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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 8
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Struck, Hugo: Künstlerische Erziehung, [2]
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Mangold, Chr.: Ueber neuzeitliche Techniken im Maler- und Anstreichergewerbe, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0035

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Nr. 8.

Münchner kunsttechnische Blätter.

3 t

gewesen, und da sie heute noch existieren, so können
wir sie uns auch heute noch aneignen. Und wer nicht
mehr darüber sein mag, auf seine alten Tage noch
was Neues zu iernen, der soll sie wenigstens den ihm
anvertrauten jungen Leuten aus idealem Interesse für
die Zukunft nicht vorenthaiten.
Die machthaberischen Bestrebungen der Akademien
sind genugsam bekannt, und nur Wissen macht frei
von jeglicher Notwendigkeit der Unterdrückung. Die
Wissenschaft altein soll den Künstler disziplinieren und
folgsam machen aus eigenem Triebe und innerer
Ueberzeugung. Sie allein erzeugt die unantastbare
und objektive Autorität des Meisters der Werkstatt.
— Da bedarf es nicht erst des Machtwortes und des
Zwanges des Lehrenden und keiner Jury, die straft
und belohnt — nachdem alles bereits durch eine un-
zulängliche Bildung verfahren ist! —
Es hat nicht jeder einzelne die Zeit oder die
Neigung und Befähigung, nach dem Beispiel eines
Aristoteles oder Lionardo da Vinci usw. so schwierige
Probleme zu finden und zu lösen, und es ist eine über-
menschliche Forderung, solche Leistungen von jedem
einzelnen zu verlangen. Damit hemmen wir nur un-
nötig den Gang der Entwickelung, statt ihn zu fördern.
Wohl aber kann man von jedem ernsten Künstler
verlangen, dem nicht allein sein persönliches Wohl-
ergehen, sondern auch das Ansehen der Kunst im all-
gemeinen am Herzen liegt, dass er seine Kenntnisse
in dieser Beziehung bereichert, um sich und anderen
damit förderlich sein zu können. Es hat sicherlich
jeder mal ein freies Mussestündchen, in dem er mal
ein gutes Buch zur Hand nehmen kann, besonders
jetzt, wo die Tage kürzer und die Abende länger
werden, und für alle, die es interessiert, mögen fol-
gende Bücher wärmstens empfohlen sein.
t. Zur Bereicherung der Naturanschauung resp.
zur richtigeren Bewertung der farbigen Er-
scheinungen der Natur:
a) Aristoteles: Die kleinen naturwissenschaft-
lichen Schriften. Erste Lieferung: Einleitung
und I. Von den sinnlichen Wahrnehmungen.
Uebersetzt von Professor Hermann Bender.
Langenscheidtsche Verlagsbuchhand-
lung, Berlin SW ii. Klassikerbibliothek.
35 Pf. Seite 13—14.
b) Eine Abhandlung über die Optik der Griechen
von Professor Dr. Emil Wilde. Berlin 1832.
Gedruckt in der DietericischenBuch-
druckerei E. S. Mittler. Seite 6. (Anti-
quarisch.)
c) Die Physiologie der Farben für die
Zwecke des Kunstgewerbes, bear-
beitet von Dr. Ernst Brücke. Leipzig
1887. Verlag von S. Hirzel.
d) Lionardo da Vinci: Das Buch von der Ma-
lerei. Uebersetzt von Heinrich Ludwig.
Herausgeber: R. Eitelberger von Edelberg.
Wien 1882, Wilhelm Braumüller.
e) Des Herrn Leonhard van Vinci praktisches
Werk von der Mahlerey, nach Geometrisch-
optisch- und mechanischen Gründen. Aus
dem Italienischen übersetzt von Johann
Georg Böhm den älteren, Mahler in Dresden.
Nürnberg, in der Christoph Weigel
und A. S. Scheiderischen Buchhand-
lung, 1786. (Antiquarisch.)
2. Für die Ausführung der Malerei nach solchen
Gesichtspunkten:
a) Leone Battista Alberti. [435. Kleinere kunst-
theoretische Schriften. (Malbuch der Re-
naissance.) Herausgeber: R. Eitelbergcr von
Edelberg. Wien 1877, Wilhelm Brau-
müller.

b) Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der
Maltechnik von Ernst Berger. Quellen für
Maltechnik während der Renaissance und
deren Folgezeit nebst dem De Mayerne
Manuskript. München 190t, Verlag von
Georg D. W. Callwey.
Diese wenigen Bücher sollten in keinem Atelier
fehlen, und jeder junge Anfänger sollte dazu ange-
halten werden, sie sich zu beschaffen und sie zu stu-
dieren, bevor er zur Malerei übergeht, dann kann er
nachträglich nicht behaupten, man habe seinem Bil-
dungsdrang zuwenig Nahrung geboten. Es gibt natür-
lich noch eine ganze Menge solcher und anderer Mal-
bücher, aber diese sind die wichtigsten und unent-
behrlichsten Quellenschriften, und jeder wird etwas
darin Anden, was ihm vielleicht nützlich sein kann zur
Förderung seiner und der Kunst im allgemeinen, was
uns allen am Herzen liegen sollte.
Man wende mir nicht ein, dass es vielleicht zuviel
verlangt wäre, jungen Leuten solche Bücher in die
Hand zu geben, oder dass sich vielleicht gar eine Ver-
wirrung daraus ergeben könne. Wer über alles, was
er wissen muss, genau Bescheid weiss, den kann nichts
mehr in Verwirrung bringen, und eine grössere Ver-
wirrung, wie sie augenblicklich an der Tagesordnung
ist, wie sie uns durch die allermodernsten Früchte der
Unbildung: den Kubisten und Futuristen, beschert
worden ist, kann man sich nicht vorstellen.
Sicherlich wird es immer grosse Künstler und
Mittelmässigkeiten geben, aber auf solche Albernheiten
wird niemand mehr verfallen, dem eine gute Fachbil-
dung zuteil geworden ist, und der mittelmässigste
Maler früherer grosser Epochen steht mit seinem
Können himmelhoch über einem solchen Treiben un-
serer Zeit.
Hugo Struck,
Maler und Radierer.
Ueber neuzeitliche Techniken im Maler-
und Anstreichergewerbe.
Von Ch. Mangold.
Das Maler- und Anstreicherhandwerk unterliegt
in seiner Arbeitsweise einem immerwährenden Wechsel
seiner Techniken. Drängt sich uns eine neue Mode-
richtung auf, gleich hat das Malerhandwerk eine neue
Technik hervorgebracht und verbindet sich mit ihr,
die dann zur unbedingten Nachahmung zwingt und
endlich Modesache wird.
Wer kümmert sich heute noch um die einst in
so schöner Blüte gestandene Holz- oder Marmor-
malerei?
Gerade die letztere Technik war seit Jahrhunderten
der feste Stützpunkt der Dekorationsmalerei. Sie allein
ist dazu angetan, durch die Anwendung ihrer Viel-
farbigkeit dem Gesamteindruck der Dekorationsmalerei
ein lebhaftes, pompöses Aussehen zu verleihen. Be-
trachten wir die alten Decken- und Wandgemälde, so
finden wir überall die Marmormalerei als plastisches
und farbiges Dekorationsmittel angewendet.
Heute wollen wir unsere Decken und Wände auch
mit plastischen Dekorationsmitteln ausstatten. Wir
wollen sie aber nicht malen, wir wollen sie in fester
Masse reliefartig aufgetragen wissen, damit wir sie
dann mit jedem beliebigen Farbenton überstreichen
können.
Gerade in den letzten Jahren haben sich so man-
cherlei Verfahren in unserem Malerhandwerk ent-
wickelt, die dazu dienen, die Wand- und Deckenflächen
zu schmücken und zu beleben. Nicht mehr soll uns
allein der Gipser und Modelleur Decken und Wände
mit plastischem Schmuck versehen, wir Maler wollen
es selbst tun; denn dabei kann jeder sein künstle-
 
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