vo,i Schwarz und Grau sich wenig untcrscheidenden Farben ^
einher, und die Forin nimmt allenthalben die Röhre zum j
Muster. Etwa austauchenden natürlichen Bedürsnissen der
Eitelkeit hält der Zwang der Sitte die Wage. Derselbe
Modemensch, der stnndenlange Konferenzen mit seinem
Schneider abhälst würde nicht wagen, kräftige Farben zn
tragen, wenn sie ihm auch noch so vortresflich zu Gesicht
stünden, und wenn er Geschmack genug hätte, dies ein-
zusehen. Anch der Student, der früher freier seinen Nei-
gungen huldigte, ein genialisches Wesen zur Schau trng
und in Sammtpekesche und Kanonen ein originelles Bild
bot, geht jetzt geschniegelt und korrekt, wie es einem künf-
tigen Reserveleutnant geziemt. llnd selbst die jungen
Künstler und Akademiker verzichten mehr und mehr darauf,
die Haare auf die Schultern wallen zu lassen, die Kravatte
genial zu knüpfen nnd einen mächtigen Kalabreser auf den
Kopf zn stülpen, wie einst ihr seliger Kollege Rembrandt
gethan; —- sie sehen wirklich mehr und mehr aus wie
gebildete Menschen. Einen gewissen malerischen Anblick
bieten allenfalls noch die niederen Volkskreise, wenn sie zur
Arbeit gerüstet sind: der Handwerker im Alltagskittel, der
Jägerbursche, der bayrische Holzknecht in Joppe nnd Loden
hut. Aber einen Herrn in schwarzem Gehrock oder Frack in
Erz zu gießen und als Denkmal auszustellen, ist eine schwere
Aufgabe. Gewöhnlich wird dann ein Mantel kühn um
Schultern und Hüften geschlungen, ein Mantel von einer
Form und Drapirung, wie sie der Betressende sich wohl
gehütet haben würde, im Leben zur Schan zu tragen.
Der einzige Trost für ein sormen- und sarbendurstiges
Auge ist das weibliche — das „schöne" Geschlecht. Zwar
von der Form ist besser zu schweigen: die „Fatzon" der
Hüte und der Schnitt der Kleider ist — milde gesprochen
— unästhetisch. Aber die Farbigkeit ist zum Glück noch
nicht geächtet; ein leuchtendes Blau oder Rot ist noch
verwendbar. Die Frauen tragen noch unbefangen den
Kult einer blühenden Leiblichkeit zur Schau; körperliche
Eitelkeit wird zur liebenswürdigen Pflicht. Sie enthüllen.
prangende Nacken und Arme, umgeben ihre Glieder mit
Sammt, Seide, zarten Geweben uud Spitzeu, schmücken
sich mit Blumen, goldenem Geschmeide, bunten Bändern
oder Schleifen und stlechten sich glitzernde Edelsteine ins
Haar. Und prächtig lassen sie sich als Farbenflecke sowohl iu
landschaftlicher Umgebung wie im stilvollen Jnterieur ver-
wenden. Jch fürchte, hier würde die Emanzipation nicht viel
Gutes stiften. Die emanzipirte Frau trägt ernste dunkle Stoffe
und männlichen Schnitt — Alles praktisch und häßlich.
Jm engsten Zusammenhange mit der Farblosigkeit und
nüchternen Form steht die trostlose Einförmigkeit und
Gleichartigkeit der europäischen Modetracht. Sie ist eine
notwendige Begleiterscheinung der fortschreitenden Demokra-
tisirung der Gesellschaft. Uberall da, wo wir einen Reich-
tum an Trachten wahrnehmen, dienen sie auch als Ab-
zeichen des Ranges und Standes. Noch vor wenigen
Jahrhunderten kounte mau in Deutschland dem Maune
an der Kleidung ansehen, ob er ein Leineweber war oder
ein Kupserschmied, cin Ritter, Scharfrichter oder Bauers-
mann. Heute trägt — Feiertags wenigstens — Hoch
und Niedrig denselben Schnitt; der Herr ist vom Diener
am Kleide nicht zu unterscheiden, und der Scharfrichter
trägt einen Rock wie der Baron.
Freiheitliche Bewegungen im Völkerleben und das Ver-
drängen des militärischen Gesellschaftstypus durch den in-
dustriellen zerstört mit den Klassenabzeichen auch die Mau-
nigfaltigkeit der Gewandung. Jn despotisch regierten
Staaten, bei erstarrten Kulturen, kriegerischen und sklaven-
haltenden Völkern ist die Zahl der Trachten wie der
sonstigen Klasseuabzeichen am größten, und sie werden am
peinlichsten, oft mit grausamster Strenge, aufrecht erhalten.
