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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 2.1928

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Schlemmer, Oskar: Piscator und das moderne Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.17441#0043

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zu verlegen, oder fie treibt Piscator notwendigerweife zum Bau des neuen
Bühnenhaufes. Wird erft das Projekt von Gropius, das Totaltheater, Wirklich-
keit geworden fein; wird aus den Forderungen des Regiffeurs, der das ganze
Regifter unerfüllter Wünfche zieht, aus den Aktualitäten des modernen Archi-
tekten, der mit folchem Theaterbau einen gewagten Schritt in Neuland tut, da
es fich dabei um dieAnwendung unerprobter, weil erftmaligerKonftruktionen
handelt, das baukünftlerifche Phänomen entftanden fein, fo ift ficher, daß der
theatralifche Stil der nächften zehn Jahre von hieraus wefentliche Beftimmung
erfährt. Größtmögliche Veränderlichkeit des Schauplaßes, fowohl Arena als
Guckkaften, fowohl Tiefenbühne als Etagenbühne; gleich Landzungen in
den Zufchauerraum vorgefchobene Proscenien; Einkreifung des Zufchauer-
raums durch eine ringförmige Autoftraße für Bühnenwagen; allfeitige Ver-
wendungsmöglichkeit des Films, der Projektion, der Transparenz — das find
die Forderungen der modernen Bühne, aber auch ihre Problematik. Wir
wiffen nicht, inwieweit der ftatifch-geruhfame Zuftand des Zufchauers geftört
werden darf, ohne fein Aufnahmevermögen empfindlich zu beeinträchtigen;
wir wiffen nicht, inwieweit eine Häufung materieller Effekte dem Geiftigen
noch Raum läßt; wir wiffen nicht, welche Ueberrafchungen die noch uner- totaltheater (d. r. p.) Entwurf Walter
forfchte Akuftik in einem Bau aus Eifen, Beton, Glas mit fich bringt. Doch gropius,grundriss. Vereinigung einer Are»

». i i. i- i r fi i ii Drix- r>* j ' 'r ■ I na=Bühne, einer Proszeniumsbühne und einer

lind die rorderungen lo Itark und der neuen rerlpektiven lind es lo viele, dreiteiligen Tiefenbühne. Keine Logen, am»
daß zu hoffen ift, daß zunächft einmal an einer Stelle in Deutfchland das kühne gS^S? dJr*Ä lörde?e°° KS
Experiment gemacht wird. fcne;be "m 1.8° Gradf*'|*di« Klein.f,P'oscenU

r 3 umifpielfcheibe zentrifch in die Mitte des Zu»

Faft möchte man fagen: fchade! daß in folchem Theater nur das „politifch fchauerraumes, gilt hier als Szene, die rings

• . I ... | . ,,, , ■ r ii pt i t" i i-i-r i von Sifjreihen umgeben ift. In diefer Stellung

Lied ein garltig Lied gelungen werden tolle. Denn lo wenig tur das pohtilche wird die Szenerie durch Filmprojektionen er»

Theater ein Forum exiftiert, fo wenig exiftiert es für alle die Begebungen, die Äf?HaüpÄ

jenfeits des Politifchen, fich um die Geftaltunqsmöglichkeiten des modernen mfpannenden Projektlonsflädiertgleichzeitig

' , . projizieren

Theaters überhaupt bemühen. Streng genommen wäre das politifche Theater,
je mehr es Propagandabühne, je mehr es Parteiverfammlung ift, auf dem
nackten Brettergerüft abzuhandeln, in Parallele zu der religöfen Reformation,
die den fchmucklofen Betfaal der Proteftanten dem pompöfen Aufmarfch der
vereinigten Künfte in der katholifchen Kirche gegenüberftellte. Junge Ideen
und ftarke, wenn fie in die Welt treten, äußern fich einfach, klar, in fchlichter
Simplizität. Im politifchen Theater Piscators ift es fo: eine Idee ift gegeben,
und als Mittel zum Zweck, fie zu demonffrieren, werden alle Errungenfchaften
moderner Kunft und Technik mobil gemacht und zwar in folchem Maß und
mit folcher Eindruckskraft, daß — o Paradox! - der Zweck, die Idee, faft
darüber vergeffen wird. Diefe Macht des Optifchen und Bühnentechnifchen
weift die Richtung für das moderne Theater überhaupt, von dem das fpeziell
Politifche nur ein Teil, ein Ausfchnitt des Gefamfgebietes Bühne ift.
Ift das Philofophifche, das Metaphyfifche, das Religiöfe, die ganze Scala vom
Komifchen bis zum Pathetifchen heute nicht gleichfalls voll Aktualität und A""™A£S£^

. fr. architekt walter gropius. Treppenhäufer

Erneuerungsmöglichkeit? Wieviel Bühnenmittel liegen noch ungenutzt, nicht hinter Glaswandungen

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