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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 2.1928

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Behne, Adolf: Luxus oder Komfort?
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https://doi.org/10.11588/diglit.17441#0013

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Siedlungshaus Ginnheim (Höhenblick) Schlafs
Zimmer. Möbel: FERDINAND KRAMER
Phot. G. Leiftikow

Wohnzimmer desfelben Siedlungshaufes
FERDINAND KRAMER

Komfort find zwei ganz verfchiedene Dinge. Bei grofjem Luxus kann doch
der Komfort primitiv fein. Luxus ift Verfchwendung. Komfort aber ift nicht ohne
Ökonomie. Mein Sarj: „Lieber wollten wir Tagelöhner in Leuna fein, als Herr
in den adligen Kerkern San Gimignanos". („Neues Wohnen - Neues Bauen",
Leipzig, Heffe & Becker) dürfte kaum eine Übertreibung enthalten.
Das entfcheidende Problem wäre wohl in einer modernen Gefchichte des
Bauens das interne Verkehrsproblem; in welchem Grade ift die Folge der
Räume eine der Nutjung klar und logifch entfprechende?
Man wird bei einer fyftematifchen Arbeit in diefem Sinne bemerken, dafj
fich eine Gefchichte ergibt, deren Abfchnitte, entfprechend den Etappen, die
gleichzeitig die Gefellfchaft in Richtung ihrer zunehmenden Rationalifierung
durchmacht, ein tiefere, beffere, weil fachliche Fundierung der „Stile" ergeben.
Das Bauproblem in unferem Sinne ift ein gefellfchaflliches Problem; es er-
fordert eine Arbeit durch Jahrhunderte, bis aus dem Nebeneinander, dem
Nacheinander von Räumen eine organifche Folge, eine Gefellfchaft von
Räumen wird. Und erft von diefem Augenblick an können wir von einem
„Wohnen" fprechen.

Wohnen ift ein eminent friedlicher Begriff. Kein Wunder, dar} die Hemmun-
gen, die der Durchbruch wahrer Wohnkultur zu überwinden hatte, zum großen
Teil aus einem kriegerifchen Unterbewufjtfein kommen .... worüber ich im
eben genannten Buch gefchrieben habe. (Cäfar fagt von den Germanen,
worauf E h m i g aufmerkfam macht, dafj fie ein jährliches Wandern der Stämme
für notwendig hielten, „damit durch Vorliebe für bleibende Wohnftätten der
Hang zum Krieg nicht in die Luft zum Feldbau ausarte").
Von einem Wohnen können wir erft dort fprechen, wo das Haus nicht mehr
als ein Monument aufgefaßt wird, das einem Formen-Kanon unterworfen ift,
einem wahren Fetifchismus der Form, fondern als ein Inftrument, das fich dem
Lebenswillen, der Lebensführung des Menfchen auf das gefchmeidigfte
anpaßt.

Von einer folchen Auffaffung waren die Vorfahren himmelweit entfernt. Denken
wir nur an Leon Battifta Alberti, der die Treppen verwünfcht, weil fie in einer
edlen Architektur nur ftörten, und der genaue Fenftermafje berechnet ....
nicht freilich nach Lage, Beftimmung, Nurjung des Raumes, fondern ausfchlierj-
lich formal im Sinne der Proportion. — Das Wohnhaus als Inftrument, das ift
wirklich ein Neues, und fo dürfen wir fagen: auch Wohnen, bewufjtes, natür-
liches, von Hemmungen freies Wohnen ift an fich ein Neues.

Die Schriftleitung weift auch ihrerfeits mit allem Nachdruck auf das kürzlich erfchienene, kluge
und amüfante Buch von Adolf Behne „Neues Wohnen — Neues Bauen" hin

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