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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 11
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Malmaterialienkunde und Unterricht, [2]
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Die neuaufgedeckten Wandgemälde der Villa Item in Pompeji
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Patentiertes Maltuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0048

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44

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. n.

bis jetzt meist gewählt worden ist, nämlich aus der
Theorie auf die Praxis Schlüsse ziehen zu sollen.
Hillig hatte Gelegenheit, seine Methode in der
von ihm geleiteten Schule praktisch einzuführen und
hat im Jahre 1910 sein System in Form eines Buches
veröffentlicht, das betitelt ist: Grundzüge der Mal-
und Anstrichtechnik. Ein illustrierter Leitfaden
für die Materialienkunde des Malers, entwickelt aus
der technischen Praxis des Gewerbes. Für Lehrer
und Schüler der Malerfachklassen an allen gewerb-
lichen Unterrichtsanstalten. Von Hugo Hillig, Lehrer
an der Staat!. Kunstgewerbeschule zu Hamburg. (Ver-
lag des Verfassers, Hamburg 22. Preis 3.50 Mk.)
Das Buch ist jetzt in zweiter, neubearbei-
teter Auflage erschienen, bei der sich der Verfasser
der Mitarbeit des Chemikers Dr. Georg Lebbin in
Berlin bediente, schon deshalb, um Unrichtigkeiten bei
der wissenschaftlichen Erklärung der chemischen Vor-
gänge, wie sich solche bei der ersten Auflage einge-
schmuggelt hatten, nach Möglichkeit zu vermeiden.
Sehen wir nun näher zu, wie sich der Autor das
umfangreiche Gebiet der Maltechnik zurechtlegt:
Der erste Teil ist betitelt: Die Bindemittel
gliedern die Technik. Demnach geht er von der
Art der Bindemittel als Charakteristik der Malweise
aus und sondert die wässerigen Bindemittel (Kalk,
Wasserglas, Leim, Kasein) von den öligen Bindemitteln
(Oele und Lacke) und von den emulgierten Binde-
mitteln (Emulsion, Ei-, Leim-, Gummi- und Oeltempera).
(Schluss folgt.)
Die neuauigedeckten Wandgemälde der
Villa Ilern in Pompeji.
Einer der besten Kenner antiker Malkunst, der
Strassburger Prof. Dr. Franz Winter, führt in „Kunst
und Künstler" (Jahrg. X, Heft n) aus, dass es sich
bei den neuen Funden in Pompeji um eine vorstädtische
Villa handelt, deren Reste zufällig beim Ackern auf
einem Grundstück einige hundert Schritte jenseits der
Gräberstrasse vor dem Herculaner Tor zutage getreten
sind. Die Malereien schmücken einen grösseren, als
Triclinium eingerichteten Saal, dessen Lichtfülle den
Bildschmuck zu voller Geltung brachte. Da befindet
man sich in einer feierlichen Versammlung schöner
Gestalten, die in gehaltenem Ernste von den Wänden
herabschauen; 27 lebensgrosse Figuren in ringsum
laufendem Friese auf etwa meterhohem Sockel, dem
Betrachter fast beängstigend nahe, vor rotgefärbtem
Grunde, der als Vertäfelung gedacht ist. Die ganze,
nicht einheitlich ablaufende Darstellung zeigt im Haupt-
stück Dionysos im Schoss einer weiblichen Figur,
wahrscheinlich Ariadne, gelagert, rechts davon die
eigentümliche Zeremonie der Geisselung bei der Ein-
weihung junger Mädchen in die dionysischen Mysterien,
links das Gefolge des Gottes. Silene und jugendliche
Satyrn, und dazwischen ein flüchtendes Mädchen, das
erregt auf die Einweihungsszenen zurückblickt, in der
unter bewegter Teilnahme schon in den Kult einge-
führter Genossinnen ein Mädchen die Geisselung
empfängt. In den beiden Flügelgruppen sieht man
Frauen und Mädchen in ruhigem Beisammensein im
Fiauengemach, links die Herrin des Hauses vor einem
Tisch sitzend, von ihren Mädchen bedient, daneben
eine sitzende, die die Leseübung eines Knaben über-
wacht und grüssend zu einer zu Besuch eintretenden
Frau im Strassenanzug aufblickt. Rechts eine Schil-
derung mit Beziehung auf das Liebesieben, Frauen im
Beisein von Eroten; die eine schmückt sich, und die
Dienerin hilft ihr dabei, ein Eros hält ihr den Spiegel
vor, und eine andere sitzt tief in Gedanken versunken
da. Die weihevolle Stille des Bildes wird nur durch
die entsetzt Forteilende unterbrochen, die sich angst-
voll der Zeremonie entzieht; wie unwillig schaut ein

