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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 7.1893-1894

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Heft 18 (2. Juniheft 1894)
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Rundschau
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Sprechsaal
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Zum Vierteljahreswechsel
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https://doi.org/10.11588/diglit.11728#0295

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^ ' . .

Lewirken die es, daß der Beschauer ihren Bildern anders
gegenübersteht als der Natur, daß er unnnttelbar angeregt,
ja gezwungen wird, die Natur zu beseelen oder (was wieder
ein Anderes ist) seine eigene Stimmung in die Landschast zu
projiziren? Das sind Fragen, die meines Erachtens in eine
Untersuchung über das Metaphorische in der Landschastsmalerei
gehörten.

Jch kann nicht schließen, ohne meiner Verwnnderung Aus-
druck zu geben, daß ein Philosoph in so wenig sachlicher Weise
über „den" Naturalismns unserer Tage absprechende Urteile
füllt. Was soll man zu Sätzen, wie dem solgenden, sagen:

„Wie wenig auch der Naturalist modernsten Schlages, also
selbst ein Zola, dem Symbolischen entrinnen kann, ist schon
oft bemerkt worden; er läßt den Claudius in I?osuvrs zu seiner
Fran sagen: »Welch eine merkwürdige Haut Dn hast — sie
trinkt sörmlich das Licht. . . . So List du heute, man möchte
es nicht sür möglich halten, vollkommen grau; und letzthin
warst du rosafarben, aber ein Rosa, das nicht echt schien. . .
Dumm das! Man weiß nicht, woran man ist.« Wie charak-
teristisch ist hier das »Dumm das!« — Ja, man kann dem
Anthropozentrischen, dem Metaphorischen sich nicht entwinden,

jener subjektiven Stimmung, welche auch die Anschauung be-
leuchtet und beseelt." Welche Verwirrung!

Erstens ist Zola weit davon entfernt, dem Symbolischen
„entrinnen" zu wollen; vielmehr hat er in bewußter künst-
lerischer Absicht das Symbolische in ganz hervorragender Weise
verwertet; man denke nur an den „Voreux" im „OsrminU".
Zweitens hat der Naturalismus — was immer man auch unter
diesem Namen verstehen mag — doch auf keinen Fall die
Verpflichtung, sich einer nüchternen und metapherlosen, jeder
Analogie und jeden Gleichnisses entbehrenden Sprache zu be-
dienen. Und selbst wenn Zola dies sür seine Person beab-
sichtigt hätte, könnte er doch drittens unmöglich nur Natura-
listen in seinen Werken auftreten lassen, die alle in ihren Reden
sich derselben Sprechweise bedienten, die er sür seine eigenen
Schilderungen sür angemessen findet. Für das, was Claudius
sagt, ist doch Zolas künstlerische Überzeugung ebensowenig
maßgebend, wie Schillers Ansichten über Moral für das, was
Franz Moor thut und spricht. Es ist bedauerlich, daß sich in
dem Bieseschen Werke noch eine ganze Reihe von Urteilen
ähnlicher Art finden.

Rarl Lrdmann.

Lprecksaal.

On Sachen: Deutsche Kunstkritik un

Dem günstigen Urteil über die französische Kunstkritik,
das John Greenock im Sprechsaal des Kunstwarts wieder-
giebt, möchte ich ein anderes entgegenhalten, dem man die
Beachtung wohl ebenso wenig wird versagen dürfen.

Es geht von dem Satze aus, daß der landläufige
Kunstgeschmack in Frankreich sich auf „Dummheit" und
„Feigheit" gründe: auf Dummheit Leim Publikum, auf
Feigheit bei der Presse, die den Geschmack des ersteren leite.

„Dummheit, d. h. vom künstlerischen Standpnnkt aus,
den wir einnehmen, vollständige künstlerische Empfindnngs-
losigkeit, Geläufigkeit im Verwenden von Lobsprüchen, die
wie die Nnmmern eines Lottospiels auf gnt Glück aus einem
Sack gezogen werden, gänzlicher Unverstand übertragen in
banale Redensarten.

Feigheit, dieses Wort ist auf die Kunstkritik anzu-
wenden. Ebenso, wie die literarischen Berusskritiker, sind
die Kunstkritiker in der Regel Literaten, die ans ihrem
Eigensten heraus keine echten Werke schassen konnten.
Unter ihnen besitzen einige die Gehirnleere der Weltleute,
die sie beneiden und nachässen. Was man von ihren
Meinungen zu halten hat, ist damit gesagt. Aber es

d Münchener Landschastsmalerei.
giebt andere, die, aufgeweckter nnd schlaner, aus ihrer so-
genannten Kunstkennerschaft die Verpflichtung, „sich nicht
zu binden" herleiten, oder, um es geradeheraus zu sagen,
die Feigheit des Gedankens und die Heuchelei der Form.

Der veränderliche Boden, auf dem die Kritiker sich
bewegen, ist für sie ein Ertragsfeld. Die Toten preisen
oder verdammen; vermeiden, sich bloß zu stellen, wenn
man von den Lebenden spricht, die alten akademischen
Preiskühe beweihräuchern, mit unterstellten Thesen und
verdeckten Gedanken Scheingefechte sühren, unter dem Vor-
wand der Analyse Gemeinplätze vorbringen in dunkler
Sprache, um sich den Schein der Tiesgründigkeit zu
geben: das ist ihr Kunststück.

Der Kritiker, der diese Praktiken übt, wird sofort als
Mann von Geschmack bekannt, als wohlerzogen, ver-
ständnisvoll und anziehend, als zart und fein — ach,
vor allem als zart und fein."

Das ist das Urteil von — Joris Karl Huys-
mans! Es findet sich in den „Gertairm" in dem Auf-
fatze „Ou clilettaritisirie."

Hermann Lichfeld.

Lum Merteljakreswecbsel

bitten wir unsere Leser, bei Bestellungen, Einsendungen usw., die sich auf den Verlag des Kunstwarts beziehen, sreundlichst
zu beachten, daß nnsere Zeitschrift jetzt bei Georg D. W. Callwey in München (Maximiliansplatz zs) erscheint, während
die Firma „Kunstwart-Verlag" in Dresden erloschen ist. Sendungen für den Text des Blattes dagegen sind nach wie vor
an die Knnstwart-Leitnng in Dresden A. (6 (Stephanienplatz 3) zu richten, da Herr F. Avenarius Herausgeber des Kunst-
warts bleibt.

Druckkebler--Kertcbtigung. Jn dem Aussatz „Volkstümliche Dramatik" (Kw. VII, ^6) wolle man ver-
bessern: S. 2qH l: „es ist klar, wie nichtig", ferner: „indem sie sich mehr als gut", S. eq.5 l: „der Freiheitskriege",
S. 2qs r: „Staufer", S. 2^7 l: „in Dialogsorm".

. Die Lrweckung des Oatursinns. — 'Nuudscbau. Dichtung. Schöne Literatur. 39. Schriften
über Literatur 7. — Theater. „Bewährte Firmen." Ausgaben der deutschen Hoftheater. — Musik.
Wichtigere Musik-Ausführuugen. 3H. — Bildende Künste. Berliner Kunstausstellung 2. Münchner Kunstbrief... Kunst-
literatur und Bilderwerke xq. Kongreß sür den Kirchenbau des Protestantismus. — Vermischtes. Schristen über Ästhetik 6.
— Spreebsaal. Jn Sachen: Deutsche Kunstkritik und Münchener Landschaftsmalerei.

2LS —
 
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