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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 8
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Mangold, Chr.: Ueber neuzeitliche Techniken im Maler- und Anstreichergewerbe, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0036

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32

Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr 8.

risches Empfinden nach jeder Richtung hin frei ent-
faiten.
Da ist vor aiiem die sogenannte Kammzugtechnik
eine Dekorationsweise der Neuzeit. Sie ist unstreitig
die wichtigste und wirksamste der neuzeitiichen Tech-
niken im Dekorationsmaiergewerbe. Zu den verschie-
densten Zwecken an Decke, Wand, Sockei, Türen,
Täfeiungen usw. kann sie mit grösstem Erfoig ange-
wendet werden.
Auf einem einsaugenden Untergrund ist Kammzug
unmögiich anzubringen. Es ist daher das Vorhanden-
sein eines Oeifarbenstriches unbedingt erforderiich.
Ich bemerke hierbei sogieich, dass, wenn auf eine
saubere, tadeiiose Arbeit gesehen wird, der Unter-
grund auch soiche Gestaitung haben muss. Aiso auch
gutes, sauberes Schieifen und Spachtein ist hierbei,
wie bei jedem anderen Anstrich, Grundbedingung.
Man unterscheidet zwei Hauptarten in der Kamm-
zugtechnik, den kräftig vertretenen und den rein
farbigen Kammzug. Für die Arbeitsweise seibst ist
die Art und die Beschaffenheit der Masse natüriich
von grösster Bedeutung. Sie muss stets ieicht zu ver-
arbeiten sein, darf aber andererseits auch aus diesem
Umstande nicht aiizuviei Zeit beanspruchen, bis sie
recht erhärtet ist. Die ganze Art der Zusammen-
setzung hängt von der beabsichtigten Höhe des pia-
stischen Auftrages ab.
Die Höhe des Kammzugs variiert zwischen 2 bis
5 mm Höhe. Die gebräuchiichste Höhe des Kamm-
zugreiiefs ist 2—3 mm. Kammzug von stärkerem Auf-
trag, etwa 3 mm Höhe, iässt sich eigentiich nur an
ganz geschützten Steden anbringen.
Zur Hersteiiung einer Kammzugmaierei in der
Höhe von 2—3 mm genügt ein guter Spachteikitt, der
aus Leim und Kreide gebunden ist, dem etwas Oei,
Leinöi sowie eine starke Aiauniösung zugesetzt ist.
Stärkere Erhärtung wird erzielt durch Beigabe von
feinem Gips; je mehr Gips zugesetzt wird, desto
schneiier erhärtet die Masse. Beabsichtigt man aiso,
ein höheres Reiief durch soiche piastische Masse zu
erzieien, so verwende man eine Masse wie die ange-
führte und setze nur recht viei Gips statt Kreide zu.
Statt Köiner Leim kann man auch irgendeinen Pffanzen-
ieim anwenden. Auch dieser Masse ist etwas Oei zu-
zusetzen; bei Verwendung von Grundin, Fondin, Saijo-
grundierhrnis usw. setzt man an Steiie von Oe! etwas
mehr Lack hinzu. Der Aiaunzusatz kann hierbei weg-
geiassen werden.
Benutzt man Gips oder Kreide ais Hauptbestand-
teii der Masse, so kann auch Kieister mit Zusatz von
Oei und Lack ais Bindemittei dienen.
Es unteriiegt keinem Zweifei, dass die Wirkung
der fertigen Kammzugarbeit auch von der Art der
Ausführung, ganz besonders aber von der Form und
.der Zahnung der dazu benützten Kämme abhängt.
Wiii man eine grobe und derbe Streifung auf der
Fiäche erzieien, dann kann man nur Kämme mit
grossen Zähnen, mit weiten Zwischenräumen benützen.
Bei feiniinigem Kammzug sind aiso naturgemäss
feinzähnige Kämme mit ganz engen Zwischenräumen
zu benützen. Aiie Sorten von Kämmen, ob sie zu
fein- oder grobiinigem Kammzug benützt werden,
müssen aus gutem und hartem Materiai hergesteiit
sein. Auch hierbei spieit die Dicke des Auftrages,
vor aiiem aber die Zähigkeit desseiben die Hauptroiie.
Bei einem ganz dünnen Auftrag iassen sich Kämme
benützen, die man sich seibst aus den Brettchen einer
Zigarrenkiste hersteiien kann.
Bei stärkerem Auftrag verwendet man Kämme
aus Hartgummi, bei denen man sich auch nach Be-
heben die Zahnstärke seibst ausschneiden kann. Ich
bemerke hierbei, dass schon bei der Hersteiiung des
Kammes Genauigkeit und Sauberkeit, besonders an
den Kanten der Zahnreihe, Grundbedingung ist. Fehit