grotesk dicker Silen auf und unterbricht sein gieriges
Schlürfen aus dem grossen Weingefäss, das ihm ein
Kollege hinhält, und verwundert hält ein anderer Bock-
füssler im Leierspiel inne. Ein nacktes Mädchen, das
die Weihe schon empfangen hat, schlägt tanzend zu
dem eben sich vollziehenden Akte die Becken. Denn
gerade bückt sich das Mädchen, an dem die Geisse-
lung vorgenommen wird, in ergebungsvoller Hingabe
kniend an den Schoss einer sitzenden Frau und er-
wartet das Kommende. Das Geheimnisvolle geschieht.
Mit gewaltigem Flügelschlag schwebt ein göttliches
Wesen hernieder und schwingt die Geissei über das
Mädchen. Dessen Rücken hat die Sitzende, wie sie
in gespanntem Horchen das Rauschen der heran-
nahenden Erscheinung vernimmt, das Gewand leise
fortziehend entblösst und drückt den Kopf der Flie-
henden liebevoll an sich, während von rechts her
eine andere den Thyrsos über das Mädchen hält. Im
selben Augenblicke hat eine der Tempeldienerinnen
die Decke von dem mystischen Korbe gehoben und
dessen Inhalt enthüllt.
Etwas wie die Gruppe des fetten Silen und der
Satyrn, die geradezu an Velasquez erinnert, hat man
nach Winters Urteil bisher in der Antike nicht ge-
sehen. Während die Ausführung etwas oberflächlich
ist, hat die Darstellung selbst gerade in der Aus-
prägung charakteristischer und individuell lebendiger
Züge ihre besondere Eigenart. Die beiden Frauen,
unter deren Beistand der mysteriöse Akt der Ein-
weihung sich vollzieht, sind blasse Gestalten mit
schmalen Gesichtern, wie angegriffen von den Ueber-
reizungen im Dienste des Gottes. Winter erklärt das
Gemälde möglicherweise für die Kopie eines ausge-
zeichneten Vorbildes. Das Ganze scheint in der Er-
findung fast zu bedeutend, um als Originalschöpfung
eines Dekorationsmalers, zumal eines in der Provinz,
in Pompeji tätigen, gelten zu können. Die griechisch-
hellenische Kunst lernen wir ebenfalls hier in der
Grösse ihrer Auffassung und ihres Gesamtvortrages
von ganz neuen Seiten kennen und gewinnen von dem
monumentalen Schaffen der griechischen Malerei zum
ersten Male einen vollen Eindruck. Die Wandgemälde
der Villa Item werden bald zu den berühmtesten
Kunstwerken der Antike zählen.
(Münchener Neueste Nachrichten.)
Patentiertes Maltuch.
Unter den neuen Patenten findet sich auch das
folgende Maltuch eingetragen unte: D.R. P. Nr. 234971
vom 17. Juni 1911 für Emil Prem, Hannover (13. De-
zember 1912). , . .
Man stellte bisher Maltuch dadurch her, dass das
Gewebe mit dem Malgrund geschliffen oder das vom
Rohgewebe abstehende durch Scheren und Sengen
entfernt wurde. Im Gewebeinnern blieben aber eine
Menge Fasern gekrümmt und geknickt liegen, welche
beim fertigen Bilde Uebelstände zeitigten in Form
von Rissen, Sprüngen, Taubwerden und Abblättern
der Farbe. Gemäss vorliegender Erfindung kommt
ein Geu-ebe zur Verwendung, welches nach Patent
24:302 (Klasse 86 c) hergestellt ist, d. h. nur gestreckt
verwebte und dadurch gebundene Fasern hat, welche
sich also innerhalb der Grundierschicht nicht mehr
strecken können. Jede schädigende Appretur zur
Entfernung der Fasern fällt weg, das Spannen dieses
Gewebes darf straffer und auch das Einreiben der
Grundiermasse zur engen Verbindung mit dem Ge-
webe kräftiger sein. Patentanspruch: Maltuch, gekenn-
zeichnet durch die Verwendung eines Gewebes, bei
dem die Fasern im Gewebegeiiecht gestreckt gebunden
sind, so dass sie sich innerhalb der Grundierschicht
nicht mehr strecken können.
Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).
 
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