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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 7.1893-1894

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Heft 17 (1. Juniheft 1894)
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Sprechsaal
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11728#0278

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wohl, weil ihre Malerei in der Liebe zur Natur, oder, wie
man vielleicht richtiger sagen sollte, in der Liebe zuin Land-
leben, mehr noch wurzeln dürste, als in technisch-malerischen
Anregungen. Solche Anregungen fehlen bei ihnen aber nicht:
sie haben sie, ebenso wie die Andern, vom Jmpressionismus
empfangen, der großen Bewegung, durch die erst Luft und
Licht der Malerei erobert wurde und von der die ganze Weiter-
entwickelung der modernen Malerei ausgeht. Diese stützt sich
iu Deutschland auf eine vielversprechende Jugend. Jn den
allerjüngsten Münchener Ausstellungen haben sich einige „neue
Leute" bemerklich gemacht, die mit verblüffender Sicherheit
auftreten. Wenn sie die Hoffnungen verwirklichen, die sie heute
erregen, dann geht Deutschland einer Blüteperiode in der j

Malerei entgegen. Es ist aber ein gefährliches Ding, auf die
Kenntnis nur weniger Werke, deren jugendlicher Froh- und
Wagemut uns gefangen nimmt, ein Urteil aufzubauen. Jch
beschränke mich deshalb darauf, noch einige Namen zu nennen,
die man vielleicht später häufiger wird nennen müssen. Unter
den Landschaften dieser Jüngeren sind mir besonders aufgefallen
solche von Hubert von Heyden, Hänisch, Hummel und
Riemerschmid. Es giebt in München noch viele geschickte
Leute, die beim Publikum in hohem Ansehen stehen. Sie gehen
aber in ausgetretenen Geleisen, oder sie tanzen auf dem hohen
Seil. Jch wenigstens habe eine persönliche Note aus ihren
Tönen nicht heraushören können.

Iohn Greenock.


Lose Mälter

Subjektives Lrinnern.
wenn herzige Töne dich erlaben,

Du meinst, sie schon gehört zu haben.

Taucht Schönheit so frisch aus dem Schaum,

Du kennst sie wiedcr: sie war dein Traum.

Trrnre nucte!

Rünstler, schaff und bleib nur wahr!

Und ob's einmal nicht gerät,
wird dir doch dran offenbar,
was in keinem Buche steht.

Zweierlei tehrer.

Der Line reicht, und meint dir nicht zu schaden,

Den blanken, endlos aufgerollten Faden;

Der Andre steckt an deinen wocken
Die weichen, formlos flockigen Tocken,

Und freut sich, daß du selber wirst spinnen
Boch, wenn er längst von hinnen.

N a n t h i p p u s.

x Siegkrled und Scböne Delenn. „Jhr wißt, auf
unsern deutschen Bühnen probirt ein jeder, was cr mag."
Dics geflügelte Wort des Goetheschen Theaterdirektors bc-
darf am wenigsten in der Gegenwart mehr eigener Belege.
Allein, wenn der Kunstwart auch schon manches Hübsche
aus den Spielplänen zu verzeichnen hatte, nicht nur von
Festvorstellungen bei Anwesenheit fürstlicher Personen, die
folgende Thatsache darf doch einen Ehrenplatz beanspruchcn.
Bor einigen Wochen feierte der Gesangskomiker des Stadt-
theaters zu Königsberg i. Pr. scin Abschiedsbenefiz. Dabei
kamen zur Aufführung: Richard Wagners „Siegfried"
(I. Aufzug) und Jacques Offenbachs „Schöne Helena"
(I.-III. Akt). Nun haben wohl auch die verbissensten
Wagnerianer keinen Grund mehr zur Beschwerde, da
Künstler und Publikum die Komik von Zwerg Mime und
Menelaus dem Guten als gleichberechtigt anerkannt haben.
Es kann ja nach dem Ilrteile unserer gebildesten Klassen
den Anhängern Wagners nur darauf ankommen, daß seine
Opern gespielt werden. Was Wagner wollte und wofür
er sein Leben lang kämpfte, die Forderungen, welche er
zur Hebung der deutschen Kunst in den zehn Bänden seiner
Schriften entwickelte, wir wisfen davon nichts, wir haben
keine Zeile von den zehu Bänden gelesen, aber wir miß-
billigen alles Nbertriebene. Wir laffen das Schöne und
Lustige gelten, ob wir es nun bei Mascagni, Offenbach

oder Wagner finden, und das ist der einzig richtige Stand-
punkt für das kosmopolitische Volk der Denker, von
den, uns Lessing, Schiller und Wagner nicht abbringen
sollen!

-x- lkmris j,i Werlin. Gelegentlich der „Berlinischen
Kunstausstellung" macht ein „Berliner Brief" der Kölnischen
Zeitung die folgenden zutresfenden Bemerkungen: „Wie so
viel Romane, die sich nach dem abenteuerlichen Schauplatz
der Handlung Berlincr Roniane nennen, nur Übersetzungen
und schlechte Uebersetzungen vou Pariser Sittenbildern sind,
weil die Verfasser nur durch Pariser Brillen sehen gelernt
haben, so sind nur allzu zahlreiche Berliner Jllustrationen
deutscher Familienblätter Pariser Toilettenskizzen und Pariser
Genrebilder. Da hat ein Künstler den ehrenvollen Auf-
trag erhalten, das Jnterieur eines neuen Berliner Theaters
für sein Blatt zu malen. Nun ist das Theaterpublikum
Berlins nicht elegant gekleidet. Man kann das bedauern,
abcr man kann es nicht leugnen. Eine Dame in großer
Dinertoilette würde auffallen; ein Herr im Frack glaubt
sich bei seinen Bekannten entschuldigen zu müssen. Selbst
im Opernhause haben nur die Orchestermitglieder eincn
Frack an. Auf dcn öffentlichen Maskenbällen erscheinen
die Herren nicht mit Unrecht wie in den Kneipen mit
Damenbedienung. Der Maler des Theater-Jnterieurs hat
aber dcn begreiflichen Wunsch, nackte Schultern und prächtige
Stoffe zu nialen, er kennt außerdem fein Paris, und so
kommcn auf die berlinische Kunstausstellung die neuesten
Pariser Toiletten eines unberlinischen Publikums. Oder
der Künstler soll eine Berliner Straßenperspektive malen,
bei Morgendämmerung, bei Abendlicht, bei Sonnenschein
oder bei Regenwetter, einerlei. Jch weiß nicht, woher es
kommt, ob von der Verschiedenheit des Straßenpstasters
und des Straßenschlamms, ob von der größern Bunt-
farbigkeit der Pariser Schilder und Geschäftsreklamen, ob
endlich von dcr verschiedenen Haltung von Männlein und
Weiblein, die sich im Straßenschlamm umhertreiben, genug,
alle Berliner Friedrichstraßen der Ausstellung sehen pariserisch
aus, und man wundert sich über die deutschen Firmen-
tafeln, die das Gemälde beleben. Oder die Künstler sind
kühn und illustriren die vielgenannte Nachtseite des Daseins,
indem sie traurige Vorkommnisfe aus dem Leben der Groß-
stadt zu ihren Stoffen wählen. Da sieht man dann eine
blinde Bettlerin, für welche ein bildhübsches, sauber ge-
kleidetes Mädchen die Hand nach einer Gabe ausstreckt.
Jch habe in Berlin zweierlei noch niemals gesehen: noch
nie hübsche Bettlerinnen und noch nie eine saubere. Da
 
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