Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 7.1893-1894

DOI Heft:
Heft 2 (2. Oktoberheft 1893)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11728#0037

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
giebigsten Stosf zusammen zu tragen, wird wenig entsprochen.

! Die Herausgeber erklären sogar ausdrücklich, daß die vorliegende
i Arbeit mehr ein Verzeichnis, eine Jnvcntarisation der Kunst-
! denkmale als ihre Beschreibung scin solle. Das also, was den
bisherigen Ausführungen der andcren Staaten den Stempel der
, Kunstwissenschast verlieh, das nahere Eingehen auf die typische
Kunstentwicklung der einzelnen Orte und.die kunsthistorische
' Forschung, kommen hier in Wegfall. Außer den prächtigeu Ab-
bildungen, die im Text eine genügende Erläuterung erfahreu,
die aber im Vergleich zu der großeu Fülle von Material sehr
knapp bemessen sind, bleibt also für den Gelehrten nicht viel
übrig. Es sind nur die besonders hervorragenden Bauten
und Kunstgegenstände abgebildet und beschriebeu, etwa in der
Art wie Puttrich in den Jahren i8^o—56 seine Baudenkmale
Mitteldeutschlands veröffentlicht hat, so daß die Kleinkunst und
das Kunsthandwerk stark in den Hiutergrund gedrängt erscheineu.
Ja, es wird sogar in der Einleitung betont, daß die Arbeit
nicht einmal ein Jnventar im vollen Sinne sei, und daß von
romanischen uud gotischen Bauten z. B. solche weggelassen seien,
die durch Umbauten stark verändert worden. Ferner „mußte von
einer vollstündigen Aufzählung oder gar von eingehender Be-
schreibung der äußerst zahlreichen Altar- und Wandgemälde des
^7. und t8. Jahrhunderts Umgang genommen werden." Es
würde dcmnach sür eiuen Kunsthistoriker, der beispielsweise die
Ausbreitung des romanischen Stiles überDeutschland beschreiben
wollte, Bayern ebenso eine Lücke bilden, wie für den, der deu
Einfluß Tiepolos auf die deutsche Dekorationsnialerei im x?.
und t8. Jahrhuudert uachweisen mvchte. So ist es auch mit
den meisten anderen angesührten Gegenständen. Was nutzt es
dem Gelehrten, zu wissen — um ein ganz zusällig aufgeschlagenes
Beispiel anzuführen — daß in Unter-Paar (pag. 2x9) „vor dem ^
Eingang zum r. Querschiff eine Grabplatte des Haimeron von !
Haslang u. s. Gemahlin, derselben, deren Epitaph au der linken
Seitenwaud des Schiffes sich befindet," steht, wenn er weder !
weiß, wie diese Grabplatte aussieht noch in welchem Jahrhundert
oder in welchem Stile sie gesertigt ist?

Abbildungen finden sich im Texte nur sehr wenige, und
die vorhandeuen (z. B. die S. 69, 93, sind nicht einmal
beuannt, noch ist bezeichnet, wo man Näheres darüber finddn
kann. Auch die Angabe der Entstehungszeit bei einzelnen Ab-
bildungen im Atlas dürfte in ihrer Sicherheit ost stark be-
zweiselt werden können.

Für die Layerische Regierung wird die Arbeit immerhin
da sie mit großem Fleiß zusanrmengestellt ist, als Jnventur
von Wert sein. Für die Kuustgeschichte bietet sie im Großen
und Ganzen einen Einblick in die Kunstthätigkeit dieser Gegen-
den, nicht aber das nötige Material, das, wie schon gesagt, nach
Fertigstellung aller Aufzeichnungeu in Deutschlaud, als Nnter-
lage bei der Schaffung einer allgemeinen deutschen Kunstge-
schichte dienen könnte. Es ist Lies um so mehr zu bedauern,
als doch einmal vom Staate hier ein großer Aufwand gemacht
worden, und da Bayern besonders sür das Knnstgewerbe ja
von jeher ein njcht Hvch gmug zu MatzendeLPMd gewesen ist.

Z- T h.

