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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 7.1893-1894

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Heft 14 (2. Aprilheft 1894)
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Was uns die Kunstgeschichte lehrt, [1]
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11728#0223

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K-


Meyer und Raffaels Sistina? Alle diese Werke und alle
übrigen Meisterwerke aber zeugen vernehmlich von einem
ebenso unmittelbaren, wie yersönlichen Verhältnis ihrer
Schöpfer zur Natur."

Woermann geht des Näheren darauf ein, worin denn
wohl die Äußerung des Persönlichen, worin das „Künst-
lerische in der Kunst", das vielbesprochene „ss ne 8nis c^uoi"
Lestehe, aber zu einem ihn befriedigenden Ergebnisse kommt
er hier nicht, kann er nicht kommen, da sich's hier augen-
scheinlich um eine Frage handelt, die in das Bereich jener
jungen wissenschaftlichen Psychologie der Kunst sällt, die
wir schon erwähnt haben und die freilich vorlänfig
auch noch kaum im Stande ist, mit endgiltiger Antwort
Rede zu stehen. Von dem, was sie immerhin schon zu
sagen weiß, denken wir unsern Lesern bald einmal an
dieser Stelle zu sprechen. Die geschichtliche Methode
jedenfalls, so gesteht Woermann selber, giebt uns „keine

Auskunft über das Maß und die Art der geistigen Thätig-
keit, durch die ein echter Künstler sich zum Herrn der
Natur macht". Sie bescheidet sich überhaupt, eine Reihc
von Fragen aus ihren Forschungen auszusondern. So
zunächst die Frage der Stosswahl. llnd alsvann die,
„ob es an sich künstlerischer sei, breit, mit sichtbareu
Pinselstrichen oder sorgfältig verschmelzend zu malen", deun
beide Arten sind von klassischen Meistern geübt wordeu.
Auch darüber, ob etwa an sich eine stärkere Betonung der
Form oder der Farbe wertvoller sei, sagt uns die Kunst
geschichte nichts.

Wir haben von ihren Lehren selbstverstäudlich nur das
Hauptsächlichste und auch dieses nur in seinen bezeichnendsteu
Punkten andeuten können. Folgen wir in einem zweiten
Aufsatze den Nutzanwendungen Woermanns auf die Be-
urteilung der zeitgenössischen Malerei! Hier wird sich
zeigen, was diese Wafsen wert sind.

DLcbtung.

Ikundsckau.

Scböne Lireratur. 3Z.

von, vor und nach der Reise. Plaudereien und
kleine Geschichten von T^eodor Fontane. (Berlin,
F. Fontane Lc Co., 3 M.)

Eine Sammlung von dreizehn kleinen Prosastücken, von
denen das alteste schon vor zwanzig Jahren, das jüngste erst
ganz kürzlich niedergeschrieben ist. Als Einleitung eine
Plauderei über „modernes Reisen", mit welcher Fontane den
Standpunkt des Mannes, der sein Leben nicht hinunterhetzt,
— acht Gänge bei jeder Mahlzeit und sür jeden Gang füns
Minuten —, sondern behaglich auskostend genießen will, mit
Ernst und Laune verteidigt. Jn der Hauptsache, meint er,
dreh es sich bei der heutigen sommerlichen Stadtflucht um
den Gegensatz zwischen Sommerfrischlern und Sommer-
reis enden, und er als alter Praktiker spricht sür das Sommer-
srischlertum, nach dem man als gewesener „Halb-Nomade"
„dankbar und wohlbefriedigt in die alte Heimat zurückkehrt,
gefestigt in allem Guten und gewachsen in der Kraft, die uns
jede intimere Berührung mit der Natur zu geben pflegt. Nur
vereinzelte unangenehme Eindrücke und Erfahrungen werden
den Frieden einer solchen Sommersrische gestört haben, und der
endliche Reiseüberschlag wird ergeben, daß man sich diese Er-
holung ohne nachträgliche Gewissensbisse wohl gönnen durste.
»Die Extrasahrt nach Putbus war zwar teuer, aber bedenken
wir auch, es ist eine Erinnerung sürs Leben.«" Schlimm aber
ist Fontane aus das eigentliche Sommerreis ewesen zu sprechen,
das „Voll-Nomadentum", bei dem man „beständig in der Ge-
fahr schwebt, seine Lagerstätte wechseln zu müssen": „keine
wirkliche Wüstensahrt, was sonst immer ihre Schrecken sein
mögen, kann verdrießlicher und räuberumschwärmter sein."
Lobredner der alten Zeit, wozu er aus diesem Gebiete un-
zweifelhaft ein gut Stück Recht hat, kritisirt unser Mann vor
allem den Jndustrialismus des heutigen Gasthosswesens.
„Überall verkehrt sich der natürliche Lauf der Dinge, und
gegen die Verkehrtheit ankämpsende Gemeinplätze werden wieder
zu Weisheitsregeln."

