnlandischen Staats-
eisenbahnen im vorigen Jahre angelegt ist, um sämtliche
Stationen der Eisenbahnen mit Pflanzen zu versehen, welche
den Gemächern des Bahnhoses ein schmuckes Ansehen verleihen
sollten. Es war in der That so; die Pflanzschule versorgt
sämtliche Stationen des Eisenbahnnetzes Finnlands, weit hinaus
bis zum hohen Norden, mit Zierpflanzen. — Wie kommt es,
daß nicht eine unserer zahlreichen und reichen Eisenbahnver-
waltungen aus dieselbe gescheite Jdee versallen ist? Wie komint
es, daß das arme kleine Finnland die Mittel gesunden hat, solche
Anlagen ins Leben zu rufen, die nicht durch die Notwendigkeit
geboten, die durch keine Anordnung vorgeschrieben, die einsach
durch ein ästhetisches Gesühl und durch einen guten Schön-
heitssinn veranlaßt worden sind?"

-x- Der VerscbönerungsvereLn. Daß der Mensch die
Natur verschönern könne, so schreiben die Grenzboteu, ist ein
anmaßender Gedanke. Die Naturschönheit ist etwas sür sich,
das, was der Mensch hinzuthut, ist etwas Andres, Fremdes.
Gewöhnlich beschränkt sich der „Verschönerungsverein" der
Natur gegenüber auf die Anlegung von Wegen, die Anbringung
von Bänken, Wegweisern, Schutzzäunen gegen das Herabsallen
von Kindern oder Betrunknen, er errichtet aber bei Vermehruug
der Mittel auch Trinkbuden und Wirtshäuser. Er macht sür
die Masse den Naturgenuß zugünglicher und bequemer, wobei
aber die Schönheit uud Größe der Natur ost verliert. An
einem Wegweiser in den Umgebungen eines berühmten hoch-
gelegnen Gotteshauses in Tirol, neben dem ein nicht bloß von
Wallfahrern, sondern auch von Touristen vielbesuchtes Gast-
haus steht, lasen wir kürzlich: „Der Naturveredlungsverein
von X." Der sinnige Mann, der dieses Wort ersand, hat das
Unpassende in dem „Verschönerungsverein" gefühlt. Aber sein
Verein will im Grunde auch nur sür die größere Bequemlichkeit
der Naturbummler sorgen, was doch an und sür sich keine

Veredlung der Natnr bedeutet. Ein Optimist könnte heraus-
leseu: Verein sür Veredlung der Menschen durch die Natur.
Nicht weit vom Fuß dieses Berges legte uns ein betriebsamer
Wirt die Statuten eines „Bankvereins" vor, dessen Mitglieder
als Aktionäre mit 2 sl. so kr. Einzahlung Bänke sür die müden
Wanderer in der Umgegend errichten.

Der „Verschönerungsverein" hat seinen wahren Platz in
unsern Stüdten, wo er aber den krüstigeru Namen „Verein
zur Bekämpsung des Häßlichen" annehmen sollte. Wie man
die Natur zu verschönern sucht, indem man menschliche Werke
in sie hineinstellt, so glaubt man sür die Verschöuerung der
Städte Alles gethan zu haben, wenn man auf ihren Plätzen
und Wälleu ein bischen Natur uachbildet, in die man Bünke
sür Kindermüdchen und Bummler und womöglich ein paar
„Bedürsnisanstalten" hineinstellt. Ein grünes Rasenviereck
mit staubigen Bäumen im Kreuznngspunkt schnurgerader
Straßen mit unabsehbaren und unuuterscheidbaren Häuser-
reihen mag „hygienisch" wünschenswert sein, schön ist es nicht.
Am einen Ende etwas derartiges schaffen und am andern eine
alte Fassade zerstören, eiu altes Thor abtragen oder auch
einen neuen Riesenschlot errichten, kann man das Verschönerung
nennen? Jm besten Fall ist es eine ärmliche Flickarbeit. Das
Städtebauen ist unsrer Zeit mit allem Auswand sür glünzende
oder bizarre Fronten etwas an sich Unkünstlerisches, das nicht
zu Schöuem sühren kann. Der Ausdruck eines krankhasten,
mit niedrigen Spekulationen, Hast, Dürstigkeit, ja Elend ver-
bundnen Anhäufungsstrebens, wie vermöchte er schön zu sein?
Nur wenn jedem einzelnen Hause und jeder Straße, jedem
Platz die strenge Frage gegenübertritt: Wie erschwerst du den
Menschen ihr Dasein am wenigsten? Wie ärgerst du ihr
Auge am wenigsten? kann die Stadt etwas Besseres werden,
als eine ihrem Weseu nach unschöue, die natürliche Liebe zu
Wohnsitz und Heimat erstickende, selbst iu Abneigung verkehrende
„Backsteinwüste." Die Städte ihrem modernen Zuge nach
Häßlichkeit überlassen und gleichzeitig die alte große Natur
durch sogenannte Verschönerungen sür Hunderttausende prä-
pariren, die aus ein paar Wochen Vergessen, Trost, Heilung
von der Stadt in der Natur suchen wollen, ist jedensalls ganz
verkehrt. Der Nutzen dieses Verfahrens in gesundheitlicher
Beziehung ist zweiselhast, der Schaden in üsthetischer und wirt-
schastlicher ist offenbar.

Leitung

Allgemeineres. Mie wandlungen im Berliner volks- !
hmnort R. 5., Berl. Tgbl. H99. — (Vom Werte des
Romischen) L. Lckstein. Dtsches Dichterheim (. — (Die
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s. Aunst usw. (^. — (Realismus und Idealismns in der
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(9. — (Goethes ,,Götz v. Berl." a. d. Bühnö) L. Ailian,
Beil. z. Allgenu Z. 205 f. —

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(Beethoven als Rlavierxädagog) vr. H. Riemann, Mus.
wchbl. -(0 ff. — (Betrachtungen über das Aonzertagentur-
wesen) Mus. wchbl. -(0. — (winke u. Ratschläge f. Gesang-
veieinsdirigenten u. Sänger) F. Litterscheid, Sängerhalle
38 ff. -- (verdi) fi Ls. von j)reuschen, V. Fels znm Meer 2.
— (Thopin im Leben) A. Arebs, Dresdner Ztg. 23(. —

Wildeude Iküusle. (Der Bankerott d. modernen Mrnamentik
u. d. Meurerschen Bestrebungen) R. Mielke, Atelier 70. —
(Böcklin) L. Gurlitt, fi A. f. A. 2. — (Zweischiffige Airchen)
L. von Fisenne, fi Ztschr. f. chrl. A. 6. — (Die Münchener
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* Amegeude (Mssversläuduisse. — IKuudsebau. Dichtung. Schöne Literatur. 26. Faust-Ausstellung
— Theater. Schristen über Dramatik und Bühnenwesen. 2. Wichtigere Schauspiel-Aufführungen. 50.
— Musik. Verdi. Ein Mahnwort an unsere jungen Komponisten. — Bild eude Künste. Münchner Kunstausstellungen.
Ein kunsthistorischer Kongreß zu Nürnberg. Kunst-Literatur. 9. Armeleutemalerei. — Lose Lläller. Lieilungssebuu.





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