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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 2.1928

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Amar, Licco: Neue Wege des Musikunterrichts
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https://doi.org/10.11588/diglit.17441#0302

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werden kann? Die Antwort darauf ift verhältnismäßig einfach. Da das Wefen
der Mufik im Spiel und Widerfpiel mehrerer, harmonifch gebundener oder
polyphon gearteter Stimmen zu erblicken ift (wirkliche Einftimmigkeit kommt
nur als Vorffufe in Frage), fo ift das geeignete Objekt für einen folchen
Lehrgang alles, was unter den weifeften Begriff der Kammermufik fällt, ihre
hiftorifchen Vorläufer mitinbegriffen. Es dürfte nicht fchwer fein, aus diefem
ungeheuren Material einen fich ftufenmäßig aufbauenden Lehrgang zu ent-
wickeln, der dem Schüler von Anfang bis zu Ende der Lehrzeit als Haupt-
fach dient. Kammermufikunterricht wird zwar auch jetjt fchon mehr oder
weniger gründlich erfeilt, diefer Unterricht müfjte aber befonders vertieft und
nach jeder Richtung hin ausgeftaltet werden, um feinen neuen Zielen dienen
zu können. Um diefen zentralen Lehrgang gruppieren fich, wie die
Trabanten um ihren Planeten, die ergänzenden Fächer mehr oder weniger
theoretifcher Art. Diefe Unterweifung am lebendigen Objekt fei das Rück-
grat des Unterrichts. Alle Probleme der Mufik, die der Harmonie, der Form,
Inftrumentation, Gefchichte ufw. können zugleich an demfelben Unterrichts-
ftoffe bearbeitet werden unter fucceffiver Leitung der einzelnen Fachlehrer,
die aber untereinander über den einzufchlagenden Weg einig fein müffen.
Ob die analyfierende Befrachtung oder das Spielen der Werke vorangehen
fo!I, ift ziemlich gleichgültig, beide Methoden haben ihre Vorteile. Auf alle
Fälle wird auf die Art verhindert, dafj der Studierende mit Theoremen ge-
füttert wird, deren praktifche Bedeutung und Funktion ihm fremd bleiben.
„Wir wiffen etwas nur, wenn wir es ausdrücken, d. h. machen können."
(Novalis). Selbftverftändlich braucht die analytifche Betrachtung nicht beim
reinen Anfchauungsunterricht ftehen zu bleiben, fie foll vielmehr verallge-
meinern, ergänzen, Gegenfätjlichkeiten zu anderen Arten der mufikalifchen
Organifierung betonen und, nicht zulegt, praktifch nachahmen. (Hier be-
ginnt das Bereich des eigentlichen Kompofitionsunterrichts.)
Neben diefem gefamtmufikalifchen Lehrgang foll der technifche Inftrumen-
talunterricht gehen. Sein Gebiet umfafjf alle Werke, die für das betreffende
Inftrument allein gefchrieben worden find (z. B. Klavierfonate, Etüden) und
folche, in denen es bevorzugt behandelt wird (Konzert). Auch hier foll,
neben dem phyfifchen Training, die Beobachtung der mufikalifchen Faktoren
für die Darftellung und auch für die Bewältigung der technifchen Schwierig-
keiten maßgeblich fein.

Es wäre nur noch zu bemerken, daß die Befolgung diefer Grundfätje
weniger ein Umlernen der Lehrer, als eine Umgruppierung erfordert, und
zwar fo, daß immer eine Anzahl Schüler der einzelnen Inftrumentalgattungen
zu Gruppen zufammengefaßt werden, die an Hand des annähernd hiftorifch-
progreffiv geordneten Lehrmaterials von einer Anzahl Lehrkräfte unterrichtet
werden, welche fich bezüglich der einzelnen Gebiete ergänzen und nach
einem gemeinfamen Plane arbeiten. Spezialifierungen, wie die Kapell-

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