Jn Chiua sollen sich allein die Mandarinen in mannig-
fachen Graden abstufen, die sich äußerlich durch verschieden
gcfärbte Knöpfe kennzeichnen. Jn Japan sind die Begleiter
des Mikado nach einer ganz besonderen Mode gekleidet,
und selbst zwischen ihnen bestehen in betresf ihrer Kleider
so großc Unterschiede, daß man mit Leichtigkeit ihren Hof-
rang erkennen kann. Dahingegen konnten sich schon im
alten Rom Klassenauszeichnungen nur ganz kurze Zeit
halten, sie drangen gar bald in weitere Kreise. Mommsen
schreibt, daß die purpurgesäumte Toga, ursprünglich ein
Zeichen des höchsten Ranges, schon zu Zeiten des zweiten
punischen Krieges sogar bis zu Söhnen der Freigelassenen
herabgedrungen war, während der goldene Amulettkasten,
anfangs die ehrende Auszeichnung für einen Triumphator,
zu derselben Zeit nur noch als Abzeichen der Senatoren-
kinder erwähnt wurde. Und Herbert Spencer schreibt in
der „Herrschast des Zeremoniells": „Jndem ich nur die
Thatsache erwähne, daß in früheren Jahrhunderten Seide
und Sammt allen unterhalb eines bestimmten Ranges
Stehenden verboten waren, daß die Länge der spitzigen
Schuhschnäbel unter Philipp August auf 6 Zoll, t2 Zoll
oder 2^ Zoll je nach der gesellschaftlichen Stellung be-
messen war, und daß selbst im t7. Jahrhundert noch die
Rangstufen am französischen Hose durch die verschiedene
Länge der Schleppen angedeutet wurden; mag es genügen
zur Erläuteruug der Gesühle und Vorgänge, welche Ver-
änderungen verursacheu und ihnen widerstreiten, die Klagen
der Sittenprediger im und zs. Jahrhundert anzu-
führen: durch die Üppigkeit in der Kleidung würden ja
alle Rangunterschiede verwischt, und endlich beizufügen, daß
noch im zs. Jahrhundert Frauen dutzendweise ins Ge-
fängnis gesteckt wurden, weil sie gleiche Kleider trugen,
wie ihre Vorgesetzten."
Jn Deutschland finden sich zur Zeit mehr Rückstände
von Klassenauszeichnungen als in Frankreich, England oder
den Vereinigten Staaten. Das Ordenswesen steht in voller
Blüte. Auch im außeramtlichen Verkehr gebrauchen wir
zahllose Titulationen, die Rang und Stand andeuten und
— 1SS —
einher, und die Forin nimmt allenthalben die Röhre zum j
Muster. Etwa austauchenden natürlichen Bedürsnissen der
Eitelkeit hält der Zwang der Sitte die Wage. Derselbe
Modemensch, der stnndenlange Konferenzen mit seinem
Schneider abhälst würde nicht wagen, kräftige Farben zn
tragen, wenn sie ihm auch noch so vortresflich zu Gesicht
stünden, und wenn er Geschmack genug hätte, dies ein-
zusehen. Anch der Student, der früher freier seinen Nei-
gungen huldigte, ein genialisches Wesen zur Schau trng
und in Sammtpekesche und Kanonen ein originelles Bild
bot, geht jetzt geschniegelt und korrekt, wie es einem künf-
tigen Reserveleutnant geziemt. llnd selbst die jungen
Künstler und Akademiker verzichten mehr und mehr darauf,
die Haare auf die Schultern wallen zu lassen, die Kravatte
genial zu knüpfen nnd einen mächtigen Kalabreser auf den
Kopf zn stülpen, wie einst ihr seliger Kollege Rembrandt
gethan; —- sie sehen wirklich mehr und mehr aus wie
gebildete Menschen. Einen gewissen malerischen Anblick
bieten allenfalls noch die niederen Volkskreise, wenn sie zur
Arbeit gerüstet sind: der Handwerker im Alltagskittel, der
Jägerbursche, der bayrische Holzknecht in Joppe nnd Loden
hut. Aber einen Herrn in schwarzem Gehrock oder Frack in
Erz zu gießen und als Denkmal auszustellen, ist eine schwere
Aufgabe. Gewöhnlich wird dann ein Mantel kühn um
Schultern und Hüften geschlungen, ein Mantel von einer
Form und Drapirung, wie sie der Betressende sich wohl
gehütet haben würde, im Leben zur Schan zu tragen.
