Sie haben uns von dort eine starke Gabe Prä-Raphaelismus ge-
schickt, was wir aber nicht bedauern wollen. Obenan stehen
immerhin Alma Tadema und Herkomer. Der erstere hat mit
seiner „Fredegonde" ein bedeutendes Werk geliefert, das jedoch
den Fehler besitzt, daß es zum Geiste unserer Zeit nicht ver-
ständlich spricht. Aber es zeigt Stilgattungscharakter und Be-
dentung der Auffaffung. Herkomers „'Hagar" gehört zu dem
Eigenartigsten, das ich kenne. Technisch ist es nicht nur ein
merkwürdig findiges Kunstwerk, sondern es bestrickt und fesselt
bei aller Einfachheit des Motives. Nur vom Herbsthauch ge-
welktes Strauchwerk und an seinem Rande eine Frau mit dem
schlummernden Kinde. Aber hier hat ein „Dichter der Farbe"
den Pinsel geführt. Richmond hat ein treffliches Bismarck-
Bild geschickt, und Onleß' „Cardinal Manning" gehört zu dem
markigften, was die englische Abteilung besitzt — es ist meifter-
haft im Kolorit und in der Jndividualisirung. Wie ganz
anders und wie viel weniger würdevoll geben sich die Fran-
zosen! Sie sind so recht das Champagnervolk. Auch ihre
Bilder beranschen, sie ftacheln die Sinne, fie sind reizvoll, um
nach all dem prickelnden Genuß Ernüchterung zurückzulassen.
Sie haben merkwürdig viele Aktstudien; ein nackter Frauenleib
schimmert uns aus jedem dritten Bilde entgegen. Oft sind sie
rosig-unwahr, malerischer Ausdruck französischen Schönheits-
begriffes, der an der Wirklichkeit scheu vorübergeht: Fächer-
studien, Briefpapiervignetten in großen Dimensionen! Sie
führen Namen und Symbole, aber es bleiben mehr oder
minder reizvolle Damen, die den Lügen ftrafen, der etwa be-
hanptete, daß die Franzosen zu viel auf die Toiletten geben.
Ein entzückend anmutiges Bild ist freilich unter ihnen — es
heißt „Psyche" und ift von Jules Lefovre. Eine nackte
Mädchengestalt mit dunkelblondem Haar, fragendem Gesichts-
ausdruck, einem Stern auf der Stirne, sitzt ohne Pose und
besonderes Leben auf einem Stein. Wie viel Jnnigkeit liegt
in dieser keuschen Mädchenblüte, die so rein wirkt wie das
züchtigste Madonnenbild! Maignaus „Sturmglocke" ist kolo-
riftisch blaß und sieht in den bekannten Reproduktionen besser
aus. Ein ungemein flottes Bildnis, an dem sich mancher
deutsche Meister ein Muster nehmen könnte, giebt I. A. Rixens,
während Vibert uns ein drastisches Genrebild zeigt, den „de-
speraten Clown". Die Jtaliener sind gut vertreten, vor-
nehmlich technisch gut; sie haben kein Bild, das durch die Be-
deutung des Motives oder der Durchgeiftigung aufsiele. Eiu
Meifterftück der Landschaftsmalerei sind Baruccis „Schafe in
den Apenninen", die gleichmäßig verteilte Dämmerung, —
der Bergnebel, — das wunderbar wirkungsvoll gemalte Strauch-
und Steinwerk, durch das in dichten Scharen die graulockigen
Schafe hinhuschen, erzeugen Stimmung, die im Motiv selbft
weniger liegt, als in der Art, wie der Meister es zum Bilde
zwang. Dann möchte ich noch seiner glänzenden Ausführung
halber Bazzanis „Triumphbogen des Septimius" und Pio
Sanguiricos „Vergessene Blume" ertvähnen; das letztere Bild
ift das plaftischfte Blumenstück, das ich überhaupt gesehen habe.
Was das Genre bei den Jtalienern betrifft, ist wohl das beste
Gustavo Simonis „Kugelspieler in der Campagna", ein präch-
tiges Aquarell — wir möchten unsern vielgelobten Eugen von
Blaas bitten, sich das Bild doch recht oft anzusehen: es
läßt sich wirklich davon lernen. Belgien ift mittelmäßig ver-
treten. Bedeutender erscheint Holland. Da ist vor allem
Jsraels „Durch Feld und Au", ein bedeutendes Bild, das sich
wie alle Werke dieses großen Meifters ins Grau der Schwer-
mut hüllt, dann F. Mondriaans farbensatte „Holländische
Landschaft". Spanien, das Land der Koftümmalerei, hat
einige große Meister herübergesandt, und dasür gebührt ihm
Dank, wenn wir sie gleich heute nicht mehr so feierlich be-
^-
grüßen können, wie dies vor zehn Jahren geschehen würe.
