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sicherlich ein keckes koloristisches Talent besitzt, aber vorerst in
seinen Bildern noch eine Unruhe zeigt, die etwas Ganzes nicht
recht zustande kommen läßt. — Eine bei Gurlitt veranstaltete
Ausstellung von „Werken Karlsruher Künstler" ent-
täuschte mich insofern, als sie ziemlich wenig von dem gesunden
Naturgesühl und energischen Realismus zeigte, der sonst die
Karlsruher Schule so erfreulich kennzeichnet, und dasür öfters
eine schwankende Phantastik aufwies, die mir von recht un-
sicherem Können nnd Wollen getragen schien. Nur ein lebendiges
Bild von Kallmorgen und ein ebenso srisches Seestück von
Meister Schönleber vertraten die gute Tradition.
Weit über diesen Darbietungen stand die Ausstellung sast
sämtlicher Arbeiten von Max Klinger, die Amsler und
Ruthardt veranstaltet hatten. Eine ganze Welt von eigen-
artiger Schönheit, von unerschöpflichem Reichtum war da auf-
gebaut. Am meisten sällt, wenn man des Künstlers Schaffen
so im Ganzen überblickt, wohl die schier unendliche Bielseitig-
keit seiner Erfindungen und die Tiefe der Darstellung, die dem
ohnehin schon bedeutenden Momente immer noch ungeahnt viel
abgewinnt, ins Auge. Wenn besonders in älteren Werken Ler
Erzähler über den darstellenden Künstler öfters ein Über-
gewicht hatte, das den Arbeiten etwas beschwerlich Stoffliches,
manchmal beinahe Charadenartiges gab, so ist nicht allein in
den besten Werken früherer Jahre (z. B. Titelblatt „Vom
Tode", „Ein Schritt", „An die Schönheit" usw.), sondern nun
vor allem in der jüngsten Arbeit, den Radirungen zu Brahms-
schen Liedern, eine völlige Durchdringung von Stoff und Dar-
stellung, eine reine Form, eine abgeklärte Schönheit zur Geltung
gekommen, die diese Blätter zu wirklichen Meisterwerken stempelt.
Jm übrigen kann ich mich eiuer eingehenden Besprechung dieser
Ausstellung begeben, weil Klingers Schaffen im Kunstwart stets
sorgsam verfolgt worden ist und die gedachten Brahms-
Radirungen, sowie das plastische Werk „Salome" hier einer
aussührlichen Besprechung bereits früher unterzogen worden
sind. Jnbezug auf das letztere möchte ich nur sagen, daß ich
davon den Eindruck eines ganz meisterhaft ausgesührten künst-
lerischen Einfalls erhielt, aber nicht jene Überzeugung der Not-
wendigkeit empfing, die die Schöpfung als inneres Erlebnis
des Schaffenden wie des Empsangenden erscheinen lassen.
Das wichtigste und interessanteste Kunst-Ereignis aber,
von dem zu berichten ist, ist die neue, dritte Ausstellung jener
„XI", die die Ruser im Streite im Berliner Kunstleben sind.
Das bedeutsame Merkmal dieser (bei Schulte veranstalteten)
Ausstellung scheint mir ein ausgeprägter und entschiedener
Fortschritt in jener geistigen und technischen Überwindung
des Naturalismus, die ich bereits in meinen Berichten
über die 93 er Berliner Ausstellung als den Kern der
gegenwärtigen künstlerischen Entwickelung bezeichnete. Ganz
verändert hat sich das Aussehen eines Ausstellungssaales der
Modernen: helle, zarte, leuchtende statt grauer, derber, stumpser
Farben, phantastische statt naturalistischer Vorwürse, ungleich
größere Mannigfaltigkeit der Jndividualitäten. Selbst Skar-
bina, der mir seiner ganzen Persönlichkeit nach so recht als
der berufene Führer unserer naturalistischen Richtung erscheint,
zeigt deutlich Spuren neuer Einflüsse. Sehr glücklich äußern
sich diese Einslüsse in einigen seiner Werke insofern, als er
über eine gewisse Plumpheit der sarbigen Darstellung hinweg-
gekommen zu sein scheint; ich meine im Betonen der einzelnen
Farbenwerte, das es mir wenigstens manchmal sehr schwer
machte, zu einem einheitlichen Eindrucke zu gelangen. Seine
sranzösische Dorfstraße, seine Dame im Walde zeigt nach
meinem Gesühle eine erheblich gesteigerte Feinheit und Ein-
heitlichkeit der Farbengebung, die indeß nichts von ihrer
Energie und Frische eingebüßt hat. Zwei andere Arbeiten
-
hingegen — ein Studienkops, der außerdem noch in einer
Supraporte verwendet ist — weisen ein Bestreben auf, sich in
Stoff und Form der neuesten Phantasiemalerei zu nähern,
das mir zu der Persönlichkeit des Künstlers nicht passen will;
diese Bilder kommen mir ziemlich gemacht und nichtssagend
