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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 17
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Buchner, Georg: Malerfarben und Kolloidchemie, [1]
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Zur Neuauflage des Bandes "Mittelalter" von Bergers Beiträgen zur Entwicklungsgeschichte der Maltechnik, [3]: allgemeine Uebersicht über die Quellenschriften und deren Wert für unsere Maltechnik
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0072

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68

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. [7.

Lösungen der Kolloide sowie ihre gegenseitigen
Beziehungen.
1. Die wahren Lösungen, z. B. soiche von
Zucker, Kochsalz und allen kristallisierten Stoffen,
sind optisch leer, d. h. man kann weder im Mikro-
skop noch im Ultramikroskop irgendwelche Teil-
chen unterscheiden, man kann keinerlei Diskon-
tuinität beobachten.
Diese Stoffe haben die Bezeichnung Kristal-
loide deshalb erhalten, weil sie sich beim Ent-
fernen des Lösungsmittels im kristallinischen Zu-
stande ausscheiden. Diese Stoffe haben ein grosses
Diffusionsvermögen, d. h. ein Bestreben, das ihnen
dargebotene Volumen des Lösungsmittels gleich-
massig zu durchdringen. Dieses Bestreben äussert
sich im osmotischen Druck (ähnlich dem Gasdruck).
Diese wahren Lösungen, denen eine sehr geringe
Oberflächenspannung zukommt, zerfallen je nach
dem Grade der Zerteilung der in ihnen befind-
lichen Stoffe in zwei Gruppen:
a) in die Nichtelektrolyte (Nichtstromleiter,
z. B. Zucker);
b) in die Elektrolyte (Stromleiter, z. B. Koch-
salz und andere Salze).
2. Diesen wahren Lösungen gegenüber stehen
diejenigen Lösungen, welche, obwohl sie mit dem
freien Auge und den gewöhnlichen optischen Hilfs-
mitteln homogen erscheinen und keine diskreten
Teilchen erkennen lassen, doch mit besonderen
Beobachtungsmitteln, z. B. dem Ultramikroskop, op-
tisch inhomogen,gleichsam als äusserstfeineSuspen-
sionen sich erweisen, die eine Lösung Vortäuschen.
Das sind die kolloidalen Lösungen, d. h. die Lö-
sungen von Stoffen wie Leim, Gummi, Eiweiss usw.
Diese Stoffe, denen Graham nach deren typischem
Vertreter, dem Leim (Colla), den Namen „Kol-
loide" beilegt, bleiben nach dem Entfernen des
Lösungsmittels in gestaltloser, sog. amorpher Form
zurück, so dass man berechtigt ist, den von Joh.
Nep. Fuchs geprägten Ausdruck des „Amorphis-
mus" mit demjenigen des kolloidalen Zustandes
zu identifizieren. Diese kolloidalen Stoffe haben
ein minimales Diffusionsbestreben, dieselben sind
in Form viel grösserer Komplexe im Lösungs-
mittel vorhanden als die Kristalloide. Es sei je-
doch ausdrücklich bemerkt, dass die kolloidalen
Stoffe nicht in einem prinzipiellen Unterschied zu
den kristalloiden Stoffen stehen, sondern dass
die kolloidalen Stoffe nur einen besonderen
Zustand darstellen, in dem alle Stoffe unter ge-
eigneten Bedingungen erscheinen können, z. B.
die Metalle und Metallverbindungen. So konnte
ich bereits 1893 (s. „Chem.-Ztg.", S. 878) das
Baryumsulfat in kolloidaler Form erhalten. Die
Kolloidform mit ihren besonderen Eigenschaften
ist also nicht ein Monopol bestimmter Stoffe, sie
ist vielmehr lediglich eine intermediäre Zustands-
form, die das Uebergangsstadium charakterisiert,
welches zwischen der molekular dispersen Lösung

