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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 10
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Malmaterialienkunde und Unterricht, [1]
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Mangold, Chr.: Ueber neuzeitliche Techniken im Maler- und Anstreichergewerbe, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0043

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Nr. io

Münchner kunsttechnische Blätter.

39

akademien seit einer Reihe von Jahren haben, durch
die Literatur und endlich durch die Fachpresse.
Vorträge über Farbenchemie sind z. B. an der
Wiener Akademie der bildenden Künste, wenn ich
mich recht erinnere, schon seit 30 Jahren eingeführt,
aber es ist bekannt, dass diese Vorträge von den
Studierenden der Akademie und der Kunstgewerbe-
schule, für die sie gemeinsam statthnden sollten, mit
grösster Gewissenhaftigkeit — geschwänzt wurden.
Dies mag vielleicht damals, als der liebenswürdige
und tüchtige Chemiker Teclu sie abhalten sollte,
seinen Grund darin gehabt haben, dass der genannte
als Ausländer die deutsche Sprache nicht genügend
beherrschte und seine allzu trockene Art die Hörer
sehr ermüdete. Schon beim dritten Vortrag lichtete
sich die Schar zusehends, und beim fünften Vortrag
waren es nur mehr fünf Hörer. Ob ein sechster Vor-
trag stattfand, weiss der Berichterstatter nicht, weil
er selbst auch nicht mehr dabei erschienen ist.
Das waren naturgemäss unhaltbare Zustände, die
zur Förderung der Materialienkenntnis bei den jungen
Akademikern nicht beitrugen.
Das Professorenkollegium griff aber bald zu einem
heilsamen Mittel, um die „Chemiefurcht" den Jüngern
auszutreiben, und forderte erstens den Besuchsnach-
weis und zweitens die Ablegung einer Prüfung. Nur
nach Leistung dieser beiden Nachweise konnte der
Akademiker in eine höhere Klasse aufsteigen, nur
dann wurden ihm Stipendien und andere Studiener-
leichterungen gewährt!
Ob diese Institution noch besteht, vermag ich
nicht zu sagen, da inzwischen auch schon zwei Jahr-
zehnte verflossen sind; aber mit dem Begriff der Lehr-
und Lernfreiheit, wie sie bei unseren deutschen Kunst-
hochschulen eingeführt sind, lässt sich diese Methode
nicht gut vereinbaren.
In München bestehen auch schon seit Jahren Vor-
tragskurse über Farbenchemie, so dass den Kunst-
studierenden der Akademie und der Kunstgewerbe-
schule sowie den Frequentanten der Privatschulen
genugsam Gelegenheit gegeben wäre, sich die wün-
schenswerten Kenntnisse der Malmaterialien anzu-
eignen.
Aus dem Protokoll der Verhandlungen der baye-
rischen Abgeordnetenkammer (öffentliche Sitzungen
vom 26. und 27. März 1906), betreffend die Uebernahme
der Versuchsanstalt und Auskunftsstelle für Maltechnik
durch den Staat, ist freilich zu entnehmen, dass auch
diese Vorträge sehr ungern von unseren Kunstjüngern
frequentiert würden. Der Berichterstatter (der Abge-
ordnete Irl) erwähnte, dass er bei einem gelegent-
lichen Besuche einer solchen Vorlesung höchstens 13
Akademiker und iS—20 Damen (der Kunstgewerbe-
schule) zählte, dass diesen Vorträgen also „die Popu-
larität vollständig mangele"*).
Ich lasse hier die Stelle des Verhandlungsproto-
kolls folgen, in der Abgeordneter Irl (selbst Maler-
meister!) ein Programm für derartige Vorträge auf-
stellt. Er sagt:
„Der Unterricht sollte vor allem, das wird mir
von allen Seiten, sowohl aus Handwerker- wie aus
Künstlerkreisen, zu Gemüte geführt, kein zu streng
wissenschaftlicher sein. Daran kranken viele derartige
Disziplinen. Sowie der Chemiker sich hinreissen lässt
mit Formeln, mit Zusammensetzung der Stoffe zu sehr
zu arbeiten, so erstickt er von vornherein das Interesse.
Er nimmt dabei nicht Rücksicht auf den bekanntlich
nicht wissenschaftlichen Vorbildungsstand seines Hörer-
kreises. Die Leute, die ihm zuhören, sind auf der