vor. Die enschiedensten Fortschritte unter allen Ausstellern
dürste Leistikow gemacht haben, der in einer Reihe von
landschastlichen Darstellungen eiue außerordentliche Weichheit
der Töne, eine eindringliche Feinheit der Stimmung, ein
sicheres Naturgefühl bekundet und wohl jetzt auf dem Höhe-
punkt seiner Lausbahn stehen dürste, die ihn zu einer immer
energischeren Verinnerlichung geführt hat. Ludwig von
Hosmann, noch vor Jahressrist verketzert und verhöhnt,
scheint in Mode kommen zu sollen, obwohl — oder eigentlich:
weil — seine neuesten Schöpsungen vielleicht nicht immer von
der Unmittelbarkeit und Eigenart sind, die die srüheren aus-
zeichnete. Er hat zahlreiche Arbeiten ausgestellt; viele von
ihnen aber sind so skizzenhaft gehalten, daß sie nur zur Ver-
vollständigung des Bildes ihres Schöpsers dienen, nicht aber als
abgerundete Kunstwerke beurteilt werden können. Eine Frucht-.
barkeit, häufig eine überraschende Schönheit seiner Phantasie
äußert sich da, die einen großen inneren Reichtum ver-
rät, aber auch deutlich die Gesahr zeigt, daß Hosmann
sich nicht die Muße gönnen könnte, seine Arbeiten völlig aus-
reifeu zu lasseu. Jch habe allerdiugs den Eindruck, daß seiue
Hauptwerke aus der Ausstellung seine Jndividualität etwas
abgeflacht erscheinen lassen, daß der Duft und die Zartheit
seiner Darstellungsart diesmal etwas beinahe Süßliches an-
genommen hat, das sie den Backfischen beiderlei Geschlechts
gefälliger macht. Keines dieser Werke vermag ich denen gleich-
zustellen, die ich neulich hier besprach. Dennoch zeigt sich vor
allem in dem schönen Hauptbilde (einer ungemein poetischen
Flußlandschast mit einigen jungen Mädchen) wieder ein Reiz
der Erfindung, eine Feinheit des Gesühls, eine Anmut der
Darstellung und vor allem ein so ausgesprochenes dekoratives
Talent, daß man nur mit höchstem Bedauern daran denken
kanu, daß eine solche Krast unbenutzt gelassen wird und dasür
die Hallen unserer öffentlichen Gebäude mit handwerksmäßigen
Darstellungen höchst interesseloser Vorgänge ausstaffirt werden.
Jch stelle Hosmann und seine Kunst gerade darum so hoch,
weil er bereits in einem unverkennbaren und gesunden Zu-
sammenhange mit unserem Leben selbst steht; er vertritt eine
im Werden begriffene schönheitsreiche, gehaltvolle dekorative
Malerei im großem Stile, die, dessen bin ich sicher, bei
öffentlichen und hoffentlich auch recht viel bei Privatgebäuden
sehr bald in Erscheinung treten dürfte. Selbst bei so vor-
trefflichen Arbeiten, wie denen Leistikows, vermag ich im
übrigen mir noch nicht recht vorzustellen, was wir eigentlich
mit ihnen ansangen sollen; denn die Fälle, in denen sich Bilder
dieses Schlags zur Ausschmückung eines Heims eignen werden,
werden doch wohl nur vereinzelt sein. Jch meine: die Ent-
wicklung, die die moderne Kunst bisher genommen hat, war
und ist zunächst hauptsächlich aus die Erwerbung eines
malerischen Stiles, auf die Befreiung von überlieferter alter
Manier und die Herstellung einer unmittelbaren Beziehung
zur Natur (im weitesten Sinne) gerichtet. Was weiter nun
abzuwarten und anzustreben bleibt, das scheint mir die enge
und innerliche Fühlung mit dem Geiste und Leben unseres
Volkes in der Weise zu sein, daß sich das Stoffgebiet, daß sich
die Ausgaben der bildenden Kunst mit innerer Notwendigkeit
aus den Bedürsnissen ergeben. Aber diese Bedürsnisse sind
erst selbst eben in allmählicher Bildung begriffen. Sie gehen
— wie immer — natürlich von den Bedürfnissen des Hauses
selbst, und somit von der Architektur und vom Kunstgewerbe
— -
sicherlich ein keckes koloristisches Talent besitzt, aber vorerst in
seinen Bildern noch eine Unruhe zeigt, die etwas Ganzes nicht
recht zustande kommen läßt. — Eine bei Gurlitt veranstaltete
Ausstellung von „Werken Karlsruher Künstler" ent-
täuschte mich insofern, als sie ziemlich wenig von dem gesunden
Naturgesühl und energischen Realismus zeigte, der sonst die
Karlsruher Schule so erfreulich kennzeichnet, und dasür öfters
eine schwankende Phantastik aufwies, die mir von recht un-
sicherem Können nnd Wollen getragen schien. Nur ein lebendiges
Bild von Kallmorgen und ein ebenso srisches Seestück von
Meister Schönleber vertraten die gute Tradition.