Der einzige Trost für ein sormen- und sarbendurstiges
Auge ist das weibliche — das „schöne" Geschlecht. Zwar
von der Form ist besser zu schweigen: die „Fatzon" der
Hüte und der Schnitt der Kleider ist — milde gesprochen
— unästhetisch. Aber die Farbigkeit ist zum Glück noch
nicht geächtet; ein leuchtendes Blau oder Rot ist noch
verwendbar. Die Frauen tragen noch unbefangen den
Kult einer blühenden Leiblichkeit zur Schau; körperliche
Eitelkeit wird zur liebenswürdigen Pflicht. Sie enthüllen.
prangende Nacken und Arme, umgeben ihre Glieder mit
Sammt, Seide, zarten Geweben uud Spitzeu, schmücken
sich mit Blumen, goldenem Geschmeide, bunten Bändern
oder Schleifen und stlechten sich glitzernde Edelsteine ins
Haar. Und prächtig lassen sie sich als Farbenflecke sowohl iu
landschaftlicher Umgebung wie im stilvollen Jnterieur ver-
wenden. Jch fürchte, hier würde die Emanzipation nicht viel
Gutes stiften. Die emanzipirte Frau trägt ernste dunkle Stoffe
und männlichen Schnitt — Alles praktisch und häßlich.
Jm engsten Zusammenhange mit der Farblosigkeit und
nüchternen Form steht die trostlose Einförmigkeit und
Gleichartigkeit der europäischen Modetracht. Sie ist eine
notwendige Begleiterscheinung der fortschreitenden Demokra-
tisirung der Gesellschaft. Uberall da, wo wir einen Reich-
tum an Trachten wahrnehmen, dienen sie auch als Ab-
zeichen des Ranges und Standes. Noch vor wenigen
Jahrhunderten kounte mau in Deutschland dem Maune
an der Kleidung ansehen, ob er ein Leineweber war oder
ein Kupserschmied, cin Ritter, Scharfrichter oder Bauers-
mann. Heute trägt — Feiertags wenigstens — Hoch
und Niedrig denselben Schnitt; der Herr ist vom Diener
am Kleide nicht zu unterscheiden, und der Scharfrichter
trägt einen Rock wie der Baron.
Freiheitliche Bewegungen im Völkerleben und das Ver-
drängen des militärischen Gesellschaftstypus durch den in-
dustriellen zerstört mit den Klassenabzeichen auch die Mau-
nigfaltigkeit der Gewandung. Jn despotisch regierten
Staaten, bei erstarrten Kulturen, kriegerischen und sklaven-
haltenden Völkern ist die Zahl der Trachten wie der
sonstigen Klasseuabzeichen am größten, und sie werden am
peinlichsten, oft mit grausamster Strenge, aufrecht erhalten.
Jn Chiua sollen sich allein die Mandarinen in mannig-
fachen Graden abstufen, die sich äußerlich durch verschieden
gcfärbte Knöpfe kennzeichnen. Jn Japan sind die Begleiter
des Mikado nach einer ganz besonderen Mode gekleidet,
und selbst zwischen ihnen bestehen in betresf ihrer Kleider
so großc Unterschiede, daß man mit Leichtigkeit ihren Hof-
rang erkennen kann. Dahingegen konnten sich schon im
alten Rom Klassenauszeichnungen nur ganz kurze Zeit
halten, sie drangen gar bald in weitere Kreise. Mommsen
schreibt, daß die purpurgesäumte Toga, ursprünglich ein
Zeichen des höchsten Ranges, schon zu Zeiten des zweiten
punischen Krieges sogar bis zu Söhnen der Freigelassenen
herabgedrungen war, während der goldene Amulettkasten,
anfangs die ehrende Auszeichnung für einen Triumphator,
zu derselben Zeit nur noch als Abzeichen der Senatoren-
kinder erwähnt wurde. Und Herbert Spencer schreibt in
der „Herrschast des Zeremoniells": „Jndem ich nur die
Thatsache erwähne, daß in früheren Jahrhunderten Seide
und Sammt allen unterhalb eines bestimmten Ranges
Stehenden verboten waren, daß die Länge der spitzigen
Schuhschnäbel unter Philipp August auf 6 Zoll, t2 Zoll
oder 2^ Zoll je nach der gesellschaftlichen Stellung be-
messen war, und daß selbst im t7. Jahrhundert noch die
Rangstufen am französischen Hose durch die verschiedene
Länge der Schleppen angedeutet wurden; mag es genügen
zur Erläuteruug der Gesühle und Vorgänge, welche Ver-
änderungen verursacheu und ihnen widerstreiten, die Klagen
der Sittenprediger im und zs. Jahrhundert anzu-
führen: durch die Üppigkeit in der Kleidung würden ja
alle Rangunterschiede verwischt, und endlich beizufügen, daß
noch im zs. Jahrhundert Frauen dutzendweise ins Ge-
fängnis gesteckt wurden, weil sie gleiche Kleider trugen,
wie ihre Vorgesetzten."
Jn Deutschland finden sich zur Zeit mehr Rückstände
von Klassenauszeichnungen als in Frankreich, England oder
den Vereinigten Staaten. Das Ordenswesen steht in voller
Blüte. Auch im außeramtlichen Verkehr gebrauchen wir
zahllose Titulationen, die Rang und Stand andeuten und
— 1SS —