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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 1
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Wirth, Albert: Maltechnische Betrachtungen, [1]
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Wedepohl, Theodor: Die Perspektive in der Bildnismalerei, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0006

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3

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. r.

gehtlfen ein gerade in Mode stehendes Ornament
ganz vortrefflich beherrschen, was mancher Künstler
nicht nachmachen könnte, aber dass derselbe
Gehilfe, sobald er etwas anderes, was ausserhalb
des Eingelernten liegt, machen soll, total versagt.
Selbst die Zeichnungen und Schablonen macht
der Maler nicht mehr selbst, sondern bezieht sie
aus besonderen Werkstätten durch Reisende.
Das Firmenschreiben ist längst Spezialbetrieb.
Marmor- und Holzmaler sind Spezialisten und
so geht es bis zum Künstler.
Man sieht — auch im Handwerk ist die ge-
naue Kenntnis des ganzen Faches nicht mehr wie
früher, sie ist auch keine allgemeine mehr; aber
die Spezialisten des Handwerks halten die Tech-
nik ihres Faches fest, und zwar auf allen Ge-
bieten.
Nicht so in der Kunst. — Die Künstler,
welche im grossen und ganzen fast nur das Oel-
malen und Aquarellieren betreiben, sind darin
schon nicht alle zu Hause. Woher kommt das?
Hauptsächlich aus der Bequemlichkeit, welche
Unkenntnis sekundiert, besonders noch, weil sie
das Mittel zum Zweck, die handwerkliche Mal-
technik, meist geringschätzend beurteilen, während
der Handwerker, auch der Spezialist, sie als
Grundlage betrachtet.
Aber auch da sind solche menschliche Schwä-
chen bemerkbar, wie ich aus der Zeit meines
Unterrichtens als Lehrer für die Malerfachschule es
kenne. Da hatte ich oft meine liebe Not, die
jungen Leute darauf zu schulen, was sie im Ge-
schäft brauchten: Kenntnis des Ornaments. Am
liebsten hätten sie Köpfe, Landschaften und Bil-
der gemalt. Auch die Ausstellungen trugen viel
dazu bei.
Auf die weiteren Ursachen will ich hier nicht
eingehen, aber wenn man die ausgestellten Ar-
beiten sah, welche auch von den Behörden sehr
bewundert wurden, so musste überall der Ge-
danke platzgreifen, was leistet unsere heutige
Jugend, was sind unsere jungen Leute hochbe-
gabt. — Die Meister sprachen allerdings anders.
Was folgt aus diesem allem für die Maler
überhaupt?
Dass wir unserer Jugend immer wieder sagen
müssen:
„Schämt euch vor keiner Arbeit, hütet euch
vor dem Dünkel, er hindert sehr im Vorwärts-
kommen und lernt überall durch Kenntnis die
Sicherheit." (Schluss folgt.)
Die Perspektive in der Bildnismalerei.
Von Theodor Wedepohl.
Es gibt nicht viele Maler, die sich aus Vorliebe
mit der Perspektive befassen, vielmehr haben die
meisten das Bestreben, sich so einzurichten, dass sie
ohne diese abstrakte Wissenschaft auskommen. Viele
Landschafter vermeiden es möglichst, in ihren Bildern
geradlinige, architektonische Gebilde anzubringen und

verlassen sich der Natur gegenüber auf ihr Auge, was
oft recht gewagt ist. Besonders aber der Bildnismaler
glaubt alle die scheinbar mühsam zu erwerbenden
Konstruktionskenntnisse entbehren zu können, wenn
er nur einen guten Kopf zu malen versteht. — Das
ist freilich die Hauptsache — aber sobald es sich
etwa um ein sitzendes Kniestück handelt, in dem ein
Lehnsessel verwendet ist, macht der beste Pinselführer,
der mit grosser Sicherheit einen Kopf, ja auch einen
Akt zeichnet, leicht die tollsten Schnitzer, wenn er
sich nur auf sein Auge verlässt. Handelt es sich aber
gar um eine ganze stehende Gestalt, deren Füsse sich
auf einer irgendwie begrenzten Ebene belinden, so
stellt sich eine ungeahnte Schwierigkeit ein, bei wel-
cher das suchende Auge des überlegenden und be-
ratenden Geschmackes nicht entraten kann. Wer kennt
nicht das in den letzten Jahren so viel reproduzierte
Bildnis eines Opernsängers mit dem endlos lang ge-
zeichneten Fuss?! — Wirklich gute Maler begehen mit
der grössten Harmlosigkeit Versehen, die selbst ein
ungeübtes Beschauerauge in Verwirrung setzen, und
man ist erstaunt, dass sie sich selbst beim Arbeiten
an diese Fehler haben gewöhnen können. So war noch
kürzlich bei Schulte ein trefflich gemaltes Herrenbildnis
ausgestellt mit landschaftlichem Hintergründe, der nach
vorn durch eine Balustrade abgeschlossen wurde. Diese
liess den Beschauer auf ihre obere Fläche sehen, be-
fand sich somit tiefer als das Auge und unter dem
Horizont. Gleichwohl sah man noch unter dieser,
zwischen den einzelnen Balustren die blaue Luft durch-
schimmern, was sehr störend wirkte. Der Maler hatte
also nicht bedacht, dass unterhalb des Horizonts keine
Luft (Himmel) mehr Vorkommen kann, wie (nebenbei
gesagt) über demselben keine Wasserfläche.
Was ich hier aber ausführen will, ist keineswegs
die schulmeisternde Meinung, dass man das alles richtig
machen und deshalb in die perspektivischen Vor-
lesungen gehen müsse, und dass ein Bild mit einem
solchen Fehler nicht doch sehr schön sein könne,
sondern vielmehr, dass die Kenntnis der perspektivi-
schen Grundbegriffe dem Schaffenden Mittel an die
Hand gibt, mit denen er die beabsichtigte Wirkung
und Stimmung seiner Bilder ausserordentlich heben
und steigern kann. Es ist gar nicht nötig, dass man
etwa ein gotisches Kreuzgewölbe zu konstruieren ver-
steht, wohl aber muss man (I) so weit Bescheid wissen,
dass man sich Rechenschaft über folgende Fragen
geben kann: A. Wie steht meine gedachte Bildnis-
ebene vor dem Modell, und sind gewisse Teile des
Darstellungsobjektes in gerader oder schräger Ansicht
gesehen? B. Welche Wirkung erziele ich durch die
hohe oder tiefe Lage des Horizontes gegenüber der
Gestalt und den Nebendingen? C. Wie gross nehme
ich vorteilhafterweise meinen Abstand von der Gestalt
und dem im Bilde darzustellenden Raume an? Später-
hin kommen dann die nutzbringendsten Erfahrungen
hinzu, wie man durch Raumteilung (II) und Linien-
führung (III) das Charakteristische der Gestalt hervor-
kehren und betonen oder doch unterstützen kann, ja
wie durch solche Mittel Stimmungsmöglichkeiten ge-
boten werden, die für das Darstellungsobjekt sym-
bolisch sind.
I.
Es trägt ausserordentlich zur Sicherheit der Zeich-
nung bei, wenn man sich dem Modell gegenüber genau
klarmacht, welche Breiten-, Höhen- und Tiefenansicht
man zu wählen hat.
A.
Wir stellen einen rechteckigen Körper, etwa einen
Tisch, dann in gerader Ansicht dar, wenn eine seiner
wagerechten Kanten unserer gedachten Bildebene, die
wir uns als eine senkrechte Glastafel zwischen unserem
 
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