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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 7.1893-1894

DOI Heft:
Heft 22 (2. Augustheft 1894)
DOI Artikel:
Schliepmann, Hans: Amerikanische Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.11728#0347

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Lxvettes Angust-Dekt 1S94.


22. Dett.

Lrscbeint

am Anfang und in der Mitte

Derausgeber:

Ferdtnand Nvenarius.

Kestellprets:
vierteljährlich 21/2 Mark.

NnlertkttNlscbe Arcbrtektur.

L^)s scheint sast, als ob den gesegneten Jsmen, an
denen Halbkünstler und Kunstschwesler so schöne
Pnrzelbäume zn schlagen wissen, ein ganz neuer
hinzugefügt werden solle: der Amerikanismus.
Es war sa auch die höchste Zeit, das große Faß wieder
aufzufüllen, aus dem den oberen Zehntausenden die
modernsten Stilerfindnngen verzapft werden! Die letzte
Nachhülfe, das Empire, ward bereits bis auf die Neige
verbraucht, und das war doch die letzte Rettnng gewesen.
Oder sollte man den matten Spiritus der ureigenen Phan-
tasie von neuem mit der zurückgestellten, aber immerhin
noch nicht ganz zu Essig gewordenen Antike verschneiden? -—
Wer weiß, ob die kundigen Verleger und Eselsbrückenbauer
nicht schon diesen alten Wein in neue Schläuche süllten?

Gottlob, da bauten die Pankees ihre weiße Stadt am
User des Michigan, eine glänzende Fata Morgana; und
die nach Anregungen schmachtenden Luzusbefriediger aktiver
und passiver Gattung wagten eine Seereise nnd die
Viertelung ihres Vermögens, um zu senen schimmernden
Palästen von berauschender Märchenpracht zu gelangen und
in die verkalkten Adern ihrer Zivilisation etwas jugend-
frisches Lebensblwi zu bringen.

Und sie kamen heim, zunächst freilich verschnupft ob
der stilechten Ausbeutelung, aber dann doch im Vollbe-
wußtsein, das nll riollt in echtester Kloßigkeit gurgeln zu
können und Dinge gesehen zu haben, die sehr, sehr weit
her sind. Solche Dinge brauchen wir guten Deutschen
aber ganz besonders. So gewann denn das Amerikanische
eine Bedeutung, die sicher täglich noch zunimmt. —

Gewiß, es gab drüben der Anregungen genug; die
Ausstellung war riesenhast; von Amerika i st mancherlei

zu lernen. Aber was will man nun bei uns davon

lernen?-Es ist bezeichnend, daß sich in Berlin als

erste Frucht des „Amerikanismus" einige „bnr-rooirm"
aufgethan haben, jene scheußlichsten Tränkanstalten ruhe-
nnd empsindungslosester Geldjäger. Und es ist bezeichnend
und lnstig zugleich, daß sür das Berliner Gewerbemuseum
eine Mustersammlung amerikanischer Knnstgewerbserzeugnisse
angekauft wurde, unter denen ein Berliner Fabrikant mit
Befriedigung —^ seine eigenen sür die Ausfuhr zurechtstiti-
sirten Arbeiten erkannte!

Daß Amerika auf dem Gebiete der Knnstindustrie so
gut wie nichts zu leisten vermag, war in Chieago klar
genug ersichtlich und läßt sich aus den dortigen Lohnver-
hältnissen leicht genug erklären. M'c Kinley wußte schon,
was er wollte! Und daß das Wenige, was nicht lediglich
von Händlern mit Auslandartikeln als amerikanisch aus-
gestellt war, von eingewanderten Arbeitern herrührte, ließ
sich auch nicht allzuschwer erkennen.

Zu lernen war fast nur in praktischer Beziehung
von den Amerikanern, überall da, wo sie eine Aufgabe
mit einfachen Mitteln zu lösen hatten, wo es galt, das
Nächstliegende mit sicherem Blick herauszugreifen, um ein
Bedürfnis zu befriedigen.

Auch aus diesem Gebiete, scheint's, werden wir nicht
lernen, sondern nur herübernehmen wollen. Das Ubel ist
eben längst so tief eingewurzelt, daß wir alles Kunsthand-
werk wie Papageien betreiben, eine Fülle von Floskeln
brauchen, um unserem lieben Brodherrn, dem Mammon,
Spaß zu machen, aber nur ja nicht denken, was wir reden!

So ist's denn auch gar nicht verwunderlich, wenn es
außerhalb enger Fachkreise gar nicht erkannt ist, daß das



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