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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 7
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Struck, Hugo: Künstlerische Erziehung, [1]
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Katsch, Hermann: Kasein-Mörtel
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0032

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28

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 7.

getehrte und Naturforscher zugleich, wie Aristoteies,
Lionardo da Vinci, Leone Battista Aiberti, Atbrecht
Dürer, Goethe, Schopenhauer, ebenso wie der Professor
Brücke in Wien u. a. m., haben die schwierigsten Pro-
bteme theoretisch schriftlich bearbeitet, wodurch uns
das Studium und das Lernen erieichtert werden soii.
Aber nirgends wird den jungen Leuten Derartiges mit-
geteitt, weii es die wenigsten überhaupt wissen, dass
es so etwas gibt.
Stets waren die im Atter gereiften Meister darauf
bedacht, ihren Nachfolgern den Weg zu ebnen, ihnen
das Studium mehr verstandesgemäss zurechtzutegen,
um ihnen das unnötige und zeitraubende Setbsterfinden
und Suchen zu ersparen, und um ihnen immer mehr
Hitfsmitte) zur höheren geistigen Entwicketung zu be-
schaffen.
An anderer Leute Bitder kann man nichts ternen,
wenn man die Entstehungsgeschichte nicht kennt oder
nachweisen kann. Ein vottendetes Kunstwerk steht
ebenso wie die Natur fertig vor uns, und ihre Ent-
stehungsgeschichte witt erfunden sein oder wieder-
gefunden werden, wenn man von ihr etwas ternen witt.
Auch die geschickteste Praxis bringt das nicht
zutage.
Eine Kunst, die nicht auf einem systematisch ge-
ordneten, verstandesmässigen Verfahren beruht, ist
infotgedessen auch nicht beweis- und tehrfähig. In
atten Zeiten war man so ideat verantagt, dass man es
neidtos mit ansehen konnte, wenn der Schüter mehr
erreichte ats sein Meister, und die ganze Sorge war
darauf gerichtet, den Nachfotgern möglichst den Er-
folg zu sichern.
(Schtuss fotgt.)

Kasein-Mörtel.
Folgende Zeiten, die vietteicht manchem Kottegen
einen erwünschten Rat bringen, hat Herr Kottege
Herrn. Katsch uns freundtichst zum Abdruck über-
sandt :
In der Nummer der „Bauwett" III, 46, die mir so-
eben zugeht, erwähnt Herr Regierungs- und Baurat
Hasak in sehr freundlicher Weise, dass ich ihm ein-
mat aus einer Vertegenheit gehotfen habe, ats es sich
um die Bematung einer nicht vöttig ausgetrockneten
Wand handelte.
So sehr ich für die tiebenswürdige Erwähnung
und das meinem Bitde in der Berliner Reichsbank ge-
spendete Lob danken möchte, so bin ich doch, um
nicht mit fremden Federn geschmückt zu erscheinen,
gezwungen, eine kleine Berichtigung dazu zu schreiben,
die dadurch vietteicht ein altgemeineres Interesse ver-
dient, ats sie zugteich den Herren Kottegen, die in
die Lage kommen könnten, auf nicht ganz trockenem
oder teilweise nicht trockenem Putz zu malen, ein Ver-
fahren bekanntgibt, das ich angewendet habe. Denn
die Kaseinmaterei, von der Herr Hasak spricht, ist
nicht das von mir angewendete neue Verfahren, son-
dern der Putz. Die Kaseinmaterei hat woht Gesett-
schap nach tanger Zeit zuerst wieder angewendet, und
Ende der So er Jahre habe ich bei Nikotaus Geiger
in der Laterne der hiesigen St. Hedwigskirche und
bei den Rathausbitdern Mühtenbruchs damit gearbeitet.
Das Präparieren einer nicht gänztich trockenen Wand
musste ich bei den Bildern im Vestibüt der Reichsbank
deshalb ersinnen, weit ich gern vor Einbruch des
Winters fertig werden und dem trosttos dunkten De-
zemberhimmet der City nicht ausgetiefert werden
wottte. Ich tiess zu dem Zweck die ganze zu be-
malende Fläche, die an zahtreichen Stetten frisch aus-
gebessert war, mit einer dünnen Mörtetschicht über-
reiben, der Käse zugesetzt war. So konnte ich
unbesorgt die von der Reichsbankbauverwattung ver-