Mit der „NrmeleutemAlerei" geht Herman
Griinm in der „Deutschen Rundschau" zu Gericht. Wir
wollen nur kurz mit dem Abdruck des Schlußsatzes seinen
Standpuukt kennzeichnen — ist doch über die Sache selber
an dieser Stelle hier schon gar vieles gesprochen worden.
„Die Evangelien," sagt also Grimni, „sind nicht dazu da,
beliebig illnstrirt zn wcrden. Jhr Jnhalt erhebt sie über
den Rang bloßer Phantasieliteratnr, an welche eine beliebige
Phantasiekunst sich anschließt. Die Schriften des Neuen
Testainentes bilden für den besten Teil der heute in höherer
und niederer Art arbcitenden Mcnschheit die Grnndlage
der geistigen Existenz. Durch einen allgemeinen Konsensus
sind wir dahin gelangt, daß Niemand in der eigenen Aus-
legung dieser Bücher gehindert und gestört werden dürfe.
Sie sind geistiges Gut, mit dem zu schalten und zu walteen
Jedem frei steht. Jn diesen Bezirk aber jetzt wieder mit
phantastischen Werken bildender Kunst hineinzudringen -—-
ich habe hier ganze Reihen von Darstellungen im Sinne,
die die neueren Ausstellungen erfüllen — kann keinen
Nutzen bringen. Besonders widerwärtig muß empfunden
w'erden, wenn die Evangelien zur Quclle tendenziöser Dar-
stellungen gemacht werden sollen, die bei den die Gegen-
wart beunrnhigenden vorübergehenden Streitigkeiten von
sozial geschiedenen Parteien mit in Aktion treten. Jch will
Niemandem das Recht beschränken, in dieser Richtung,
meiner Meinung entgegen, zu malen, zu bildhauern und
zu schreiben, was er will: aber es soll auch Denen, die
in dergleichen Etwas erblicken, das ihnen mißfällt, das
Wort nicht verboten werden." Nur eine Frage: wer
! wollte es ihnen verbieten?

Lose Wlätter.

» Milbelm Aordnn, der prächtige Alte, dem man nicht
böse seiu kcinn, wenn er mit reckenmäßigem Selbstbewußtsein !
deu Modernen sagt, wie klein sie sind und wie groß er ist, j
thut dies soeben wieder in einer klirrenden Tenzone, die
die Allgemeine Zeitung abdruckt. Nietzsche ist's, der diesmal j
die derbsten Hiebe bekommt. Wir sind die letzten, welche der
kritiklosen Nietzsche-Nachbeterei das Wort redeten, die jetzt !
in einigen Kreisen Mode und sast geeignet ist, die Freude an
Nietzsches gewaltiger Persönlichkeit den Unbefangenen zu ver-
leiden. Aber Jordan würde wohl bessern Ersolg mit seinem j
Kampflied haben, leugnete er nicht so schwunghast, daß der, der ^
kein Gott ist, immerhiu ein bedeutender Mensch war. Nicht
doch: er ist ihm eigentlich ein Plagiator:

„Fast jedes Schlagwort, Jrrwischgleichnis, Bleudermätzchen j
Jst erborgtes, philosophisch umverflicktes Dichtungssetzchen, j
Doch verschiest zum Gegensiune, wie mit umgedrehten Polen —"

nun aber kommt die Hauptüberraschung:

„Seine stärksten Drucker hat er uuverkennbar mir gestohlen."
Was in weiteren stolzen Strophen zu erweisen versucht wird!

-X- Lcnbacb hat kürzlich iu dem „Verein sür rationelles
Malverfahreu", der hauptsächlich seiu Werk ist, also gesprochen:
„Die größten Künstler wareu auch die rasfiuirtesten Techniker,
so Michelaugelo, dessen Tempera-Technik die einfachste und
zugleich großartigste war; Tizian in der Ölmalerei. Rubens
hat, aus den Tiefen Tizianischer Malweise schöpfend, den
Triumph der Heiterkeit der Kunst iu die Welt gebracht, welcher
am schönsten wieder aufgefrischt wurde durch die englische
Kunst an der Schwelle der Neuzeit, durch die Malerei eines
Reynolds, bei welcher idyllische Schönheit der Anschauung mit
glänzender Technik sich paarte, und welcher die Farbeuklassiker
der Franzosen folgten, deren Ausläufer eiu Millet und
Meissonier in seiner ersten Periode bilden. Was soll dem
gegenüber das neueste dilettautische Geschrei uach Wahrheit!
Es giebt keiue Wahrheit ohne Schönheit, und letzterer wurde
der Krieg erklärt. Bei allen Fortschritten Les menschlichen
Geistes wird aus deu Erruugenschaften der Vergangenheit ge-
sußt und weiter gebaut. Nur iu der Kunst will mau jetzt
eine Scheidewaud aufrichten gegenüber dem Alten und nach
 
Annotationen