Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

DOI issue:
Nr. 2
DOI article:
Wirth, Albert: Maltechnische Betrachtungen, [2]
DOI article:
Wedepohl, Theodor: Die Perspektive in der Bildnismalerei, [2]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0010

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
6

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr 2.

gleichmässiger wie beim Anstrich usw., sondern
in stärkerer und schwächerer Schicht, auch wer-
den dabei schneller und langsamer trocknende
Farben angeweudet. Darum muss der Biider-
maier desto gewissenhafter untersuchen, wie weit
der Trockenprozess vorgeschritten ist, ehe er
weitermait oder -firnisst; besonders aber ist zu
empfehien, dass er schon auf der Palette seine
Farben zu annähernd gleicher Trockenfähigkeit
bringt.
Desgleichen darf man nicht unbeachtet lassen,
dass jeder Farbenauftrag zuerst frischer deckend
aussieht, später aber nachlässt.
Das Handwerk lehrt uns auch, dass ein- oder
zweimaliger Anstrich irgendeines Gegenstandes
nicht so deckend und leuchtend wirkt, wie ein drei-
und viermaliger. Wollen wir mit Gewalt die
Leuchtkraft erzwingen durch zu dicken pastosem
Auftrag, so tritt später doch eine Verschrumpfung
ein, die in den Furchen Firnis und Schmutz sam-
melt und später das Bild unansehnlich macht.
Bei weiteren Beobachtungen fiel mir auf, dass
ich oft hier schon Firmenschilder sah, bei wel-
chen einzelne Buchstaben, die früher auf der
Tafel waren, nur überstrichen und nicht wegge-
schliffen wurden, wieder durchgekommen sind.
Zuerst waren sie wohl nicht sichtbar, die Farbe
aber liess nach und die zuerst gedeckten kamen
wieder zum Vorschein.
Denselben Vorfall kann man bei manchen
Bildern sehen. Ein Arm oder sonstiger Teil des
Körpers, dessen Stellung verändert wurde, kommt
wieder zum Vorschein und verdirbt und entwertet
das ganze Bild.
Das Alte muss also abgekratzt oder abge-
schliffen werden.
Die Grundgesetze sind also dieselben, wie
unser Pettenkofer sagt in seiner Broschüre auf
Seite II:
„Materiell betrachtet, sind Oelgemälde von
Rafael, Tizian, Rubens und anderen unsterblichen
Meistern nichts anderes, als mit Farbe bestrichene
Leinewand oder Holz — und jene grossen Meister
waren nicht zu stolz, vom Handwerk das zu
lernen, was sie für nötig hielten."
Es gibt ferner Risse, deren Entstehungsur-
sachen wissenschaftlich nicht erforscht sind, welche
man nur aus — Erfahrung, aus der Praxis, kennt,
aber als Maler kennen muss. —
Wer hat nicht schon schwarze Buchstaben auf
weissen Firmenschildern gesehen, die total durch-
gerissen waren, und Bilder, welche dunkle Stellen
zeigten mit Rissen, die weisse Unterlage aufwiesen.
Von jeher hat die Erfahrung gelehrt, dass ganz
dunkle Farben, besonders aber Krapplack und
Schwarz auf frischem Weiss direkt aufgetragen,
reissen, ohne Gnade.
Werden nun aber solche ganz weisse Unter-
lagen, resp. Gründe mit Glas oder Sandpapier

(feiner Sorte) abgerieben, der Staub mit Terpen-
tinöl abgewaschen, so ist dem Reissen schon vor-
gebeugt. Diese Abreibung vertritt die Stelle des
Schleifens.
Bekanntlich findet man bei Kutschen usw. also
bei aus Lakierwerkstätten hervorgegangenen Ar-
beiten keine — Risse.
Ferner bietet jede, auch die einfachste Unter-
malung Sicherheit.
Ein leichter Ton -— selbst Wasserfarbenunter-
tuschung — eine Terpentinfarbenuntermalung
dämpft den weissen Ton ab, macht ihn matt.
Die Untermalung ist nicht nur eine Erleichte-
rung, sondern auch eine Vorsichtsmassregel.
Wer also weiss, dass Schwarz und Krapplack
auf weissem Grunde reissen, der muss diesem
Umstand Rechnung tragen.
Merkwürdigerweise reissen die Farben nicht
mehr, wenn das Weiss lange Zeit ausgetrocknet
ist, weil dann die Einflüsse der Luft die weisse
Unterlage matt und unschädlich gemacht haben.
Zunächst aber müssen wir das Recht der Natur
anerkennen, denn die Natur hat immer Recht und
wenn sie nicht Recht bekommt, rächt sie sich.
Die Erfahrung und die Wissenschaft soll uns
vor Schaden bewahren und da kann uns die Praxis,
welche am wenigsten Mängel aufweist, eine Lehr-
meisterin sein.
Die Perspektive in der Bildnismalerei.
Von Theodor Wedepohl.
(t. Fortsetzung.)
C.
Fast von grösserer Bedeutung für die gute Wir-
kung des Bildes als der Horizont, obgleich weniger
leicht im Bilde erkennbar, ist der Abstand des Malers
vom Modell. Man kann den Horizont aufs beste ge-
wählt und altes genau und richtig gezeichnet haben,
und doch ist durch die ungünstige Wahl des Abstandes
(der „Distanz") ein geschmackloses Ergebnis erreicht.
— Wie sehr das Aussehen eines Gegenstandes durch
Veränderung des Abstandes beeinflusst werden kann,
lässt sich durch einen Versuch leicht feststellen. Man
skizziere dreimal einen ganz einfachen rechteckigen
Gegenstand nach der Natur, einen Stuhl, Tisch oder
auch nur eine Zigarrenkiste. Das erstemal nimmt man
den Abstand des Auges gleich der Grösse des Gegen-
standes. Als solche gilt die Entfernung seiner beiden
voneinander entferntesten Ecken. Das zweitemal nimmt
man die doppelte und das drittemal die dreifache
Entfernung. Zeigt man die Skizzen einem Unbefan-
genen, so wird er vermutlich die erste für „verzeichnet"
erklären, die dritte wird ihm weniger interessant, aber
doch harmonischer als die zweite erscheinen. Die
letzte zeigt den Gegenstand in anspruchsloser Weise,
während die zweite durch stärkere Plastik einen ge-
wissen Eindruck auf die Empfindung ausübt.
LionardodaVenci empfiehlt im Malerbuch. „Wenn
du einen Gegenstand zeichnen willst, so sei von ihm
dreimäl so weit entfernt, als er gross ist." Und er
hat recht, wenn man die Absicht hat, den Gegenstand
schlicht darzustellen und keine besondere Stimmung
hervorzurufen. Auch Verkürzungen sehen bei einem
so grossen Abstand nicht unwahrscheinlich aus, selbst
eine weit vorgestreckte Hand vergrössert sich per-
 
Annotationen