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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0346

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316

Beatus Murner geschnitten seien. Aus der Vergleichung jener
Frankfurter Drucke mit den jetzt zugänglicheren späteren
Schriften Murners, speziell mit dem „Lutherischen Narren'* von
1522, scheint mir hervorzugehen, daß Thomas Murner selbst die
Bilder zu dieser ganzen Gruppe, die von 1511 bis 1522 reicht,
gezeichnet hat. Sein Bruder Beatus kann dabei nicht in Be-
tracht kommen, da er von 1512 an spurlos verschwindet und
seine Holzstöcke zum Teil an Hüpfuff übergingen, sodaß anzu-
nehmen ist, daß er entweder damals gestorben ist oder sich
in das Klosterleben zurückgezogen hat.
Daß die Autoren in jener Zeit an den Illustrationen ihrer
Werke regen Anteil nahmen, ist bekannt. Wir wissen wie Pirck-
heimer und Sebastian Brant den Zeichnern Anweisungen und
Vorlagen gaben; Georg Wickram hat selbst bezeugt, daß er
einzelne seiner Schriften eigenhändig illustriert hat;^) es wäre
also nichts außergewöhnliches, wenn auch Murner dies getan
hätte, umsomehr, da wir wissen, daß er sich in verschiedenen
Perioden seines Lebens mit der Zeichenkunst beschäftigt hat.
Eine seiner frühesten Arbeiten scheint eine Abhandlung „De
perspectiva" gewesen zu sein (Goedeke II 215, 1); daß er
Kartenspiele zur Erlernung der Logik und der Instituten ent-
worfen hat, ist bekannt; in seinen letzten Lebensjahren war
er in seinem Geburtsort Oberehenheim mit der Uebersetzung
der „Enneaden" des Sabellicus beschäftigt, die nie gedruckt
wurde, aber von der uns drei handschriftliche Folianten er-
halten sind, von ihm eigenhändig geschrieben und mit Feder-
zeichnungen illustriert.^) Diese Zeichnungen können wir zwei-
fellos als das Werk Thomas Murners betrachten; der Text ist
in seiner wohlbekannten Handschrift geschrieben und trägt
seine Unterschrift; die eingestreuten Federzeichnungen sind
mit demselben Ductus, derselben Feder und Tinte ausgeführt,
sodaß Text und Bilder als das Werk einer einzigen Hand er-
scheinen. Bei diesen Federzeichnungen, die uns Thomas Mur-
ner als Zeichner in seiner reifsten Periode zeigen, muß die
Stilkritik einsetzen, um analytisch seinen Anteil an der Illustra-
tion seiner früheren Werke zu untersuchen. Diese Aufgabe zu
1) Scherer, Zeitschr. f. deutsche Kulturgeschichte. N. F. 11 (1875) S. 305.
2) Murner scheint das Werk ganz übersetzt zu haben und hatte seine Über-
setzung sicherlich für den Druck bestimmt. Handschriftlich erhalten sind nur:
I. ein Band in der Großherzogi. Hof- und Landesbibliothek in Karlsruhe
(IV Karlsr. Hss. 1896 Nr. 15) „M. Antonij Sabellici history von anbeschalfener
weit Thoma Murner interprete," die II Enoeade enthaltend. II. ein Band in der
Stadtbibliothek zu Schlettstadt, der Enneade VII 2—9 enthält. III. ein Band
die VIII Enneade enthaltend, dem die Schlußblätter fehlen; dieser Band ist
beschrieben im Catalogue de la bibliotheque Didot, 6e partie juin 1884, no.
38, und zuletzt im Katalog 46 von Jacques Rosenthal in München Nr. 878. —
Vgl. Handzeichnungen von Th. Murner zu seiner Uebersetzung der Weltge-
schichte des Sabellicus Nebst Vorwort von E. Martin. Straßb. 1892. Dazu:
G. Dehio in den Göttinger Gelehrten Anzeigen 1892. Bd. II S. 929, und E.
Martin im Jahrbuch für Gesch. Elsaß-Lothr. IX. Jahrg. S, 102 ff.
 
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