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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 15
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Zur Neuauflage des Bandes "Mittelalter" von Bergers Beiträgen zur Entwicklungsgeschichte der Maltechnik, [1]
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Mollweide, Werner: Langsam trocknende Oelfarben
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0065

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Nr. 'S-

Münchner kunsttechnische Blätter.

6t

diesem Zweck eingeschiagene Weg bestand ebenso
wie bei dem ersten Teil darin, die Reihenfolge der
Maltechniken und deren naturgemässe Stufen der ge-
schichtlichen Entwicklung auf Grundlage des vorhan-
denen quellenschriftlichen Materials durch praktisch
ausgeführte Proben festzustellen. Dabei wurde stets
auf das Handwerksmässige einer Technik Rücksicht
genommen und der Grundsatz festgehalten, dass neue
Techniken Zumeistverbesserungen oderVereinfachungen
einer früheren sein dürften. Dieses Prinzip, dass die
künstlerischen Techniken sich wie jede Kultur über-
haupt stufenweise entwickelt haben werden, ist vor
allem massgebend gewesen, um die geschichtliche
Entwicklung der Maltechnik durch eine Reihe von
Tatsachen von technischer Bedeutung zu erklären, die
wie die Ringe einer Kette ineinandergreifen.
Was die Quellen für die Maltechnik des
Mittelalters betrifft, von welchen in diesem Bande
die Rede ist, so wird es angebracht sein, dieselben
vorerst in Kürze Revue passieren zu lassen, um zu
zeigen, wie sich die technischen Traditionen eng an
diejenigen des Altertumes anschliessen und dabei die
Schwierigkeiten zu kennzeichnen, welche sich uns bei
deren Beurteilung entgegenstellen. Es sei nur daran
erinnert, dass wir über die Malerei der Griechen und
Römer durch die wenigen Stellen der Werke des
Vitruv, Plinius u. a. nur sehr unvollkommen unterrichtet
sind. Man wird dies jedoch begreiflich finden; denn
ausser einigen Rezepten für Farbenbereitung sind die
alten Angaben nur für den Praktiker von damals ver-
ständlich. Ein spezielles Werk über Maltechnik ist
uns aus dem Altertume nicht überliefert. Um so be-
merkenswertermusste uns ein in Leyden aufbewahrter
Papyrus erscheinen, der in einer Mumienumhüllung
verborgen, zu Theben anfangs des vorigen Jahrhunderts
aufgefunden wurde (s. „Maltechn. d. Altert." S. 247).
Es ist der Rezeptenschatz eines Goldschmiedes, der
mit edlen Metallen und Legierungen umzugehen wusste
und sich auch mit der geschätzten Purpurfärberei und
Miniaturmalerei (Goldschrift) beschäftigt zu haben
scheint. Aus dem 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung
stammend, in griechischer Sprache verfasst, ist diese
Rezeptensammlung nicht nur charakteristisch für die
Zeit, sondern auch für die alten Handwerker über-
haupt. (Fortsetzung folgt.)
Langsam trocknende Oelfarben*).
Von W. Mol.lweide-Kehl (Baden).
Die grosse Zahl der schon bestehenden Farben-
fabriken noch um eine vermehren zu wollen, erscheint
auf den ersten Blick recht überflüssig. Doch kann
eine wirklich gute Farbe immer auf Abnehmer zählen,
und durch die Herstellung einer langsam trocknenden
Oelfarbe ist auf dem Gebiet der Maltechnik vielleicht
wieder ein kleiner Fortschritt gemacht.

*) Anmerkung: Herr Maler W. Mollweide ver-
sendet den hier folgenden Prospekt über „Langsam
trocknende Oelfarben". Derselbe enthält soviel
richtige und allgemeingültige Bemerkungen über unsere
Oelfarbenmalerei, dass wir den Prospekt mit Erlaubnis
des Verfassers hier zum Abdruck bringen. Neu und
besonders beachtenswert ist die auf eine äusserst ge-
ringe Zahl von Farben beschränkte Palette, die von
der Anwendung der bis jetzt als unentbehrlich be-
trachteten Erdfarben (Ocker, Siena, Umbra usw.) voll-
kommen absieht. Da die neuesten Untersuchungen
auf die Unverlässlichkeit einiger dieser als „Normal-
farben" geltenden Pigmente und auf ihr leichtes Nach-
dunkeln hinweisen (s. Eibner, Zum Nachdunkeln von
Oelbildern, Nr. 13 u.E. dieses Jahrgangs), muss einer so
eingeschränkten Palette jedenfalls Interesse entgegen-
gebracht werden. E. B.