Da ist Joss Villegas mit seinen Kolossalgemälden „Triumph der
Dogaressa Foscari" und „Tod des Meifters", über die man
allein einen ganzen Aufsatz schreiben könnte. Villegas erzählt
nicht einen Vorgang, sondern flicht mehrere zu einem Grund-
motiv zusammen. Benlliures „Kardinal im Chor" ist so groß
an Bedentung wie klein im Raum. Amerika zeigt sich bei
uns recht schlimm; eines oder das andere ist erträglich — be-
deutend ist nichts. Jmposant tritt Deutschland auf, das
so viel Gutes bringt, daß wir des karg bemessenen Raumes
halber in Verlegenheit kommen. Die beiden Achenbach sind
schön vertreten, wenn sie anch nichts Ungewöhnliches zeigen.
Dettmann, der manirirteste unter den Jmpressionisten, mutet
an wie ein Heine der Malerei. Schönleber hat ein virtuos
gemaltes Seebild „Hohe Flut", das mir lieber ist, als der
heurige Andreas Achenbach. Bildnisse geben Lenbach (Jgnaz
Brüll), F. A. v. Kaulbach und Paul Kißling. Walther Firle
hat ein Triptychon gesandt, das Poesie aus der Welt des
Elends schöpft, während G. Max in seiner „Vision" sein frü-
heres Beftes nicht voll erreicht, indeß sein Affenbild „Jenseits
von Gut und Böse" technisch wie der Jdee nach zu den
schärfften, sieghaftesten und bitterften Satiren gehört, die je
eines Meisters Pinsel geschassen hat. Nun zu Osterreich-
Ungarn. Unsere Künstler haben sich redlich Mühe gegeben.
Jhre solide, wenn auch ost hausbackene Kunst wirkt sogar bei
dem vielen Verschrobenen einigermaßen erquicklich. Julius
von Blaas hat ein Prozessionsbild hier, bei dem äber die
Pferde — wir gestehen ihm zu, daß er sie vortrefflich malt —
als die Hauptfiguren erscheinen; Robert Ruß malt eine „Gegend
bei Arco" frei nach Oswald Achenbach, Pochwalski, der Meister
unserer Portraitkunst, steht auf gewohnter Höhe, Angeli erscheint
uns diesmal merkwürdig aus sich herausgegangen, — vielleicht
dem hohen Stoff zu Liebe. Veiths Madonna gehört wohl zu
den besten Madonnenbildern der neueren Meister; Defregger,
der auch eine Madonna versucht hat, möge hier sehen, wie
man modern sein und doch die vollfte Harmonie mit dem
Stoffe finden kann. Olga Wiesinger-Florian giebt ein Blumen-
stück: „Blühende Wiese", das entzückend schön ist. Die saft-
grünen Blumenstengel, die zartduftigen Blümchen und die
flatternden Kohlweißlinge darüber möchte man mit den Fingern
greifen. Bedeutend in Stimmung und Empfindung ift ihr
eigenartiges Bild „Am Fronleichnamstage", in dem die
Künstlerin sich auch als seinsinnige Dichterin erweist. Sta-
chiewicz hat aus seinem großartigen Maria-Zyklus wieder
zwei grau in grau gemalte Ölbilder geschickt. — Ungarn
zwingt uns Achtung ab. Jch nenne Benczur mit seinen Por-
traits, Margitay mit Genrebildern aus der „besseren" Gesell-
schaft, feinkritisch beobachtet und elegant gemalt, und Otto
von Baditz mit seinem blaß gemalten Bild „Heckenrosen", das
so voll keusch-lieblicher Anmut ift, daß ich ihm einen Ehren-
platz gönnen muß. Munkäcsy hätten wir gerne bei etwas
Bedeutenderem begrüßt. — Jch will endlich konstatiren, daß es
mit der Plastik nicht sehr erfreulich aussieht. Tilgner hat
Julius Bauers Portrait gegeben, und darin ist er, wie hier
immer, Meifter — die Figuren zum Werndl-Denkmal mit
ihrem äußerlichen Realismus, der der inneren Poesie entbehrt,
gefallen mir desto weniger, wie sehr auch des Künstlers Freunde
von ihnen entzückt sind. Weyr müssen wir vermissen — sollte
er verftimmt sein? Benk liefert eine Schaumgeborene, die uns
noch mehr erfreuen würde, hätten wir von demselben Meister
nicht schon dasselbe Motiv gesehen und stellte die erfte
Schöpfung nicht die zweite in Schatten. Kauffungen hat für
einen Grabmal-Entwurf den „Reichel-Preis" erhalten; ich will
ihm durch kritische Bemerkungen die Freude daran nicht ver-
— 203 —
schickt, was wir aber nicht bedauern wollen. Obenan stehen
