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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 2.1928

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Gerhards, Karl: Das Werk der Maria Montessori
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https://doi.org/10.11588/diglit.17441#0308

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zwei Jahre lang an geiftig minderwertigen Kindern aller Art die Seguinfche
Praxis kritifch durch, eigenes Lerngerät zumal für Schreiben und Lefen hin-
zufügend. Ihre Erfolge erregten ftaunende Verwunderung: eine Anzahl
ihrer Kinder wies, an einer öffentlichen Schule zufammen mit deren Zög-
lingen geprüft, die gleichen Leitungen auf wie diefe.
Sie felbft aber war fich in diefen beiden Jahren der Praxis über ihre eigene
Lebensaufgabe klar geworden. Es war ihr aufgegangen, dafj das individuell-
konkrete Hantierungslernen Seguins gerade auch normalen Kindern un-
vergleichlich mehr an Erziehungswerten bieten würde als der übliche ele-
mentare Klaffen- und Wortunterricht, deffen magere Ergebniffe fie ja fchon
bei ihren Schwachfinnigen erzielt hatte. Und ferner war ihr aufgegangen,
dafj gerade die Seguinfche Erziehungsart mit ihren befonderen Beobach-
tungs- und Verfuchsmöglichkeiten, mit ihrem direkten Bezug zur pofitiven
Forfchung fich in ganz unvergleichlicher Weife würde vertiefen, ausbauen
und mitteilbar machen laffen, wenn fie auch auf normale Kinder Anwendung
fände. Monteffori fühlte aber zugleich, dafj diefe ihre Überzeugung die
herrfchende pädagogifche Weisheit geradezu auf den Kopf ftellte, und darj
es eine Erziehung im Geifte Seguins für normale Kinder noch nie wirklich
gegeben hatte. Ende 1900 war fie entfchloffen, felbft einen Weg zu diefer
Erziehung zu bahnen. Eine tiefe Beftärkung wurde ihr bald noch zuteil. Für
fich felbft hatte fie das Buch Seguins aufs forgfältigffe ins Italienifche über-
fetjt; unmittelbar danach erhielt fie aus New-York die langerfehnte englifche
Ausgabe - und erfchüttert las fie nun darin das letjte Glaubensbekenntnis
des Verfchollenen: dafj feine Verfahrungsweife auch auf die normalen Kin-
der Anwendung finden, und dafj diefer Schritt zu einer vollftändigen Um-
wandlung der menfchlichen Erziehung führen müffe.

Wiederum ging Monteffori als Studentin zur Univerfität. Sie hörte die herr-
fchende pädagogifche Weisheit, fie ftudierte die experimentelle pfycho-
phyfiologifche Forfchung, die damals auch in Italien eingefefjt hatte; fie
lernte in den Elementarfchulen von Rom die Praxis der üblichen Unterrichts-
methoden gründlich kennen und ftellte dort auch ärztlich-anthropologifche
Unterfuchungen an, die fich fchliefjlich zu freien Vorlefungen an der Uni-
verfität ausgeftalteten. Und nun fchien es ihr an der Zeit, in einer unterften
Elementarklaffe ihren erften Verfuch mit normalen Kindern zu beginnen;
aber die offizielle Schule war nicht dafür zu haben. Monteffori wartete und
fuchte. Endlich bot fich ihr die erfehnte Gelegenheit, und zwar in den großen
Mufter-Mietshäufern, die damals die„Römifche Gefellfchaft für zweckmäßiges
Bauwefen" im Arbeiterviertel San Lorenzo erftellte. Der weitblickende Leiter
diefer Gefellfchaft, Ingenieur Talamo, wollte in jedem der Miefshäufer auch
einen Raum für die vorfchulpflichtigen Kinder einrichten, worin fie tagsüber,
während ihre Eltern auf Arbeit waren, unter Aufficht fpielen und fich be-
fchäftigen follten. Ende des Jahres 1906 forderte Talamo Monteffori auf, die

Zielfefjung

Nochmalige Vorarbeit

HOFANSICHT VON DEM MONTESSORUKINDER
HAUS AM BUCHWALD

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