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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 7.1893-1894

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Heft 12 (2. Märzheft 1894)
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Sprechsaal
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Zeitungsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11728#0199

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ferner ein Recht geben, sich über das Hereintreten der Mutter-
Schwester durch die Thür aufzuhalten, vermag iich nicht zu
beurteilen; ich kann nur feststellen, daß in Dresden auch schon
die Engel durch die plötzlich ausspringende Thür hereintraten
nnd daß dies keineswegs einen störenden Eindruck hinterlassen
hat. Dagegen habe ich für die Entfernung der Schwester nn-
mittelbar vor Beginn des Traumbildes (im zweiten Teile) eiuen
praktischen Vorschlag damals gemacht, den mir die Dresdener
Regie als sinngemäß und befolgenswert ausdrücklich anerkannt
hat und dessen praktische Aussührung überdies noch den Rück-
fall des Kindes in seinen delirirenden Zustand nun Lesto eher
erklärlich macht: Die Diakonissin spricht schon die letzten
ihrer Worte mit Hannele sür dieses und den Zuschauer un-
sichtbar, etwa hinter einem Kleiderständer, der zugleich ihr
Verschwiuden in die Kulisse (Abtreten) den Augen des Be-
schauers verbirgt. Sie mag dort mit Bereituug einer Arznei
oder sonst eines Trankes sich zu thun macheu, während sie noch
mit dem kranken Kinde spricht. Gerade der Umstand aber,
daß sie von diesem nur mehr von serne gehört, nicht aber
mehr unmittelbar gesehen wird, erleichtert oder besser: ver-
schuldet dann dessen neuerliche Beschästigung mit seinen
Visionen und alsbald das völlige Versinken in die Traum-
phantasien.



Zum Schlusse mvchte ich noch einen auch von Carstanjen
gestreisten Einwand zu eutkrästen suchen, dem ich öfter auch
von anderer Seite begegnet bin. Wenn man nämlich sragt:
Warum behält Lehrer Gottwald das Mädchen nicht gleich bei
sich zu Hause? — so scheint man dabei ganz zu übersehen,
daß dann der Maurer Mattern sofort seine Ansprüche als
Vater nach sormalem Recht an dem Kinde wieder geltend
machen könnte. Der Lehrer muß es unter Erstattung einer
Anzeige über den Befund aus neutralen Boden verbringen
und dem Schutze dcr Obrigkeit übergeben, und dazu ist eben
das „Armenhaus" nun da. Und noch Eines: Hat es manche
gegeben, die die ins Sexuelle übergreifende Liebe des Mäd-
chens zu dem verheirateteu Lehrer als verletzeud em-
pfinden wollten und meinten, der Dichter hätte Gottwald, um
dies zu vermeiden, als ledigen Mann darstellen sollen, so sind
wohl viele im Gegensatz hierzu mit mir der Ansicht, daß der
Dichter vielmehr gerade dadurch, daß er jene Figur als ver-
heiratet einführte, jedem (ungleich mehr verletzenden) Miß-
verständnis, als könnten auf des Lehrers Seite unlautere
Absichten und sexuelle Regungen sür den seiner geistigen Lei-
tung anvertrauten Zögliug vorgewaltet und dessen Sinne auf
Abwege geführt haben, kräftig und unzweideutig vorgebaut hat.

Arthur Seidl.

Leitungsscbau.

Nllgemeineres. (Über d. wandelbarksit d. Kunstgeschmacks) >
I. Äohler, Gegenw. — (Ideenarmut) vr. F. H., Beil.
z. Leixz. Ztg. —

DtcbtUNg. (Volksbühne und volksdichtung) S. lVolss,
Gegenw. Z. — (vergessenheitstrank und Nibelungensage)
Ls. Roetteken, Ztschr. s. vergl. Lit.-Gesch. (. — (Aleists
„penthesilea") M. §. Iiriczek, ebenda. — (Sin deutscher
Dichter d. Reformationszeit) A. Stern, Grenzboten 2 f. —
(Geheimrat Goethe) L. lseiborn, Gegenw. 3. — (Herder)
Th. Matthias, Beil. z. Tgl. Rdsch. 28 sf. — (Romantik
und F. Hebbel) I. Lollin, Grenzboten 3. — (Iustinus
Kerner) L. Schmidt, Magazin 2. — (Maurus Iokai) pros.
Schwicker, Beil. z. Allgem. Z. ( s. — (lvilh. Busch) p. Lrnst,
Magazin (. — (Grabbe) Th. Freiberg, Dtsches Dichterheim 5.

Tbeater. (Deutsche volksbühne) F. Lienhard, 20 Iahrh. 5.
— (Die Runst der Duse) N. Bartels, Didaskalia 23. —

> Musik. (Smetana) F. Slavur, Nord u. Süd 203. — (Anton
Bruckner) F. Th. Tursch-Bühren, Sängerhalle 3, —

(Palestrina) !N. Seissert, Allgem. N. Z. 5, 6. — (peter
Tornelius, der Dichterkomponist) A. Stern, l). Fels z. M. ?.