immerhin Alma Tadema und Herkomer. Der erstere hat mit
seiner „Fredegonde" ein bedeutendes Werk geliefert, das jedoch
den Fehler besitzt, daß es zum Geiste unserer Zeit nicht ver-
ständlich spricht. Aber es zeigt Stilgattungscharakter und Be-
dentung der Auffaffung. Herkomers „'Hagar" gehört zu dem
Eigenartigsten, das ich kenne. Technisch ist es nicht nur ein
merkwürdig findiges Kunstwerk, sondern es bestrickt und fesselt
bei aller Einfachheit des Motives. Nur vom Herbsthauch ge-
welktes Strauchwerk und an seinem Rande eine Frau mit dem
schlummernden Kinde. Aber hier hat ein „Dichter der Farbe"
den Pinsel geführt. Richmond hat ein treffliches Bismarck-
Bild geschickt, und Onleß' „Cardinal Manning" gehört zu dem
markigften, was die englische Abteilung besitzt — es ist meifter-
haft im Kolorit und in der Jndividualisirung. Wie ganz
anders und wie viel weniger würdevoll geben sich die Fran-
zosen! Sie sind so recht das Champagnervolk. Auch ihre
Bilder beranschen, sie ftacheln die Sinne, fie sind reizvoll, um
nach all dem prickelnden Genuß Ernüchterung zurückzulassen.
Sie haben merkwürdig viele Aktstudien; ein nackter Frauenleib
schimmert uns aus jedem dritten Bilde entgegen. Oft sind sie
rosig-unwahr, malerischer Ausdruck französischen Schönheits-
begriffes, der an der Wirklichkeit scheu vorübergeht: Fächer-
studien, Briefpapiervignetten in großen Dimensionen! Sie
führen Namen und Symbole, aber es bleiben mehr oder
minder reizvolle Damen, die den Lügen ftrafen, der etwa be-
hanptete, daß die Franzosen zu viel auf die Toiletten geben.
Ein entzückend anmutiges Bild ist freilich unter ihnen — es
heißt „Psyche" und ift von Jules Lefovre. Eine nackte
Mädchengestalt mit dunkelblondem Haar, fragendem Gesichts-
ausdruck, einem Stern auf der Stirne, sitzt ohne Pose und
besonderes Leben auf einem Stein. Wie viel Jnnigkeit liegt
in dieser keuschen Mädchenblüte, die so rein wirkt wie das
züchtigste Madonnenbild! Maignaus „Sturmglocke" ist kolo-
riftisch blaß und sieht in den bekannten Reproduktionen besser
aus. Ein ungemein flottes Bildnis, an dem sich mancher
deutsche Meister ein Muster nehmen könnte, giebt I. A. Rixens,
während Vibert uns ein drastisches Genrebild zeigt, den „de-
speraten Clown". Die Jtaliener sind gut vertreten, vor-
nehmlich technisch gut; sie haben kein Bild, das durch die Be-
deutung des Motives oder der Durchgeiftigung aufsiele. Eiu
Meifterftück der Landschaftsmalerei sind Baruccis „Schafe in
den Apenninen", die gleichmäßig verteilte Dämmerung, —
der Bergnebel, — das wunderbar wirkungsvoll gemalte Strauch-
und Steinwerk, durch das in dichten Scharen die graulockigen
Schafe hinhuschen, erzeugen Stimmung, die im Motiv selbft
weniger liegt, als in der Art, wie der Meister es zum Bilde
zwang. Dann möchte ich noch seiner glänzenden Ausführung
halber Bazzanis „Triumphbogen des Septimius" und Pio
Sanguiricos „Vergessene Blume" ertvähnen; das letztere Bild
ift das plaftischfte Blumenstück, das ich überhaupt gesehen habe.
Was das Genre bei den Jtalienern betrifft, ist wohl das beste
Gustavo Simonis „Kugelspieler in der Campagna", ein präch-
tiges Aquarell — wir möchten unsern vielgelobten Eugen von
Blaas bitten, sich das Bild doch recht oft anzusehen: es
läßt sich wirklich davon lernen. Belgien ift mittelmäßig ver-
treten. Bedeutender erscheint Holland. Da ist vor allem
Jsraels „Durch Feld und Au", ein bedeutendes Bild, das sich
wie alle Werke dieses großen Meifters ins Grau der Schwer-
mut hüllt, dann F. Mondriaans farbensatte „Holländische
Landschaft". Spanien, das Land der Koftümmalerei, hat
einige große Meister herübergesandt, und dasür gebührt ihm
Dank, wenn wir sie gleich heute nicht mehr so feierlich be-
^-
grüßen können, wie dies vor zehn Jahren geschehen würe.
