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Münchner kunsttechnische Biätter.
Nr. 20.
2. Trennung der Bindemittel vom Farb-
körper und Mengenbestimmung derselben.
Da in den Bindemitteln der Oelmalerei fast
immer Bienenwachs vorhanden ist, so ist dieser
Trennung eine besondere Aufmerksamkeit zu-
zuwenden. Extraktion der Oelfarbe mit Aether
im Soxhlet-Apparat bei gewöhnlicher Temperatur,
wie das oft geschieht, genügt nicht zur voll-
ständigen Trennung des Bindemittels vom Farb-
stoff, da der Aether bei gewöhnlicher Temperatur
wohl sehr leicht die vorhandenen trocknenden
Oele, aber bloss ca. 30"^ des vorhandenen
Bienenwachses löst, so dass ca. 70"/o des letzteren
dann beim Farbkörper blieben. Es könnten hier-
durch grosse Fehler gemacht werden.
Um dies zu vermeiden, ist es unbedingt
nötig, in der Wärme mit Aether oder besser
mit Tetrachlorkohlenstoff, welcher das beste Lö-
sungsmittel für Wachs ist, zu behandeln, um alle
Bindemittel in Lösung zu bringen. Hierzu ge-
eignet sind die Extraktionsapparate nach A. Philips
oder A. Landsiedl. Am besten wird zur Extraktion
die ursprüngliche Oelfarbe genommen. Nach voll-
ständiger Extraktion hat man die vorhandenen
Bindemittel im Lösungsmittel gelöst, von dem
Farbkörper vollständig getrennt. Würde man mit
Aether bei gewöhnlicher Temperatur extrahieren,
so würde man nur ca. 30 der Bienenwachs-
bestandteile mit den Oelen in den Aether be-
kommen, während ca. 70^ an Bienenwachsbe-
standteilen bei den Farben blieben. Der Aether
löst die Bestandteile des Bienenwachses nicht in
demselben Verhältnisse, in welchem dieselben im
Bienenwachs vorhanden sind, auf; in den Aether
gehen hauptsächlich ein grösserer Teil der Cerotin-
säure, die Kohlenwasserstoffe, die Farbstoffe, sowie
geringere Anteile der Wachsester über. In Aether
bei gewöhnlicher Temperatur ungelöst bleiben
geringe Mengen Cerotinsäure und der grösste
Anteil der Wachsester. —
Hat man, wie angegeben, die Oelfarbe längere
Zeit in der Wärme mit Aether oder Tetrachlor-
kohlenstoff extrahiert, so hat man nun in der
Lösung alle Bindemittel, sowohl die flüchtigen als
die nichtflüchtigen; durch längeres Erwärmen
auf dem Wasserbad, verjagt man das Lösungs-
mittel sowie die flüchtigen Bestandteile und erhält
als Rückstand die nichtflüchtigen Bindemittel,
deren Gewicht festgestellt wird.
3. Untersuchung und Trennung der
Bestandteile des nichtflüchtigen Binde-
mittels bezw. Bindemittelgemisches, z. B.
Mohnöl, Wachs, Harz u. dgl.
Die Untersuchung erstreckt sich vorerst auf
die Feststellung der physikalischen Eigenschaften,
insbesondere Geruch, Konsistenz, Farbe, Verhalten
zu Lösungsmitteln. Eine kleine Menge desselben
wird auf Glasplatten dünn aufgestrichen und einige
Tage beobachtet und somit bestimmt, ob voll-
ständiges Trocknen an der Luft stattfindet, dann
die Trockendauer und das Verhalten des ge-
trockneten Bindemittels ermittelt, also zugesehen,
ob dasselbe durchsichtig oder undurchsichtig, hart
oder klebrig aufgetrocknet ist. Die Feststellung
der Natur eines Bindemittels ist unter Umständen
eine sehr einfache, oft aber eine äusserst schwierige
Sache, besonders wenn es sich um geringe Mengen
einzelner schwierig zu erkennender Bestandteile
handelt, ja bei Anwesenheit sehr geringer Mengen
einzelner Harze oder Wachsarten sogar manchmal
eine unlösbare Aufgabe.
Es werden sodann Reaktionen angestellt auf
die Natur des Oeles, ob Leinöl, Mohnöl, Nussöl
u. dgl. Sodann wird, um Einsicht in die Natur
des Bindemittels zu erhalten, die Verseifungszahl
ermittelt, d. h. mit einem bestimmten Teil desselben
festgestellt, wieviel Kaliumhydroxyd (= Kali-
hydrat) nötig ist, um die Glyceride (Fette oder
Oele), wachsartige Stoffe usw. zu zerlegen, d. i.
zu hydrolysieren oder zu verseifen.