Weit über diesen Darbietungen stand die Ausstellung sast
sämtlicher Arbeiten von Max Klinger, die Amsler und
Ruthardt veranstaltet hatten. Eine ganze Welt von eigen-
artiger Schönheit, von unerschöpflichem Reichtum war da auf-
gebaut. Am meisten sällt, wenn man des Künstlers Schaffen
so im Ganzen überblickt, wohl die schier unendliche Bielseitig-
keit seiner Erfindungen und die Tiefe der Darstellung, die dem
ohnehin schon bedeutenden Momente immer noch ungeahnt viel
abgewinnt, ins Auge. Wenn besonders in älteren Werken Ler
Erzähler über den darstellenden Künstler öfters ein Über-
gewicht hatte, das den Arbeiten etwas beschwerlich Stoffliches,
manchmal beinahe Charadenartiges gab, so ist nicht allein in
den besten Werken früherer Jahre (z. B. Titelblatt „Vom
Tode", „Ein Schritt", „An die Schönheit" usw.), sondern nun
vor allem in der jüngsten Arbeit, den Radirungen zu Brahms-
schen Liedern, eine völlige Durchdringung von Stoff und Dar-
stellung, eine reine Form, eine abgeklärte Schönheit zur Geltung
gekommen, die diese Blätter zu wirklichen Meisterwerken stempelt.
Jm übrigen kann ich mich eiuer eingehenden Besprechung dieser
Ausstellung begeben, weil Klingers Schaffen im Kunstwart stets
sorgsam verfolgt worden ist und die gedachten Brahms-
Radirungen, sowie das plastische Werk „Salome" hier einer
aussührlichen Besprechung bereits früher unterzogen worden
sind. Jnbezug auf das letztere möchte ich nur sagen, daß ich
davon den Eindruck eines ganz meisterhaft ausgesührten künst-
lerischen Einfalls erhielt, aber nicht jene Überzeugung der Not-
wendigkeit empfing, die die Schöpfung als inneres Erlebnis
des Schaffenden wie des Empsangenden erscheinen lassen.
Das wichtigste und interessanteste Kunst-Ereignis aber,
von dem zu berichten ist, ist die neue, dritte Ausstellung jener
„XI", die die Ruser im Streite im Berliner Kunstleben sind.
Das bedeutsame Merkmal dieser (bei Schulte veranstalteten)
Ausstellung scheint mir ein ausgeprägter und entschiedener
Fortschritt in jener geistigen und technischen Überwindung
des Naturalismus, die ich bereits in meinen Berichten
über die 93 er Berliner Ausstellung als den Kern der
gegenwärtigen künstlerischen Entwickelung bezeichnete. Ganz
verändert hat sich das Aussehen eines Ausstellungssaales der
Modernen: helle, zarte, leuchtende statt grauer, derber, stumpser
Farben, phantastische statt naturalistischer Vorwürse, ungleich
größere Mannigfaltigkeit der Jndividualitäten. Selbst Skar-
bina, der mir seiner ganzen Persönlichkeit nach so recht als
der berufene Führer unserer naturalistischen Richtung erscheint,
zeigt deutlich Spuren neuer Einflüsse. Sehr glücklich äußern
sich diese Einslüsse in einigen seiner Werke insofern, als er
über eine gewisse Plumpheit der sarbigen Darstellung hinweg-
gekommen zu sein scheint; ich meine im Betonen der einzelnen
Farbenwerte, das es mir wenigstens manchmal sehr schwer
machte, zu einem einheitlichen Eindrucke zu gelangen. Seine
sranzösische Dorfstraße, seine Dame im Walde zeigt nach
meinem Gesühle eine erheblich gesteigerte Feinheit und Ein-
heitlichkeit der Farbengebung, die indeß nichts von ihrer
Energie und Frische eingebüßt hat. Zwei andere Arbeiten
-
hingegen — ein Studienkops, der außerdem noch in einer
Supraporte verwendet ist — weisen ein Bestreben auf, sich in
Stoff und Form der neuesten Phantasiemalerei zu nähern,
das mir zu der Persönlichkeit des Künstlers nicht passen will;
diese Bilder kommen mir ziemlich gemacht und nichtssagend
vor. Die enschiedensten Fortschritte unter allen Ausstellern