Mldende lirünste. (Der Bilderschmuck im deutschen Bause)
kh. S., Beil. z. Leipz. Z. 22. — (Die germanische Bewegung
i. d. mod. Malerei) H. Rosenhagen, Beil. z. Tgl. Rdsch. 35.
— (Lionardo^ G. Frizzoni, Ztschr. s. bild. R. — (Ismael
und Raphael Mengs) R. wörmann, ebenda. -- (Fritz
von Uhde) ch. H. Meißner, Zukunst 73. — (Iohn Sorgent)
H. Helserich, chrks. Ztg. 3-(. — (L. Munch) lv. Pastor, chrks.
Ztg. 20. — (lvatts) B. üelferich, D. A. s. 2l. 5. —
(Ioh. Alaus) A. Schässer, D. graph. Aste 6. — (Israels)
H. Helserich, D. R. s. A. (0, — (A. Reller) G. Fuchs,
Allgem. A.-Thron. (. — (Rlinger) ch. Avenarius, Tgl.
Rsch., Beil. 2-( s.

» IHersteigerungen. Eine Versteigerung von ungewöhn-
licher Bedeutung ist die vom 12. bis 20. März in Berlin
stattfindende der Galerie und der Kunstsammlungen des ver-
storbenen Adols Liebermann von Wahlendors. Der die
Gemülde, Aquarelle und Handzeichnungen beschreibende Katalog
enthält nicht weniger als 30 ausgezeichnete Heliogravuren der
Kunstanstalt Meisenbach, Riffarth u. Co., derjenige der Kunst-
sammlungen 25 Phototypien von P. Kühlen in München-Glad-
bach und viele Textillustrationen; alles in Foliogröße. Die
Sammlung selbst mit ihren Bildern, Skulpturen und kunst-
gewerblichen Schätzen enthält hervorragende Werke. Das Ver-
zeichnis der Gemälde zählt allein 107 Stück auf; darunter
befinden sich erste Namen der zeitgenössischen Kunst. So sind
Knaus und Muncacsy mit je drei Werken vertreten. Da ist
ferner eine frühe Arbeit Lenbachs, Landleute beim Gewitter,
ein sehr charakteristischer Brozik. Dann giebt es Bilder von
Liebermann, Desregger, Grützner, Meyerheim, Hognet, Ed. Hilde-
brandt, A. Seitz, Schreyer, A. Achenbach, von Jsabey, Boldini,
de Sanctis, Chaplin, Quadrone u. a. Unter den Gemälden
alter Meister sallen ein Murillo, „der heilige Franciscus", zu
dem sich der Gekreuzigte herniederneigt, und ein köstliches
Blumenstück von Verbruggen besonders aus. Die Skulpturen,
meist italienischer Herkunst, sind weniger kostbar, als die über-
aus reichhaltige Sammlung alter und neuer kunstgewerblicher

Arbeiten. Außer prachtvollen Möbeln giebt es da herrliche
Stücke in Edelmetall, Elsenbeinschnitzereien, Miniaturen, Email-
arbeiten, Prunkgefäße und Ziergeräte aus dem Nachlasse
Ludwigs.II. von Bayern, Gobelins, Stickereien, seltene und
schöne alte Stoffe, kurz alles, was eiues Kenners und Sammlers
Herz erfreuen kann. Die Leitung der in Berlin, Unter den
Zinden 8, I., stattfindenden Versteigerung ist der Kölner Firma
L. M. Heberle (H. Lempertz' Söhne) übertragen.

Gleichsalls eine wichtige Versteigerung betrifft Antiqui-
tüten und Gemälde aus der „Sammlung Buchne-r-
Bamberg", insbesondere sind unter den kunstgewerblichen
Stücken Elsenbein- und Holzschnitzereien, Dosen,, Möbel, Por-
zellan, Glas-Emaillen in trefflichen Stücken vertreten, dann
kommen Miniaturen, besonders aus dem vorigen Jahrhuudert,
unter den Staffeleibildern schließlich giebt es vorzügliche ältere
Stücke von unbestrittener Echtheit. Die Versteigerung sindet
am 9. April bei Rudols Bangel in Frankfurt a. M. statt.
Von diesen ist auch der reich illustrirte Katalog zu beziehen,
den H. E. v. Berlepsch und Fr. Weyser herausgegeben haben.

* Druckkebler-äjSericvtigung. Jm vorigen Hefte ist
in der Kritik von Cärstaujen auf Seite (73, linke Spalte,
Zeile (0 v. o. ein sinnstörender Druckfehler stehen geblieben.
Es muß heißen: „Ilnter das Joch" — statt Jch — „eines
sremden Ästhetikers."

» Äber Vantomtmen. — H2undscbau. Dichtung. Schöne Literatur. 33. Schriften über Literatur. 6.

. — Theater. Wichtigere Schauspiel-Aufführungen. 60. —Musik. Musik-Literatur. (6. Deutsche Musik

in Jndien. Rubinstein. — Bildende Künste. Berliner Kunstbriese. Kunst-Literatur. (3. Kunstblätter und Bilderwerke. (0.

— Vermischtes. Das Ausleben des Dilettantismus. (Schluß). — Sprecvsaal. Nochmals: Die Traumcharakterisirung in !
Hauptmanns „Hannele". — Lettungsscbau. — Versteigerungen. Drucksehlerberichtiguug.

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- iso -
 
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