INDIVIDUELLE ODER TYPISIERTE MÖBEL!
Von Architekt Dipl. ing. Ferdinand Kramer, Frankfurt a. M.
Die Anfprüche, die wir heute an unfere Wohnungen und ihre Einrichtungen
(teilen, haben fich grundlegend geändert, weil die allgemeine Entwicklung
der Wirtfchaft und der Technik anders geworden ift. Während zur Zeit der
Nafuralwirtfchaft, die in agrarifchen Ländern noch kaum beendigt ift, die Pro-
duktion der Lebensmittel und der Bekleidung von der Hausfrau und dem
Gefinde im Haufe felbft erledigt wurde, herrfcht heute ausfchliefjlich der
Konfum von Fertigwaren vor. Die Produktion ift in Fabriken und ganzen In-
duftrien konzentriert. DieVerteilung an den einzelnen Konfumenten befchäftigt
viele Handelszweige. Das Warenhaus ift der moderne Typ des Grofjdetail-
gefchäftes. Die Markenware ift der moderne Gebrauchsartikel. Diefe Ent-
wicklung hatte felbftredend für das gefamfe Leben der modernen Menfchen
eine tiefeinfchneidende Bedeutung, befondersda auch noch die Seßhaftigkeit
immer mehr verloren ging. Der Akzent des Wohnens verfchob fich von den
Wirtfchaftsräumen nach den eigentlichen Wohnräumen. Die Küche und ihre
Nebenräume wurden ein Appendix an die Schlaf-, Efj- und Wohnräume.
Die Frage „Einzelwirtfchaft" oder „Gemeinwirtfchaft" ift akut geworden.
Es liegt auf der Hand, dafj damit auch die Grundrifjgeftaltung andern Be-
dingungen unterliegt. Die Entwicklung, die hier etwa bei dem Typ der Grofj-
ftadtwohnung angelangt war (Gründerzeit), ging aber folgerichtig weiter.
Die Frau wurde in das Arbeifsleben des Zivilifationszeitalters mit einbezogen.
Sie fteht nur noch mit einem Bruchteil ihrer Kräfte dem Haushalt zur Verfü-
gung. Diefelbe wirtfchaftliche Not, die fie aus dem Haushalte herausriß, ver-
fagfe dem Arbeiter und dem Kleinbürgerftand den Luxus der fog. guten Stube.
Die Wirtfchaftlichkeif, die Zweckdienlichkeit, die zeit- und arbeitfparenden
Methoden beftimmen die Ausgeftaltung der Wohnungen. Ihre Anwendung
bringt die Zentralheizung, Gas und Elektrizität in den Haushalt. Die Technik
hat die Möglichkeit zur Entlaftung der Hausfrau gegeben, und fie mußte aus
der wirtfchaftlichen Situation heraus auch entlaftet werden. Das Problem betriff!
aber die hauswirtfchaftlichen Hilfsmittel ebenfo wie die eigentlichen Gegen-
ftände unfres Wohnens: die Möbel. Sie dürfen nur noch billig fein. Sie müffen
in ihrer Form und ihrem Zweck fich den an Raumzahl und Grundrißfläche
reduzierten Wohnungen anpaffen. Ihre Inftandhalfung darf keine unnötige
Zeit in Anfpruch nehmen. Der Typenwohnung entfprechen Typenmöbel aus
rationalen und äftethifchen Gründen.
Die Entwicklung der Typenwohnung, die zweckmäßigerweife wiederum in
großen Siedlungskomplexen entfteht, weil nur fo grundlegende Verein-
fachungen und Verbilligungen wirtfchaftlicher Art möglich werden, fchafff aber
erft die Bafis für eine ausgedehnte Nachfrage nach Typenmöbeln, die ihre
Produktion rentabel erfcheinen läßt. Die ökonomifchen und technifchen Vor-
FERDINAND KRAMER
Typenmöbel
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Von Architekt Dipl. ing. Ferdinand Kramer, Frankfurt a. M.
Die Anfprüche, die wir heute an unfere Wohnungen und ihre Einrichtungen
(teilen, haben fich grundlegend geändert, weil die allgemeine Entwicklung
der Wirtfchaft und der Technik anders geworden ift. Während zur Zeit der
Nafuralwirtfchaft, die in agrarifchen Ländern noch kaum beendigt ift, die Pro-
duktion der Lebensmittel und der Bekleidung von der Hausfrau und dem
Gefinde im Haufe felbft erledigt wurde, herrfcht heute ausfchliefjlich der
Konfum von Fertigwaren vor. Die Produktion ift in Fabriken und ganzen In-
duftrien konzentriert. DieVerteilung an den einzelnen Konfumenten befchäftigt
viele Handelszweige. Das Warenhaus ift der moderne Typ des Grofjdetail-
gefchäftes. Die Markenware ift der moderne Gebrauchsartikel. Diefe Ent-
wicklung hatte felbftredend für das gefamfe Leben der modernen Menfchen
eine tiefeinfchneidende Bedeutung, befondersda auch noch die Seßhaftigkeit
immer mehr verloren ging. Der Akzent des Wohnens verfchob fich von den
Wirtfchaftsräumen nach den eigentlichen Wohnräumen. Die Küche und ihre
Nebenräume wurden ein Appendix an die Schlaf-, Efj- und Wohnräume.
Die Frage „Einzelwirtfchaft" oder „Gemeinwirtfchaft" ift akut geworden.
Es liegt auf der Hand, dafj damit auch die Grundrifjgeftaltung andern Be-
dingungen unterliegt. Die Entwicklung, die hier etwa bei dem Typ der Grofj-
ftadtwohnung angelangt war (Gründerzeit), ging aber folgerichtig weiter.
Die Frau wurde in das Arbeifsleben des Zivilifationszeitalters mit einbezogen.
Sie fteht nur noch mit einem Bruchteil ihrer Kräfte dem Haushalt zur Verfü-
gung. Diefelbe wirtfchaftliche Not, die fie aus dem Haushalte herausriß, ver-
fagfe dem Arbeiter und dem Kleinbürgerftand den Luxus der fog. guten Stube.
Die Wirtfchaftlichkeif, die Zweckdienlichkeit, die zeit- und arbeitfparenden
Methoden beftimmen die Ausgeftaltung der Wohnungen. Ihre Anwendung
bringt die Zentralheizung, Gas und Elektrizität in den Haushalt. Die Technik
hat die Möglichkeit zur Entlaftung der Hausfrau gegeben, und fie mußte aus
der wirtfchaftlichen Situation heraus auch entlaftet werden. Das Problem betriff!
aber die hauswirtfchaftlichen Hilfsmittel ebenfo wie die eigentlichen Gegen-
ftände unfres Wohnens: die Möbel. Sie dürfen nur noch billig fein. Sie müffen
in ihrer Form und ihrem Zweck fich den an Raumzahl und Grundrißfläche
reduzierten Wohnungen anpaffen. Ihre Inftandhalfung darf keine unnötige
Zeit in Anfpruch nehmen. Der Typenwohnung entfprechen Typenmöbel aus
rationalen und äftethifchen Gründen.
Die Entwicklung der Typenwohnung, die zweckmäßigerweife wiederum in
großen Siedlungskomplexen entfteht, weil nur fo grundlegende Verein-
fachungen und Verbilligungen wirtfchaftlicher Art möglich werden, fchafff aber
erft die Bafis für eine ausgedehnte Nachfrage nach Typenmöbeln, die ihre
Produktion rentabel erfcheinen läßt. Die ökonomifchen und technifchen Vor-
FERDINAND KRAMER
Typenmöbel
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