dürste Leistikow gemacht haben, der in einer Reihe von
landschastlichen Darstellungen eiue außerordentliche Weichheit
der Töne, eine eindringliche Feinheit der Stimmung, ein
sicheres Naturgefühl bekundet und wohl jetzt auf dem Höhe-
punkt seiner Lausbahn stehen dürste, die ihn zu einer immer
energischeren Verinnerlichung geführt hat. Ludwig von
Hosmann, noch vor Jahressrist verketzert und verhöhnt,
scheint in Mode kommen zu sollen, obwohl — oder eigentlich:
weil — seine neuesten Schöpsungen vielleicht nicht immer von
der Unmittelbarkeit und Eigenart sind, die die srüheren aus-
zeichnete. Er hat zahlreiche Arbeiten ausgestellt; viele von
ihnen aber sind so skizzenhaft gehalten, daß sie nur zur Ver-
vollständigung des Bildes ihres Schöpsers dienen, nicht aber als
abgerundete Kunstwerke beurteilt werden können. Eine Frucht-.
barkeit, häufig eine überraschende Schönheit seiner Phantasie
äußert sich da, die einen großen inneren Reichtum ver-
rät, aber auch deutlich die Gesahr zeigt, daß Hosmann
sich nicht die Muße gönnen könnte, seine Arbeiten völlig aus-
reifeu zu lasseu. Jch habe allerdiugs den Eindruck, daß seiue
Hauptwerke aus der Ausstellung seine Jndividualität etwas
abgeflacht erscheinen lassen, daß der Duft und die Zartheit
seiner Darstellungsart diesmal etwas beinahe Süßliches an-
genommen hat, das sie den Backfischen beiderlei Geschlechts
gefälliger macht. Keines dieser Werke vermag ich denen gleich-
zustellen, die ich neulich hier besprach. Dennoch zeigt sich vor
allem in dem schönen Hauptbilde (einer ungemein poetischen
Flußlandschast mit einigen jungen Mädchen) wieder ein Reiz
der Erfindung, eine Feinheit des Gesühls, eine Anmut der
Darstellung und vor allem ein so ausgesprochenes dekoratives
Talent, daß man nur mit höchstem Bedauern daran denken
kanu, daß eine solche Krast unbenutzt gelassen wird und dasür
die Hallen unserer öffentlichen Gebäude mit handwerksmäßigen
Darstellungen höchst interesseloser Vorgänge ausstaffirt werden.
Jch stelle Hosmann und seine Kunst gerade darum so hoch,
weil er bereits in einem unverkennbaren und gesunden Zu-
sammenhange mit unserem Leben selbst steht; er vertritt eine
im Werden begriffene schönheitsreiche, gehaltvolle dekorative
Malerei im großem Stile, die, dessen bin ich sicher, bei
öffentlichen und hoffentlich auch recht viel bei Privatgebäuden
sehr bald in Erscheinung treten dürfte. Selbst bei so vor-
trefflichen Arbeiten, wie denen Leistikows, vermag ich im
übrigen mir noch nicht recht vorzustellen, was wir eigentlich
mit ihnen ansangen sollen; denn die Fälle, in denen sich Bilder
dieses Schlags zur Ausschmückung eines Heims eignen werden,
werden doch wohl nur vereinzelt sein. Jch meine: die Ent-
wicklung, die die moderne Kunst bisher genommen hat, war
und ist zunächst hauptsächlich aus die Erwerbung eines
malerischen Stiles, auf die Befreiung von überlieferter alter
Manier und die Herstellung einer unmittelbaren Beziehung
zur Natur (im weitesten Sinne) gerichtet. Was weiter nun
abzuwarten und anzustreben bleibt, das scheint mir die enge
und innerliche Fühlung mit dem Geiste und Leben unseres
Volkes in der Weise zu sein, daß sich das Stoffgebiet, daß sich
die Ausgaben der bildenden Kunst mit innerer Notwendigkeit
aus den Bedürsnissen ergeben. Aber diese Bedürsnisse sind
erst selbst eben in allmählicher Bildung begriffen. Sie gehen
— wie immer — natürlich von den Bedürfnissen des Hauses
selbst, und somit von der Architektur und vom Kunstgewerbe
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