Den eigenen Standpunkt hat also Fontane mit dieser
seiner Gesühlsaussprache deutlich genug bezeichnet; aus ihm
ruht er behaglich aus, und als wär er eine Bank an der
Lästerallee, so beschaut er sich nun die Leutlein, die vor-

> überziehen. Jnsbesondere, was aus Berlin stammt, kann dabei
' den scharfen Augen des alten Herrn ganz und gar nichts von
seinem Wesen verheimlichen, ja, es verrät ihm wider Willen
ganzej Geschichten von seinen Ersahrungen, seineu paar besseren
Einfällen und seinen vielen dummen Streichen bei der sommer-
lichen Reiserei. Eben diese Geschichten erzählt uns der be-
hagliche Beobachter dann wieder. Mitunter jedoch hat er sich
auch von seinem Ruheplatze erhoben, hat das eigentliche Reise-
volk links liegen lassen und sich seitab iu die Büsche geschlagen,
um die Einheimischen auf dem Lande zu beschauen und zu
belauschen. Und insbesondere die vier kleinen Lebensbilder
aus dem Riesengebirge sind sehr erfreuliche „Mitbringsel" des
gefeierten Erzählers von seinen eigenen Sommersrischen. A.

Abendschatten. Novelletten von Willy Pastor.
(Dresden, E. Pierson.)

Der Versasser dieser Novelletten ist ein junger, vielseitig
gebildeter und begabter Schriftsteller, der schon wissenschastliche
Arbeiten aus dem Gebiet der Kunstgeschichte, Musikästhetik und
Nationalökonomie herausgegeben hat. Als Novellist giebt er
einen neuen Beweis sür die Mannigfaltigkeit seiner Begabung.
Der schmale Novelleuband enthält sechs Erzählungen, von denen
vier in der Gegenwart spielen, eine in den Jahren der sran-
zösischen Revolution und eine zur Zeit Christi. Mit Aus-
nahme der beiden den Band beschließendeu Stücke, einem ita-
lienischen Stimmungsbild und einer kleinen Fabel, bieten die
Erzählungeu ergreifende Seelengemälde dar. Mit sicherem
Griff sind die Konflikte dem Leben entnommen, und in psycho-
logisck eindringender Weise werden sie vor uns entwickelt und
dargelegt. Die geschilderten Persönlichkeiten sind scharf und
lebendig charakterisirt, und ihre Schicksale feffeln uns. Doch
nicht von gleichem Werte sind die sechs Novellen. Als die
vorzüglichsten erscheinen uns „Fata morgaua" und „Der Tod
des Judas"; die eine entrollt das tragische Schicksal eines
hochbegabten jungen Baumeisters, deffen erstes großes Werk
auch sein letztes wird, die audere läßt uns mit feinem Nach-
empfiuden einen Blick thun in das Seelenleben des unglück-
lichen Apostels Judas, der seinen Herrn verraten hat. Treffend
weiß Pastor jedes Mal die Stimmung hervorzurusen, die das
von ihm gerade behandelte Problem erfordert, und er offenbart
dabei eine besonders sür Natureindrücke stark empfängliche
 
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