Die Verseifungszahl (von Köttstorfer zuerst an-
gewandt, daher auch Köttstorfersche Zahl genannt) gibt
an, wieviel Milligramm Kalihydrat zur vollständigen Ver-
seifung, d. h. Zersetzung oder Spaltung, also zur Bindung
der freien und gebundenen Fettsäuren von 1 g einer
Wachsart oder eines Fettes erforderlich sind; da diese
Mengen Kali für die verschiedenen Fettkörper ver-
schieden sind, dienen dieselben als hervorragende
Merkmale bei der Unterscheidung und Bestimmung
dieser Substanzen. Während : g Leinöl 190—[95 mg
Kalihydrat hierbei verbraucht, bedarf : g Bienenwachs
nur 92—96 mg. (Näheres siehe „Analyse der Fett- und
Wachsarten von Benedikt-Ulzer.)
Aus den erhaltenen Zahlen und Daten kann unter
Umständen die ganze Zusammensetzung des Binde-
mittels erschlossen werden. Der Verseifungs-
rückstand wird zur Kontrolle der aus der Ver
seifung erschlossenen Daten, d. h. zur Erkennung
der einzelnen Bestandteile und deren Mengen-
verhältnisse weiter verarbeitet. Bei der Verseifung,
welche mit alkoholischer Kalilösung von bestimmtem
Gehalt (Titer) ausgeführt wird, erhält man zwei
Werte: die Säurezahl und die Aetherzahl (oder
Esterzahl)i), deren Summe dann die Verseifungs-
zahl bildet. Die Säurezahl gibt an, wieviel Milli-
gramm Kaliumhydroxyd von den in I g Binde-
mittel eventuell vorhandenen freien Fettsäuren
gebunden werden.
Die Esterzahl gibt die Menge Kalium-Hydroxyd
in Milligramm für I g Bindemittel an, welche
*) Unter Estern oder zusammengesetzten Aethern
versteht man hier Verbindungen von Fettsäuren mit
Glyzerin oder Fettalkohoien. Die meisten Fette und
Oele bestehen fast ausschliesslich aus einem Gemisch
der Glyzerinester der Palmitinsäure, Stearinsäure und
Oelsäure, bezw. bei den trocknenden Oelen: Linolsäure,
Linolensäure und Isolinolensäure also aus einer Ver-
bindung dieser Säuren mit Glyzerin. Die Wachsarten
sind Verbindungen von Fettsäuren mit Fettalkoholen,
z. B. das Bienenwachs hauptsächlich eine Verbindung
von Palmitinsäure mit Melissylalkohol, welche Verbin-
dung Palmitinsäure-Meüssylester genannt wird.
Münchner kunsttechnische Biätter.
Nr. 20.
2. Trennung der Bindemittel vom Farb-
körper und Mengenbestimmung derselben.
Da in den Bindemitteln der Oelmalerei fast
immer Bienenwachs vorhanden ist, so ist dieser
Trennung eine besondere Aufmerksamkeit zu-
zuwenden. Extraktion der Oelfarbe mit Aether
im Soxhlet-Apparat bei gewöhnlicher Temperatur,
wie das oft geschieht, genügt nicht zur voll-
ständigen Trennung des Bindemittels vom Farb-
stoff, da der Aether bei gewöhnlicher Temperatur
wohl sehr leicht die vorhandenen trocknenden
Oele, aber bloss ca. 30"^ des vorhandenen
Bienenwachses löst, so dass ca. 70"/o des letzteren
dann beim Farbkörper blieben. Es könnten hier-
durch grosse Fehler gemacht werden.
Um dies zu vermeiden, ist es unbedingt
nötig, in der Wärme mit Aether oder besser
mit Tetrachlorkohlenstoff, welcher das beste Lö-
sungsmittel für Wachs ist, zu behandeln, um alle
Bindemittel in Lösung zu bringen. Hierzu ge-
eignet sind die Extraktionsapparate nach A. Philips
oder A. Landsiedl. Am besten wird zur Extraktion
die ursprüngliche Oelfarbe genommen. Nach voll-
ständiger Extraktion hat man die vorhandenen
Bindemittel im Lösungsmittel gelöst, von dem
Farbkörper vollständig getrennt. Würde man mit
Aether bei gewöhnlicher Temperatur extrahieren,
so würde man nur ca. 30 der Bienenwachs-
bestandteile mit den Oelen in den Aether be-
kommen, während ca. 70^ an Bienenwachsbe-
standteilen bei den Farben blieben. Der Aether
löst die Bestandteile des Bienenwachses nicht in
demselben Verhältnisse, in welchem dieselben im
Bienenwachs vorhanden sind, auf; in den Aether
gehen hauptsächlich ein grösserer Teil der Cerotin-
säure, die Kohlenwasserstoffe, die Farbstoffe, sowie
geringere Anteile der Wachsester über. In Aether
bei gewöhnlicher Temperatur ungelöst bleiben
geringe Mengen Cerotinsäure und der grösste
Anteil der Wachsester. —
Hat man, wie angegeben, die Oelfarbe längere
Zeit in der Wärme mit Aether oder Tetrachlor-
kohlenstoff extrahiert, so hat man nun in der
Lösung alle Bindemittel, sowohl die flüchtigen als
die nichtflüchtigen; durch längeres Erwärmen
auf dem Wasserbad, verjagt man das Lösungs-
mittel sowie die flüchtigen Bestandteile und erhält
als Rückstand die nichtflüchtigen Bindemittel,
deren Gewicht festgestellt wird.
