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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 7.1893-1894

DOI Heft:
Heft 14 (2. Aprilheft 1894)
DOI Artikel:
Was uns die Kunstgeschichte lehrt, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11728#0219

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Lwettes Aprtl-Dett l8S4.

14. Dett.

Lrscbetnt

am Anfang und in der Mitte

Derausgeber:

Ferdiiland Nvennrius.

Kesrellprets:
vierteljährlich 2 t/2 Mark.

7. Zsbrg.

Mas uns die Ikunstgescbtclite lekrt

ls auf unsern Ausstellungen — es liegt nun
etwa anderthalb Jahrzehnte zurück — die ersten
Bilder sener „neuen Kunst" auftauchten, die knhn
' mit verehrten Überlieferungen brach, da zeigte
sich in der Beurteilung durch die Beschauer eine merk-
würdige Erscheinung. Wahrend das große Publikum das
Neue einfach auslachte, verspottete oder sür „scheußlich" er-
klärte, während die zünftige Kritik dieses Urteil beinahe
einhellig mit ernstem oder satirischem Gesicht kommentirte,
während die Künstler bis aus eine noch verschwindend kleine
Gemeinde von Allerjüngsten und Sensationslustigen nur
eitel Stümperei, Blödsinn und Lästerung bei den Eindring-
lingen sahen und die würdigen Ästhetiker alter Schule be-
schwörend vor ihnen die Bücher erhoben, die heiligen, —zeigte
eine Anzahl von Kunsthistorikern von Ansang an einen
freieren Blick. Männer wie Springer, Janitschek, Seidlitz,
Woermann und eine ganze Reihe anderer, die verschieden
waren an wissenschastlicher Tüchtigkeit wie nach der Eigenart
ihres besonderen persönlichen Verhältnisses zur Kunst, aber
mit einander verwandt durch die gleiche Schulung an der
Kunstgeschichte, zögerten mit dem Anathema. Und es waren
ihrer verhältnismäßig viele; die Annahme also ließe sich
doch wohl nicht halten, daß gerade bei ihnen eine ganz
besondere Höhe und Kraft des Denkens, eine ganz besondere
Begeisternngssähigkeit, eine ganz besondere Jnnigkeit des
Empfindens sür ihr bald als richtig erwiesenes Verhalten
der Grund gewesen sei. Nein, wir dürfen ihn einfach
darin suchen, daß bei dieser Gruppe geistiger Arbeiter die
Lehren ihrer Berufswissenschaft, der Kunstgeschichte, lebendiger
waren, als bei den andern.

Karl Woer-mann, der Direktor der Dresdner

Galerie, hat stch ein großes Verdienst dadurch erworben,
daß er diese Lehren nun in klare Sätze gefaßt und einem
größeren Publikum vorgelegt hat. Sein Buch „Was uns
die Kunstgeschichte lehrt", „Bemerkungen über alte, neue
und neueste Malerei", die soeben bei Ehlermann in Dresden
herausgegeben sind, ist höchst geschickt dem Zwecke angepaßt,
dem es dienen soll. Es macht keineswegs Ansprüche daraus,
besonders geistvoll zu sein oder selber entdeckte Wahrheiten
zum ersten Male ans Licht zu heben, es redet auch nicht
in Zungen von prophetischen Ausblicken, es zeugt eher von
Zurückhaltung, als von Antrieb, wo etwa den Verfasser
seine persönliche Empsindung zu lautem Preisen oder zu
scharfer Abwehr sühren will. Soweit dies einem warmen
Menschen bei solchem Stofse möglich ist, spricht Woermann
als klar besonnener Prüfer, nicht als seuriger Liebhaber.
Und eben dadnrch wird er eine größere Anzahl von Lesern
von der Richtigkeit seiner Darstellungen und der Giltigkeit
seiner Schlüsse überzeugen.

Aber brauchen wir denn überhaupt für den Kunstgenuß
irgendwelches theoretische Beiwerk? Jch empfinde dieses als
schön, senes als häßlich — genügt uns nicht die schlichte
Aussage unseres Gesühls? Wollte Gott, daß der Kunst-
heuchelei zum Trutz der sröhliche Bekennermut dazu wieder
häusiger würde! Aber nur dazu müssen wir ihn wünschen,
nur zu dem Bekenntnis: ich sinde das schön, nicht zu
dem Urteil: das ist schön. Denn wer beides für das
nämliche hält, der verschließt einerseits sich selber gar leicht
die Möglichkeit, in dem zunächst Abgelehnten mit der Zeit
noch einen Wert zu entdecken, und anderseits betrachtet er
sein persönliches Empfinden mit Selbstherrlichkeit als Ossen-
barung und wird ungerecht gegen Andre. Und dann: so

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