Da ist Joss Villegas mit seinen Kolossalgemälden „Triumph der
Dogaressa Foscari" und „Tod des Meifters", über die man
allein einen ganzen Aufsatz schreiben könnte. Villegas erzählt
nicht einen Vorgang, sondern flicht mehrere zu einem Grund-
motiv zusammen. Benlliures „Kardinal im Chor" ist so groß
an Bedentung wie klein im Raum. Amerika zeigt sich bei
uns recht schlimm; eines oder das andere ist erträglich — be-
deutend ist nichts. Jmposant tritt Deutschland auf, das
so viel Gutes bringt, daß wir des karg bemessenen Raumes
halber in Verlegenheit kommen. Die beiden Achenbach sind
schön vertreten, wenn sie anch nichts Ungewöhnliches zeigen.
Dettmann, der manirirteste unter den Jmpressionisten, mutet
an wie ein Heine der Malerei. Schönleber hat ein virtuos
gemaltes Seebild „Hohe Flut", das mir lieber ist, als der
heurige Andreas Achenbach. Bildnisse geben Lenbach (Jgnaz
Brüll), F. A. v. Kaulbach und Paul Kißling. Walther Firle
hat ein Triptychon gesandt, das Poesie aus der Welt des
Elends schöpft, während G. Max in seiner „Vision" sein frü-
heres Beftes nicht voll erreicht, indeß sein Affenbild „Jenseits
von Gut und Böse" technisch wie der Jdee nach zu den
schärfften, sieghaftesten und bitterften Satiren gehört, die je
eines Meisters Pinsel geschassen hat. Nun zu Osterreich-
Ungarn. Unsere Künstler haben sich redlich Mühe gegeben.
Jhre solide, wenn auch ost hausbackene Kunst wirkt sogar bei
dem vielen Verschrobenen einigermaßen erquicklich. Julius
von Blaas hat ein Prozessionsbild hier, bei dem äber die
Pferde — wir gestehen ihm zu, daß er sie vortrefflich malt —
als die Hauptfiguren erscheinen; Robert Ruß malt eine „Gegend
bei Arco" frei nach Oswald Achenbach, Pochwalski, der Meister
unserer Portraitkunst, steht auf gewohnter Höhe, Angeli erscheint
uns diesmal merkwürdig aus sich herausgegangen, — vielleicht
dem hohen Stoff zu Liebe. Veiths Madonna gehört wohl zu
den besten Madonnenbildern der neueren Meister; Defregger,
der auch eine Madonna versucht hat, möge hier sehen, wie
man modern sein und doch die vollfte Harmonie mit dem
Stoffe finden kann. Olga Wiesinger-Florian giebt ein Blumen-
stück: „Blühende Wiese", das entzückend schön ist. Die saft-
grünen Blumenstengel, die zartduftigen Blümchen und die
flatternden Kohlweißlinge darüber möchte man mit den Fingern
greifen. Bedeutend in Stimmung und Empfindung ift ihr
eigenartiges Bild „Am Fronleichnamstage", in dem die
Künstlerin sich auch als seinsinnige Dichterin erweist. Sta-
chiewicz hat aus seinem großartigen Maria-Zyklus wieder
zwei grau in grau gemalte Ölbilder geschickt. — Ungarn
zwingt uns Achtung ab. Jch nenne Benczur mit seinen Por-
traits, Margitay mit Genrebildern aus der „besseren" Gesell-
schaft, feinkritisch beobachtet und elegant gemalt, und Otto
von Baditz mit seinem blaß gemalten Bild „Heckenrosen", das
so voll keusch-lieblicher Anmut ift, daß ich ihm einen Ehren-
platz gönnen muß. Munkäcsy hätten wir gerne bei etwas
Bedeutenderem begrüßt. — Jch will endlich konstatiren, daß es
mit der Plastik nicht sehr erfreulich aussieht. Tilgner hat
Julius Bauers Portrait gegeben, und darin ist er, wie hier
immer, Meifter — die Figuren zum Werndl-Denkmal mit
ihrem äußerlichen Realismus, der der inneren Poesie entbehrt,
gefallen mir desto weniger, wie sehr auch des Künstlers Freunde
von ihnen entzückt sind. Weyr müssen wir vermissen — sollte
er verftimmt sein? Benk liefert eine Schaumgeborene, die uns
noch mehr erfreuen würde, hätten wir von demselben Meister
nicht schon dasselbe Motiv gesehen und stellte die erfte
Schöpfung nicht die zweite in Schatten. Kauffungen hat für
einen Grabmal-Entwurf den „Reichel-Preis" erhalten; ich will
ihm durch kritische Bemerkungen die Freude daran nicht ver-
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