3. Untersuchung und Trennung der
Bestandteile des nichtflüchtigen Binde-
mittels bezw. Bindemittelgemisches, z. B.
Mohnöl, Wachs, Harz u. dgl.
Die Untersuchung erstreckt sich vorerst auf
die Feststellung der physikalischen Eigenschaften,
insbesondere Geruch, Konsistenz, Farbe, Verhalten
zu Lösungsmitteln. Eine kleine Menge desselben
wird auf Glasplatten dünn aufgestrichen und einige
Tage beobachtet und somit bestimmt, ob voll-
ständiges Trocknen an der Luft stattfindet, dann
die Trockendauer und das Verhalten des ge-
trockneten Bindemittels ermittelt, also zugesehen,
ob dasselbe durchsichtig oder undurchsichtig, hart
oder klebrig aufgetrocknet ist. Die Feststellung
der Natur eines Bindemittels ist unter Umständen
eine sehr einfache, oft aber eine äusserst schwierige
Sache, besonders wenn es sich um geringe Mengen
einzelner schwierig zu erkennender Bestandteile
handelt, ja bei Anwesenheit sehr geringer Mengen
einzelner Harze oder Wachsarten sogar manchmal
eine unlösbare Aufgabe.
Es werden sodann Reaktionen angestellt auf
die Natur des Oeles, ob Leinöl, Mohnöl, Nussöl
u. dgl. Sodann wird, um Einsicht in die Natur
des Bindemittels zu erhalten, die Verseifungszahl
ermittelt, d. h. mit einem bestimmten Teil desselben
festgestellt, wieviel Kaliumhydroxyd (= Kali-
hydrat) nötig ist, um die Glyceride (Fette oder
Oele), wachsartige Stoffe usw. zu zerlegen, d. i.
zu hydrolysieren oder zu verseifen.
Die Verseifungszahl (von Köttstorfer zuerst an-
gewandt, daher auch Köttstorfersche Zahl genannt) gibt
an, wieviel Milligramm Kalihydrat zur vollständigen Ver-
seifung, d. h. Zersetzung oder Spaltung, also zur Bindung
der freien und gebundenen Fettsäuren von 1 g einer
Wachsart oder eines Fettes erforderlich sind; da diese
Mengen Kali für die verschiedenen Fettkörper ver-
schieden sind, dienen dieselben als hervorragende
Merkmale bei der Unterscheidung und Bestimmung
dieser Substanzen. Während : g Leinöl 190—[95 mg
Kalihydrat hierbei verbraucht, bedarf : g Bienenwachs
nur 92—96 mg. (Näheres siehe „Analyse der Fett- und
Wachsarten von Benedikt-Ulzer.)
Aus den erhaltenen Zahlen und Daten kann unter
Umständen die ganze Zusammensetzung des Binde-
mittels erschlossen werden. Der Verseifungs-
rückstand wird zur Kontrolle der aus der Ver
seifung erschlossenen Daten, d. h. zur Erkennung
der einzelnen Bestandteile und deren Mengen-
verhältnisse weiter verarbeitet. Bei der Verseifung,
welche mit alkoholischer Kalilösung von bestimmtem
Gehalt (Titer) ausgeführt wird, erhält man zwei
Werte: die Säurezahl und die Aetherzahl (oder
Esterzahl)i), deren Summe dann die Verseifungs-
zahl bildet. Die Säurezahl gibt an, wieviel Milli-
gramm Kaliumhydroxyd von den in I g Binde-
mittel eventuell vorhandenen freien Fettsäuren
gebunden werden.
Die Esterzahl gibt die Menge Kalium-Hydroxyd
in Milligramm für I g Bindemittel an, welche
*) Unter Estern oder zusammengesetzten Aethern
versteht man hier Verbindungen von Fettsäuren mit
Glyzerin oder Fettalkohoien. Die meisten Fette und
Oele bestehen fast ausschliesslich aus einem Gemisch
der Glyzerinester der Palmitinsäure, Stearinsäure und
Oelsäure, bezw. bei den trocknenden Oelen: Linolsäure,
Linolensäure und Isolinolensäure also aus einer Ver-
bindung dieser Säuren mit Glyzerin. Die Wachsarten
sind Verbindungen von Fettsäuren mit Fettalkoholen,
z. B. das Bienenwachs hauptsächlich eine Verbindung
von Palmitinsäure mit Melissylalkohol, welche Verbin-
dung Palmitinsäure-Meüssylester genannt wird.