langte io jährige Garantie für Unverändertichkeit mei-
nes Bitdes geben, und der Erfotg hat mir recht ge-
geben. Dies Verfahren wurde auch in der Bonifatius-
kirche in der Yorkstrasse auf meinem Rat durch einen
Matermeister angewendet, ats durch einen Streik die
rechtzeitige Fertigstettung des Gotteshauses in Frage
gesteht worden war. Auch hier hat sich der Anstrich
der gewölbten Decke trotz des nassen Putzes tadettos
gehalten. Vietteicht dient dieser kteine Rat einmal
einem Kottegen in ähnlicher Lage.
Hermann Katsch.

Literatur.
Anatomische Wandtafeln für den Aktsaal. Von
Prof. Dr. August v. Froriep-Tübingen. Dar-
stellung der Muskulatur im bewegten
Körper. Neun Tafeln in halber Lebensgrösse.
Nach Präparaten von Prof. Dr. Friedr. W.
Müller. Unter Benützung von Gipsabguss,
Photographie und lebendem Modell gezeichnet
von Universitätszeichner H. Genter. Erklären-
der Text in vier Sprachen (lat., deutsch, franz.,
engl.). Leipzig 1911, Verlag von Joh. Ambro-
sius Barth. Preis in Rolle verpackt Mk. 2/.—.
Was für den Musiker der Kontrapunkt ist, ist für
den Figurenmaler die Kenntnis der menschlichen Ana-
tomie. Diese Kenntnis sich anzueignen, ist demnach
erste Aufgabe des Studiums in den Zeichenschulen
und Kunstakademien. Knochenbau und Muskulatur
des Menschen soll der Künstler nicht nur in Ruhe,
sondern ebenso in all ihren Bewegungsformen so ge-
nau kennen, dass er den menschlichen Körper auch
ohne Hilfsbücher, in freier Schöpfung oder nach dem
lebenden Modell anatomisch richtig wiedergeben kann.
Um dieses Studium zu erteichtern, haben wir eine
Reihe trefflicher Anatomien, speziell für Künstler, und
unter diesen zählt das Werk von Dr. Aug. Froriep,
Anatomie für Künstler, kurzgefasstes Lehrbuch der
Anatomie, Mechanik, Mimik und Proportionslehre des
menschlichen Körpers (Vertag von Breitkopf & Härtet,
Leipzig), das 1899 bereits in 3. verbesserter Auftage
erschienen ist, an erster Stette. Nunmehr hat der Ge-
lehrte „Anatomische Wandtafeln für den Aktsaal" her-
ausgegeben, die bezwecken sollen, dem Zeichnenden
im Aktsaal selbst hilfreiche Hinweise zu bieten, so
dass er sich mit Leichtigkeit über die Lage und Ver-
lauf der Muskulatur orientieren kann. Dieser Zweck
scheint mir in diesen Wandtafeln sehr gelungen, wenn
auch nicht verschwiegen werden mag, dass sowohi die
Stellung ats auch die Wahl des anatomischen Prä-
parates zu „zahm" ausgefatten ist. Trotz des beab-
sichtigten „bewegten Körpers" sind die Musketn zu
schtaff, der Körper zu schwächlich geraten. Es wäre
meiner Meinung nach besser gewesen, damit die Zeich-
nungen dem Leben ähnticher wirken, die Muskettätig-
keit, die Anspannung der Sehnen mehr hervorzuheben,
ats es geschehen ist. Dazu hätte freitich eine andere
Hauptstehung, die sich in allen Ansichten wiederholt,
besser getaugt. Auch witt es mir nicht einteuchten,
dass die eine Hand absichtlich so gesteht ist, um die
Schamteite züchtig zu verdecken. Im Aktsaat darf es
aber kein Genieren geben! Dies sind die einzigen
Einwände, die gegen das sonst so sorgfältig und ge-
wissenhafte Werk erhoben werden mussten, und das
atten Leitern von Kunstschuten zur Unterstützung für
das anatomische Studium aufs wärmste empfohlen
werden kann. B.

Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).
 
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