Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 7.1893-1894

DOI Heft:
Heft 13 (1. Aprilheft 1894)
DOI Artikel:
Schöne Kleider
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11728#0203

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Lrstes Aprtl-Dekt ISS4.

13. DeN.

Lrscbeint

am Anfang und in der Mitte

Derausgeber:

Ferdinand Nvenartus.

Kesrellpreis:
vierteljährlich 2t/g INark.

7. Zsbrg.

Lcböne

^or einiger Zeit durchlief die Tagespresse die
Nachricht, die Prosessoren an der Berliner
technischen Hochschule hätten nunmehr wie ihre
Kollegen von der Universität eine Amtstracht
für feierliche Gelegenheiten Lewilliat erbrlten. Die Herren
hatten schwarze Talare mit Lraunem Tuchbesatze Leantragt.
Aber der Kaiser, der sich gern um Kleines und Kleinstes
selber kümmert, der überdies eine ausgesprochene Neig-
ung für farbenprächtiges, altertümliches Zeremoniell und
historische Maskeraden besitzt, Lestimmte aus eigener Jnitia-
tive, daß der etwas nüchterne braune Tuchbesatz in einen
Ausputz von goldbraunem Sammt verwandelt werde. Und
so werden sich die Herren Professoren gewiß gar prächtig
bei Rektoratswahlen, Hoffesten nnd Denkmalsenthüllungen
ausnehmen und sich ebenso harmonisch in bescheidener
Würdigkeit einem glänzenden Gesamtbilde einfügen, wie
die Herren von der Universität.

Man ist gerne geneigt, sede einigermaßen malerische
Tracht, die dem schwarzen Fracke Abbruch thut, mit Freuden
zu begrüßen. Selbst die Hoftrachten und Militäruniformen
wirken in ihrer Farbigkeit und Mannigfaltigkeit ersreulich,
obgleich man mit ästhetischen Ansprüchen nicht wohl an
sie herantreten darf. Man wird — falls man nicht
gerade ein Backfisch ist — zugeben müssen, daß auch eine
zarte himmelblaue Husarenuniform mit dem von der rauhen
Luft des Eperzirplatzes rotbraun gefärbten Gesichte ihres
Trägers einen abscheulichen Farbenkontrast bilden kann.
Und eine alte Exzellenz, die keine Waden hat, macht in
Escarpins und seidenen Strümpfen -— immer natürlich
ästhetisch gesprochen -— auch dann eine klägliche Figur,
wenn die um die dürren Glieder schlotternde Hofuniform

Ikleider.

I. Klasse noch so sehr mit Goldstickerei übersät ist. Mag
aber auch der Einzelne zu bemängeln sein, so bietet doch
die Gesamtheit einer festlichen Hofgesellschaft mit all den
reichen Uniformen und glitzernden Ordenssternen ein be-
rückendes Bild von Glanz und Prackt, das sich zu dem
Äußeren einer bürgerlichen Gesellschaft — wenigstens was
den schwarz befrackten männlichen Teil anlangt ^—- verhält,
wie eine lachende Frühlingslandschaft zum Jnnern eines
düsteren Kellerraums. Wer will es also dem Kaiser ver-
denken, wenn er die Tracht des Bürgertums aus seiner
Umgebung verbannt, wenn er den Prosessoren gold-
braunbesetzte Talare verleiht, wenn er wieder Escarpins
und weißseidene Strümpfe einführt, ganz neue Jagd-
uniformen ersinnt und bei Ordensfeierlichkeiteu unter
„Jo so" und „Ho do" die sehr edlen Ritter in den
altertümlichsten Gewandungen auftreten läßt?

Man darf freilich nicht vergessen, daß dies Alles sür
die Allgemeinheit nur den Wert einer Kuriosität be-
sitzt. Die bürgerliche Tracht, die eigentliche Kleidermode
bleiben von phautasievollen kaiserlichen Entschließungen oder
Verordnungen der Behörden unberührt. Solange die
Professoren ihre Amtstracht nicht ini Kolleg und auf der
Straße anlegen, — und das sollen sie nicht und werden
sie nie — so lange betrachtet sie das Volk als theatra-
lisches Beiwerk und Mummenschanz, als elne wunderliche,
der Sitte künstlich ausgezwungene, fast komische Erscheinung.
Und würden hunderte solcher Amtstrachten eingeführt, das
Straßenbild bliebe nüchtern und unmalerisch wie zuvor,
beim Feierkleid des Mannes herrschte schwarz und weiß:
die grundsätzliche Farblosigkeit. Auch die Mode wandelt
nach ehernen Gesetzen ihre Bahnen, und ihre wunderlichsten

^-

— IS3 —
 
Annotationen