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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 7.1893-1894

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Heft 13 (1. Aprilheft 1894)
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Rundschau
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11728#0214

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derben, aber Dürnbauers höchst feinsinnige Marmorfigur
„Jn Gedanken" scheint mir ihu eher verdient zu habeu. Das
beste Genre des plastischen Teiles, ein ganz merkwürdiges
Musterstück, lieferte ein Fremder, Emilio Benlliure, dessen „Un-
angenehme Situation" mich so herzlich lachen gemacht hat,
daß ich über alles andere versöhnlich gestimmt war und meinen
Bericht somit schließe. Paul wilhelm.

x ikunslblätter und Kilderwerke. N.

MriginaURadirungeu von KarlStaufser-Bern.

Durch das Berliuer Kunsthaus Amsler L Ruthardt (Gebr.
Meder) wird jetzt das gesamte „Werk" des uuglücklichen Karl
Stauffer in den Handel gebracht, soweit davon überhaupt noch
Blätter verkauft werden können.

Das Stoffgebiet, dem Stauffer die Vorwürfe zu seinen
Nadirungen eutnahm, ist, wie unsere Leser wiffen, klein: sehen
wir von einer einzigen kleinen und unbedeutenden Landschaft
und von zwei Aktstudien ab, so habeu wir's heute nur mit
Bildnisien zu thun. Merkwürdig, wie sich aus all diesen
Blättern die Entwickelung des Malers zum Bildhauer vor-
bereitet! Je später, je weniger sind es die eigentlichen male-
rischen Wirkungen des Lichtlebens, des Spiels der Schatten-
töne, das ihn am meisten fesselt: werden diese auch auf
keinem Blatte in unmalerischer Weise vernachlässigt, so er-
kennen wir doch leicht das Hauptmüheu gerichtet auf liebevollste
und seinste Herausarbeitung der Form, aus sorgfültigste Mo-
dellirung also. Das köstliche Bildnis seiner Mutter und der
bekannte „liegende weibliche Akt", zwei allein mit dem Stichel
gearbeitete Blätter, zeigen mit ihrer unvergleichlichen Feinheit in
dieser Beziehung Stauffer auf dem Höhepunkte seines Könnens.

Künstlers, noch auch das der Frau Welti, das uns eine nicht
eben ansprechende Persönlichkeit besonders durch Auge und
Mund schärfer charakterisirt, als wir das bei den Beziehungen
des Künstlers zu dieser Dame erwarten sollten, sondern die
Bildnisse von „Berühmtheiten" sind es, die ihm in erster Reihe
stehen. Und wo könnten auch die Verehrer der hier von Staufser
geschilderten Männer beffere Bildnisse der Gefeierten bekommen?
Gustav Freytag in seinem Garten zu Sieblebeu, wie er einen
Augenblick im Spazierengehen innehält und, den Kopf voller
Gedanken, vor sich hinsieht — es ist überraschend, wie lebens-
voll der Mann plötzlich vor uns auswächst, betrachten wir
dieses Blatt! Und mit überzeugendster Charakteristik ins-
besondere des Ernsten, Harten, Kernholzmäßigen seines Wesens
ist er auch in jenem Bildnisie geschildert, das uns nur seiu
Gesicht zeigt. Adolph Menzel! — dieses kleine Haupt, das
dem ersteu Blicke so häßlich erscheint und dem zweiten und
allen solgenden so seffelnd schön, weil es ganz Auge und Geist
ist, Staufsers Profilbild hat es ungewöhnlich gut wieder-
gegeben, sein Bildnis en tace aber ist, mag es malerisch auch
ein wenig hart erscheinen, als Werk der Charakterisirkunst
schlechtweg meisterhaft. Konrad Ferdinand Meyer! — wie
sprechend lebensvoll erscheint er hier mit dem Zug zum beweg-
licheu Humor, der beim Dichter in ihm sreilich seltener zum
Ausdruck kommt als beim Menschen. Und schließlich Gottfried
Keller! Wir haben schou wiederholt die Keller-Gemeinde an
dieses Bild erinnsrt, das den Dichter „sitzend in ganzer Figur"
zeigt, wie ihn der Radirer dem Leben abgestohlen hat. Gar
nicht zu des Poeten Erbauung — aber wie ungern mißten
wir dieses Bild des kleinen Herrn! Jst er uns doch daraus
in all seiner göttlichen Brummigkeit so leibhaft erhalten, daß wir
uns seiner sreueu, als hätte hier ein Gottfried Keller der
Nadel und des Stechers einen Poeten Gottsried Keller aus

Das größere Publikum werden selbstverständlich die Bild-
nisse am meisten interessiren. Und natürlich nicht so sehr die
ja vortrefflichen aus dem Familien- und Freundeskreise des j Seldwyla in allen seinen Prachten hingesetzt. A.