und der kristallinischen Ausscheidung liegt. Wir
haben eine Reihe — ionendispers — molekular-
dispers — kolloiddispers — kristallinisch — oder
eine Stufenleiter bezüglich des Lösungsverhaltens
der Stoffe vor uns. (Fortsetzung folgt.)
ZurNeuauilage des Bandes „Mittelalter"
von Bergers Beiträgen zur Entwick-
lungsgeschichte der Maltechnik.
Allgemeine Uebersicht über die Quellen-
schriften und deren Wert für unsere Mal-
technik.
(Schluss.)
Schon aus der Fülle des hier aufgeführten Mate-
rials*) wird es begreiflich, wie wichtig es ist, die
Technik bestimmter Zeitperioden in allen Details
kennen zu lernen und die Systeme zu beachten, nach
welchen die alten Maler bei ihren Werken vorgingen,
denn das eine wird jedem Einsichtigen klar sein, dass
so planlos wie heute zu keiner Zeit verfahren wurde.
Es entsteht nun aber die Frage, auf welche Weise
und zu welchem Zwecke man sich der Mühe unter-
ziehen sollte, eine fast unabsehbare und zeitraubende
Arbeit durchzuführen, um ein so kostbares Material,
wie es die Quellenschriften sind, für uns und unsere
Nachfolger fruchtbringend zu verwerten, denn es ist
noch lange nicht erwiesen, dass eine Technik
rationell ist, weil sie alt ist.
Um sich über die alten Techniken vollkommen zu
unterrichten, müssen deshalb zuerst die Quellen ge-
sichtet und alles, was sich auf das Technische der
Arbeitsführung, insbesondere auf die Grundierung und
die Art der Bindemittel bezieht, geprüft und praktisch er-
probt werden.BeiderartigemVorgehen müssen sich nicht
nur die verschiedenen älteren Malsysteme feststellen
lassen, es werden sich auch von selbst aus den ge-
fundenen Resultaten Gesichtspunkte für rationelles
Malverfahren ergeben, die durch die gute oder schlechte
Erhaltung gleichzeitiger Denkmäler der Kunst sich
selbst kontrollieren. Zunächst wird der Wert einer
solchen Arbeit in der kunstwissenschaftlichen
Seite gelegen sein, denn mit Hilfe einer derart im
Detail durchgeführten Quellenforschung und entspre-
chenden ausgeführten Malproben müssen sich genau
bezeichnete Merkmale einer bestimmten Kunstperiode
auch in technischer Beziehung feststellen lassen, welche
die kunsthistorische Forschung unterstützen und für
sie von Wichtigkeit sein dürften.
Der praktische Wert dieser Arbeit für
unsere moderne Maltechnik muss darin erblickt
werden, dass durch die Erkenntnis der alten Techniken
auch die Methoden bekannt werden, nach welchen
die alten Meister ihre gepriesenen Schöpfungen an-
gefertigt haben. So haben, um nur ein eklatantes
Beispiel anzuführen, die Künstler der Frührenaissance
das Prinzip gehabt, die Bindemittel zu wechseln, und
zwar nahmen sie zu unterst die schneller trocknenden,
wie Leim, zur Grundierung, dann kam Eitempera zur
*) Von wichtigeren Manuskripten und Quellen
wären noch zu erwähnen: das Paduaner Manuskript
(Ende des :6. Jahrhunderts), das Manuskript des Giov.
Batt. Volpato, betitelt „Modo datenerneldipinger"
(17. Jahrhundert), das Brüsseler Manuskript des Pierre
Lebrun (1633), dann noch Wandmalerei betreffend:
den Kommentar zu Vitruv des Spaniers Guevara
(Anfang des 16. Jahrhunderts), das Werk „DeRe Aedi-
Hcatoria" des Leon Battista Alberti, Raffaello
Borghinis „Riposo" (1584), Andrea Pozzo (geb. 1642),
Johannes Martinus (1699), Raph. Mengs u. a.
 
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