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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 2.1928

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Heft 9 (September 1928)
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Le Corbusier: Schöpferischer Städtebau: Gedanken zum neuen französischen Wohnungsbaugesetz Programm Loucheur
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https://doi.org/10.11588/diglit.17441#0236

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SCHUMACHER, Haus der Arbeiterpreffe, Gar
tenfront

kann nicht induftrialifieren, wenn die Baupläne ganz unregelmäßig find. Durch
Gefeß muß die Neuaufteilung des Bodens durchgeführt werden. Sie allein
ermöglicht die Anlage der großen Durchbrüche, die für den Verkehr nötig
find. 260000 neue Wohnungen müffen an die Organismen der Städte an-
geschloffen werden. Dafür find neue Strafen nötig, nicht wahr? Jeder wird
zuftimmen. Aber was für Strafjen ? Von welcher Art? Von welcher Breite? Wird
man weiterhin die Kanalifation in tonigen Boden verlegen? Soll der Fuß-
gänger auch in Zukunft feines Lebens nicht ficher fein? Soll das Auto auch in
Zukunft verhindert werden, fchnell zu fahren? Auch da find beftimmte Unter-
fuchungen, Entfchlüffe, Verordnungen nötig.

Die Straßen und Verkehrsftröme, die der Nerv des modernen Lebens find,
wohin führen fie eigentlich? Welches ift denn die geheimnisvolle Macht, die
fie aus dem Zentrum ins Land hinaus und auseinandertreibt? Jeßt muß fich
der Blick auf das ganze Land richten. Alles hängt zufammen, das eine be-
dingt das andere. Man muß ausgehen von den Meerhäfen, die Regionen
abgrenzen, durch ein zufammenhängendes Syftem das in einer Abgelegen-
heit vereinfamte Land erfchließen, fo an die Bannmeile der großen Städte
gelangen und auf diefem Wege das Stadtzentrum treffen. Alles hängt zufam-
men ! Was aber die gefunde Wohnung betrifft, fo müffen wir an die Bewoh-
ner denken und uns fragen : „Was tun die eigentlich nach der Arbeit ?" Noch
mehr: „Was find fie nach der Arbeit" Nach einem heutigen Arbeitstag find
fie in den Nerven erfchöpft, das haben die Ärzte eingefehen. Und wenn nichts
dazu getan wird, fo können fie ihre Nervenkräfte nicht wiedergewinnen und
erfchlaffen völlig. Der Biologe erklärt: Nach drei Generationen Leben in der
Großftadt ift der Menfch fteril geworden. Er hat keine Kinder mehr! Die ein-
zige Rettung ift der Sport.

Der Sport? Aber wo? In den hübfeh zurechtgemachten Gemeinfchaftsfaal des
neuen Quartiers? Im Stadion oder draußen vor der Stadt, am anderen Ende
der Welt, an Orten, die nur den hundertften Teil der Bevölkerung auf-
nehmen können ? Nein. Sondern gleich beim Haufe felbft. Aber das be-
deutet doch einen phanfaftifchen Terrainverluff! Durchaus nicht; nur müffen
die neuen Straßen und die Gartenftädte dazu ganz anders gelegt werden.
Man muß den Sport beim Hause selbft treiben können.

Und wenn der Hausbau induftrialifiert wird, dann werden neue Methoden
die alten erfeßen. Neue Berufsgruppen werden an Stelle der alten treten.
Ganze Berufsgruppen müffen verfchwi nden. Welcher Lärm wird
in den Handelskammern Josbrechen, welche aufgeregten Delegationen wer-
den zu Ihnen kommen, Herr Minifter!

+ + +

Wie fehr hat uns doch Herr Loucheur beruhigt, als er erklärte: „Wir werden
früheftens in einem Jahr anfangen können."

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