Lose Matter.

» Tragikomisebes als Leickeir der Leit.

Wir haben eine Nachlese aus dem Vierteljahr dcs
Faschings zu geben.

Daß Berlin keine rechte Karnevalstadt sei, ist citel Lug;
das ganze Jahr hindurch klingelt wenigstens aus dem
Bereich der preußischen Kunstpflege ein vergnüglicher Ein-
fall nach dem andern nbers Land, nnd prächtig spielen
unter der Schellenkappe die würdevollen dreinblickcnden
Bureaukratengesichter den närrischen Ernst. Jetzt sreilich,
zur Herrscherzeit des sröhlichen Prinzen, hat man sich was
Besondres geleistet: der Ruhm Leipzigs läßt Berlin nicht
schlafen, es will zeigen, daß es auch eine große Seestadt
sei. An der Kunstakademie soll für Salzmann ein
Meisteratelier sür Marinemalerei entstehen!

Aber aus solchem Spaß sieht doch auch der Ernst
hervor. „Jn den engern Gruppen, die durch ihre geistige
Schnlung für die großen Vorgänge, durch ihren Berus
sür Kunst und Literatur Jnteresse erhalten haben", sagt
der trefsliche Korrespondent der Kölnischen Zeitung
(Leixner?), „spricht man von allen diesen Dingen nicht
mehr so srank und frei, wie es wünschenswert wäre. Man
ist des künstigen Tages nicht sicher genug, nnd selbst auf
dem stillen Gebiete der Berliner Kunst sängt eine Fraktion
an, der andern zu mißtrauen, weil man unaushörlich Be-
wegnngen hinter den Kulissen zu sühlen glaubt. Der
srische Wagemut, der sich gelegentlich einmat verhaut, wäre
in künstlerischen Bestrebungen nicht so gesährlich, wie diese
diplomatisirende Art, die seit kurzem eingeborene Maler
und Bildhauer behandelt, als ob sie ausländische Minister

wären. Wichtige Beschlüsse werden nicht mehr von schabloni-
sirenden Kommisfionen gefaßt — was nicht erfreulich wäre,
— sie werden aber auch nicht mehr — was seine zwei
Seiten hatte — aus einem starken künstlerischen Empfinden
heraus von eincm Einzelnen plötzlich getroffen. Ja, es
hat den Anschein, als ob einflußreiche Männer, welche
sonst in Vorträgen dezernirenden Rat zu erteilen gcwohnt
waren, bevorstehende Ereignisse in die Dfsentlichkeit lanzircn,
wenn sie ihre zur Privatmeinung gewordene Ansicht für die
öffentliche Meinung halten. Jch bitte um Entschuldigung
für diefen fchrecklich diplomatischen Satz. Er entspricht
dem Ton, in welchem unsere Künstler zu reden anfangen,
wenn ihrer mehr als drei beisammen sind. Man hört,
daß in der Kunstakademie ein neues Meisteratelier geschaffen
werden foll, das für Marinemalerei. Nun sollte man
glauben, daß allgemeine Heiterkeit die Nachricht, die ganz
unaufsällig in den Blättern auftauchte, beantworten müßte.
Es ist ja doch nicht einzusehen, wo der Marinemeister seine
Schüler die Studien nach der Natur machen lassen sollte,
die in andern Gebieten der Malerei für nützlich gelten.
Es ist nicht abzusehen, wie der Marinemeister anders als
durch Kopirenlasfen feiner eigenen Werke Schüler heran-
ziehen könnte. Und sollte der Marineklasse der Kunst-
akademie ein Schulfchisf überlassen werden, um darans eine
ordentliche Seereise und Naturstudien machen zu können,
dann wäre doch Berlin trotz seines bedeutenden Wasser-
verkehrs und Wasserverbrauchs kaum die berusene Zentrale.
Aber solche felbstverständlichen Ketzereien hört man von
einem rccht zeitgenössifchen Künstler doch nur, wenn man

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