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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

DOI issue:
Nr. 16
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Urban, Hermann: Pflichten des Künstlers - Pflichten des Staates, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0067

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Manchen, 28. April 1913

Beilage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Prof. Ernst Berger.

IX. Jahrg. Nr. 16.

Inhalt: Pflichten des Künstiers —- Pflichten des Staates. Von Prof. Hermann Urban-München. — Zur Neu-
auflage des Bandes „Mittelalter" von Bergers Beiträgen zur Entwicklungsgeschichte der Maitechnik.
(Fortsetzung.) — Oeifreier Maigrund. -— Neue Maimethoden.

Pflichten des Künstlers — Pflichten des Staates.
Von Prof. Hermann Urban-München*).

Der Künstler hat die Pfiicht, Werke von
höchster Haitbarkeit herzusteHen, und des Staates
Sache wiederum ist es, dem Künstier Gelegenheit
zu bieten, „werkstattmässig", wie in alten Zeiten,
zu erlernen, wie seinen Schöpfungen die ge-
wünschte Haltbarkeit zu erteilen ist.
Die Frage, mit welchem Material der Künstler
Gedachtes oder Gesehenes am zweckmässigsten
verkörpern könne, um seinen Werken die nötige
Dauer zu geben, ist etwas, was nicht sorgfältig
genug erwogen werden kann.
Verfolgt man die künstlerische Technik der
letzten hundert Jahre, so muss man als Fachmann
leider zugeben, dass ein hoher Prozentsatz von
Werken wegen Unkenntnis des benützten Mate-
rials mehr oder minder Schaden gelitten hat, ja
zum Teil völlig dem Untergang geweiht ist.
Belege hierfür sind in Bayern etwa das un-
wiederbringlich ruinierte Deckengemälde Knollers
im Bürgersaal, ferner gewisse verfehlte und un-
nötige Restaurierungen an Werken unserer Galerien,
die entschwundenen Fresken Kaulbachs an der
Neuen Pinakothek, ebenso die an der Westfront
der Kgl. Residenz, die mehrere Male erneuten
Wandmalereien patriotischen Inhalts unter den
Arkaden, sowie letzterer Ausschmückungen inpom-
pejanischem Stil, die Trumphäuser in der Schel-
lingstrasse, Ritter Gollier am Alten Rathause,
Wandmalereien am Justizpalast und andere mehr.
Dass man bei richtiger Kenntnis des Materials
dagegen Werke von höchster Haltbarkeit schaffen
kann und konnte, beweist die neuere Zeit eben-
sogut wie die alte und älteste.
Es ist bequem, immer wieder den ganz falschen
Einwurf zu bringen, „ja die Alten, die hatten
ein ganz anderes Material" — dies ist ganz
unzutreffend.

Wir besitzen heute noch genau dieselben Ocker-
gruben in Frankreich, Deutschland und Italien,
die auch schon den Alten dienten, und Farben,
Leinwand und Bindemittel können genau so gut
hergestellt werden wie ehemals, ja im Gegenteil,
ich behaupte, wir sind reicher, viel reicher an
gutem Material als die Alten, haben aber das
Geheimnis der richtigen Anwendung verloren. Jene
kannten ihr Material genau, wir dagegen wissen
nur wenig davon und müssen erst wieder lernen,
es unserem Wunsche gefügig zu machen. Schon
nach 20—$0 Jahren haben sich bestimmte Werke
der neueren Zeit rapid verändert oder sind gar
zugrunde gegangen.
Ist es nicht ein enormer Verlust, wenn z. B.
ein Mann wie Palmie, einer unserer stärksten,
zielbewusstesten Experimentatoren, dahingeht und
von seinen positiven wie negativen Erfahrungen
nichts auf die Nachwelt kommt? Nehmen wir
an, seine äusserst delikat wirkenden Farben wür-
den unverdunkelt und unvergilbt in spätere Zeiten
hineinleuchten. Die spätere Generation stünde
dann ebenso ohnmächtig vor Rätseln, wie dies
mit uns vor den Werken der Alten der Fall ist.
Ein gleiches gilt von Leibi, dem Schöpfer hell
wie dunkel schimmernder, immer in dezentester
Emailglut leuchtender Werke. Schon heute haben
wir lediglich mehr Vermutungen, wie er sein Mate-
rial gewählt und behandelt hat, und in wenigen
Jahren sind auch sie dahin. Denkt man ferner
noch an Böcklin, Sandreuter, Lenbach, Marees,
Makart, Segantini und Pidoll, die im steten Kampf

*) HerrProf.H. Urban sendet uns diese Zuschrift,
die wir um so lieber zum Abdruck bringen, da sie
Vorschläge enthält, die in ähnlicher Art schon vor
Jahren in den Spalten der „Münchn. kunsttechn. Bl."
angeregt wurden. B.
 
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