Die langsam trocknende Oelfarbe wurde ursprüng-
lich nur für Herrn Professor von Seebach und seinen
Schülerkreis in Strassburg hergestellt. Da sie den
hier gestellten hohen Anforderungen genügt hat, soll sie
nun auch weiteren Kreisen zugänglich gemacht werden.
Ich will versuchen, im folgenden den Zweck und
die Verwendungsart unserer Farbe zu erklären.
Der heutige Maler hat weder Zeit noch Lust,
seine Bilder in der Weise der alten Meister durch
dünne Unter- und Uebermalungen allmählich zu voll-
enden; einerseits, weil er nicht mehr viele Tage warten
will, bis die untere Farbschicht ganz trocken ist, be-
vor sie mit Lasuren übergangen werden kann, anderer-
seits, weil er den Farbeneindruck unmittelbar auf der
Leinwand wiedergeben will. Für ihn ist es erwünscht,
über ein Farbenmaterial zu verfügen, das entweder
möglichst lange nass, also behandlungsfähig bleibt,
oder über eines, bei dem ein nötig werdendes Malen
ins halb oder ganz Trockene ohne schädliche Folgen
möglich ist. Um das Letztere zu erreichen, hat man
die sogenannten Harzölfarben erfunden. Die darin
enthaltenen Harze und Harzöle erfüllen aber ihren
Zweck, das Reissen zu verhindern, keineswegs. Pro-
fessor E. Täuber schreibt darüber in den „Technischen
Mitteilungen für Malerei" (XXVII. Jahrgang, Heft 13):
„Versuche, der Erscheinung des Reissens durch Zu-
satz von Harzen, Balsamen oder Oelen zu den mit
Mohnöl angeriebenen Farben vorzubeugen, waren ohne
Erfolg. Geprüft wurden in dieser Beziehung Copal,
Dammar, Copaivabalsam, Copaivaöl und Olivenöl. Auch
die Anwendung dünner Lasuren dieser Stoffe sowie
das Netzen der Grundfarbe mit Terpentinöl, Alkohol
oder einem Gemische dieser beiden Flüssigkeiten, das
bekanntlich stark lösend auf unvollständig getrocknete
Oelfarben wirkt, waren ohne Wirkung." — Alle diese
Harze, Balsame und Harzöle — sogar reines Terpen-
tinöl muss hier mitgenannt werden, da es immer einen
harzigen Rückstand von mindestens io°/„ hinterlässt,
— haben aber alle die lästige Eigenschaft des Ver-
gilbens und Nachdunkeins in hohem Grade, und solche
gelb gewordenen Harze lassen sich am Licht nicht
wieder ausbleichen wie vergilbte Oele. Professor
von Seebach, der diese Nachteile der Harze beim
Restaurieren und beim Studium alter Gemälde oft ge-
nug bemerkte, kam deshalb zu der Ueberzeugung, dass
nur reine Oelfarben ohne Harz und Wachszusatz un-
bedingt zuverlässig sind.
Alle ölmalende Welt weiss oder sollte wissen, dass
die sogenannte Primamalerei, bei der das Bild nass in
nass fertig gemalt werden muss, am wenigsten Ver-
änderungen aller Art unterworfen ist. Die bis zu
dreissig Jahre alten von Seebachschen Gemälde, die
so frisch aussehen, als ob sie eben erst von der
Staffelei kämen, sind eine Bestätigung dieser alten
Tatsache.
In der heutigen Zeit wird aber häufig so unrationell
wie möglich gemalt. Man muss in den Ausstellungen
oft Bilder sehen, auf denen die Farben fingerdick
übereinander sitzen und ins Halbtrockene hineingemalt
und darübergeschummert ist, alles mit merkwürdig ge-
ringem Gefühl für den Stil der Oelfarbentechnik. Es
kann keinem Zweifel unterliegen, dass in wenigen
Jahrzehnten ein sehr grosser Teil der modernen Bilder
wegen ihrer schlechten Mache zugrunde gegangen sein
wird. Auch mit der besten Farbe kann man keine
haltbaren Bilder malen, wenn man sie nicht richtig be-
handelt.
Der Grund, warum heute maltechnisch so viel ge-
pfuscht wird, dürfte hauptsächlich der sein, dass viele
Künstler nicht gut und sicher zeichnen können oder
wollen und einer ehrlichen Arbeit sorgfältig aus dem
Wege gehen. Die gute Handwerkstradition wird als
rückständig verachtet. Rodin, auf den man sich in
dieser Beziehung auch in der Malerei berufen kann,
 
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