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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0165

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— 140 -

wissenschaftlichen, antiquarischen und künstlerischen Samm-
lungen, mit welchen es fast bis zum Uebermaße angefüllt war,
hat Bettina von Arnim in anmutiger Weise erzählt.*)
Und in diesem Hause verkehrte Beethoven als ein will-
kommener Gast.s)
Eine zarte Freundschaft, berichtet Otto Jahn, fesselte Beet-
hoven an Antonia Brentano, die Tochter des Hofraths von
Birkenstock, welcher die Variationen über den Diabellischen
Walzer (Op. 120.) gewidmet sind .... Die junge Frau, welche
sich in Frankfurt nicht heimisch fühlte, veranlaßte ihren Gatten
Franz Brentano nach Wien zu ziehen, wo sie mehrere fahre im
birkenstockchen Hause wohnten. In diesem Hause, wo die
Musik gepflegt wurde, ging Beethoven freundschaftlich aus
und ein. Seine „kleine Freundin M. B.", für die er „zur Auf-
munterung im Klavierspielen*' im Jahre 1812 das kleine B-dur-
Trio in einem Satze schrieb, war die Tochter Äntoniens, Maxi-
miliane Brentano (später Frau von Bhttersdorff), welcher er
zehn Jahre später auch die Sonate in E-dur (Op. 109.) de-
dicirte.3) Antonia Brentano war während ihres Wiener Auf-
enthaltes vielfach kränklich und oft so leidend, daß sie sich
Wochen lang in ihr Zimmer, für jeden Besuch unzugänglich,
zurückziehen mußte. In solchen Zeiten pflegte Beethoven re-
gelmäßig zu kommen, setzte sich in ihrem Vorzimmer ohne
weiteres ans Klavier und phantasierte; wenn er der Leidenden
in seiner Sprache alles gesagt und Trost gegeben hatte, ging
er wieder fort, wie er gekommen war, ohne von sonst jemand
Notiz zu nehmend)
In schönster Weise wird dieses Freundschaftsverhältniß
durch vorliegende Briefe Beethovens (Nr. 1—15) beleuchtet,
die er dem Ehepaar Brentano schrieb, nachdem es Wien wieder
verlassen hatte. Die geistige Oede, die er nach ihrer Abreise
fühlt (Nr. 6), die herzlichen Ausdrücke, in welchen er von An-
tonia, der „ausgezeichneten einzig herrlichen Toni" spricht
(Nr. 11), die vornehme Einfachheit, mit welcher er das Dar-
lehen der begüterten Freunde annimmt (Nr. 1), Alles spricht
für die edle Gesinnung des großen Künstlers und seiner
Freunde. Sechs von den Briefen hat Nohl benutzt, der in sei-
ner Biographie Beethovens einzelne Sätze daraus citirtT) In
ihrer Gesammtheit sind sie noch ungedruckt.
In Frankfurt erwarb sich Antonia Brentano leicht die Stel-
lung, die ihre Geistesgaben ihr zuwiesen. Sie war die geach-
tetste Dame der Stadt, gleich ausgezeichnet durch feine Bil-
dung wie durch moralischen Werth und aufrichtige Frömmig-
*) Goethes Briefwechsel mit einem Kinde 15. Mai 1810. — Thayer 1. c.
2) Thayer 1. c.
s) Vgl. Nr. 11 des Cafaloges.
q Ein Brief Beethovens, Grenzboten 26. Jahrg. II. S. 100 f. — Thayer 1. c.
") Nohl, Beethovens Leben. 3 Bde. Leipz. 1867—77.
 
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