dieses, dann kann schon die Arbeit nicht egai und
sauber ausfaiien. Unsaubere, unscharfe Schnittkanten
machen sich bei der späteren Arbeit sofort bemerk-
bar. Die Kanten der einzeinen Zähne soiien vorn
weiter geformt sein ais am hinteren Ende; dort soiien
sie auch nicht spitz, sondern in einer Rundung aus-
iaufen.
Was nun die Art der Ausführung des Musters
anbeiangt, so ist dieses ganz der Auffassung des Aus-
führenden überiassen. Frei und unbenommen kann
hierbei jeder sein künstierisches Können entfaiten.
Je freier und künstierischer der Gesamteindruck der
Arbeit ist, je schöner ist es. Man kann die ganze
Fiäche mit der Masse überziehen und dann einfach
mit dem Kamm bearbeiten.
So iässt sich die Fiäche in gerader, wehen- und
schiangenförmiger Linie durchziehen; Kreise, Punkte
usw. in kieinem oder grösserem Umfang iassen sich mit
einiger Geschickiichkeit ieicht und schnei) mit dem
Kammzug ausführen. Auch kann man die aufgetragene
Masse mit dem Schwamm oder dem Pinsei tupfen,
dass sie ein feineres oder gröberes Korn erhäit, aus
weicher man dann noch mit dem engeren oder brei-
teren Kamm Partien herausnimmt. Zur Ergänzung des
Ganzen iässt sich dann noch mit einem passend ge-
schnittenen Hoiz- oder Hartgummistückchen freihändig
ornamentaier iinienförmiger Schmuck anbringen.
Wie schon eingangs angeführt, muss man sich
eben sein Materiai, sein Handwerkszeug zur Kammzug-
technik seibst hersteiien.
(Schiuss foigt.)

Literatur.
Kari Kappstein, Der künstlerische Steindruck.
Handwerkliche Erfahrungen bei künstlerischen
Fiachdruckverfahren. Mit Druckbeispielen. Ber-
lin 1910, Vertag von Brunp Cassirer.
Unter den Techniken für Originaigraphik nimmt
neben Radierung und Hoizschnitt der Steindruck heute
die hervorragendste Steiie ein, schon deshaib, weit
derseibe die verschiedensten Anwendungsarten zuiässt
und den Intentionen des schaffenden Künstiers in vieier
Hinsicht besser entspricht, ais die schwer zu behan-
deinden Aetzungsverfahren bei der Radierung und die
Umständiichkeiten des Hoizschnittes.
Einen sehr guten Einblick in die Möglichkeiten
dieser Technik gewährt das von dem bekannten Gra-
phiker Cari Kappstein verfasste Büchiein. Denn hier
spricht ein erfahrener Praktiker zum Fachkoiiegen und
gibt ihm Ratschiäge an die Hand, wie er mit den
neuesten Mittein, oft raffiniertester Art, künstierische
Effekte erzieien kann. Die technischen Ratschiäge
über Papier- und Steinpräparation, Aetzmanieren und
über die so überaus wichtige Behandiung des Steins
beim ersten Andrucken werden nicht nur dem Stein-
zeichner, sondern ebenso auch dem Steindrucker sehr
wiiikommen sein. Vorausgesetzt wird in diesen An-
weisungen eine gewisse Vorkenntnis des ganzen Ver-
fahrens, wie man sie in iithographischen Werkstätten
eriangen kann. Dem sehr empfehienswerten Werk
sind eine Reihe ausgewähiter Druckbeispieie angefügt,
die den Text aufs beste unterstützen. Mögen auch
andere Künstier die Worte beherzigen, dass sie, wie
es im „Nachwort" (nach Abraham Bossens Vorrede)
heisst, „dadurch aufgemuntert werden, dass dieseibigen
der Sache ferner nachdenken und dadurch Aniass be-
kommen, desgieichen zu thun, den Nachkommenden
damit Nutzen zu schaffen". B.

Vertag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).
 
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