*) Nach Erkundigung an massgebender Stelle möge
hier festgestellt werden, dass der Besuch in den letzten
Jahren ein befriedigender und das Interesse an den
Vorträgen im steten Steigen begriffen ist. E. B.

einen Seite einfache Handwerker, auf der anderen
Seite sind es Akademiker, Künstler, die diesen Sachen
schon von vornherein aus dem Wege gehen, sie wollen
diese Dinge nicht hören, sie wollen praktisch-experi-
mentelle Vorträge, sie wollen mit einem Worte nicht
wissen, wie die Stoffe zusammengesetzt sind und wie
sie wissenschaftlich exegetisiert werden, sondern sie
wollen einfach wissen, was sie zu tun haben, um gute,
dauerhafte Farben zu bekommen, und an wen sie sich
zu wenden haben, wenn eventuell Fälschungen vorge-
kommen sind."
Diese Ausführungen des Abgeordneten Irl treffen
nur in den ersten Teilen das richtige. Wenn es den
Künstlern zu genügen hätte, zu wissen, wo sie „gute
und dauerhafte Farben bekommen", dann brauchte
man ja nur die Namen der Firmen bekanntzugeben,
wo die besten Materialien käuflich zu haben sind, und
dass der Handwerksmann gleich zum Kadi laufen
müsste, um sich gegen eventuelle Fälschungen (d. h.
Uebervorteilungen) zu wehren, dazu ist die Hilfe eines
wissenschaftlichen Unterrichts nicht nötig; diese Dinge
hat das Gericht nach Anhörung der Sachverständigen
zu entscheiden.
Aber in dem Punkte hat der Abgeordnete sicher
recht, dass es in erster Linie wichtig wäre, bei der-
artigen Vorträgen auf den Bildungsgrad des Hörer-
kreises Rücksicht zu nehmen.
Auf diesen Punkt, der mir der allerwichtigste der
Frage zu sein scheint, komme ich noch ausführlicher
zurück.
Was nun die Fachliteratur und die Fachpresse
als weitere Bildungsmomente betrifft, so ist deren
EinHussmögiichkeit unverkennbar. Aber für die Kunst-
jünger ist es nicht gerade förderlich, wenn sie sich
widerstreitenden Meinungen gegenüberstehen, weil
ihnen noch die Möglichkeit der richtigen Unterschei-
dung fehlt und es gefährlich ist, sie zu Parteifragen
Stellung nehmen zu lassen, insbesondere, wenn solche
Fragen nicht mit genügender Objektivität behan-
delt werden, wie das in letzter Zeit wiederholt ge-
schehen ist.
Die Fachliteratur ist zur Unterstützung des Unter-
richts sehr wichtig, und wir haben vortreff liche Werke
von Linke, Ostwald, Eibner, Church, Berger u. a., die
durch ihre Gründlichkeit und umfassenden Inhalt den
Künstlern als Nachschlagewerke unentbehrlich gewor-
den sind. (Fortsetzung folgt.)
Ueber neuzeitliche Techniken im Maler-
und Anstreichergewerbe.
Von Ch. Mangold.
(Schluss.)
Dann erst schneidet oder kratzt man mit einem
scharfen Messer, Sgrafhtoeisen, einer Spachtel oder
sonst einem scharfen Instrument die Zeichnung oder
einzelne Formen vorsichtig und sauber heraus. Natür-
lich hebf man die letzte und oberste Verputzschichte
nur so weit ab, bis der erste, also der Untergrund, in
seiner dunklen Färbung zum Vorschein kommt.
Je nachdem, wie man eben den Charakter der
ganzen Flächendekoration in seiner Abtönung zu halten
gedenkt, kann man noch mit bunten Farben einzelne
Teile zur besonderen Wirkung mit Kasein- oder son-
stigen Farben anlegen und ausmalen. Ganz besonders
gut eignet sich zu dieser in seiner Gesamtwirkung
etwas schwer aussehenden Dekorationsweise eine
Vergoldung oder Versilberung. Am besten findet ein
gutes Blattgold oder Silber Verwendung, welches den
gebräuchlichen Goldgrund, Mixtion, zum Untergrund
hat. Von allem unechten Material sowie Bronzepulver
ist entschieden abzuraten.
Zur Dekorierung der Innenräume kommt heute wie-
 
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