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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 2
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Wirth, Albert: Maltechnische Betrachtungen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0009

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München, 14. Okt. 1912.

Beiiage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint !4tägig unter Leitung von Maier Prof. Ernst Berger.

IX. Jahrg. Nr. 2.

Inhalt: Maitechnische Betrachtungen. Von Prof. Aib. Wirth-Beriin. (Schiuss.) — Die Perspektive in der
Biidnismaierei. Von Theodor Wedepohi. (i- Fortsetzung.) — Das „Deutsche Farbenbuch". Von
D. H. — Die chemische Erkennung aiter Gemälde.

Maltechnische Betrachtungen.

Von Prof. Aib.
Was sollen wir nun vom Handwerk lernen?
Das, was nie verioren gehen kann, wenn man
sich darum kümmert, das technische Arbeiten.
Sehen wir zunächst die Fehler an, damit wir sie
vermeiden lernen. Da brauche ich nicht weit zu
gehen.
Ein Blick auf die Türen in einem meiner
eigenen Räume in der Kgl. akad. Hochschule für
die bildenden Künste genügt.
Da ist der Lack auf einigen Türen durch und
durch gerissen und sehen die Füllungen aus,
wie — Menzels „Flötenkonzert".
Ursache ist sehr einfach: In jedem Kontrakt,
den ein Maler mit dem Bauherrn oder Architekten
abschliesst, steht ein Ablieferungstermin, dessen
Ueberschreitung Konventionalstrafe kostet.
Während des Baues waren drei Räume (die
meiner Klasse) bis zuletzt in Benützung, wurden also
zuletzt geräumt. Der Maler musste also schnell fertig-
machen zum Ablieferungstermin. Vorschrift war
einigemal Oelen, Lasieren, Lackieren. Ob nun über-
eiltes Fertigstellen oder sonstwas die Ursache war,
die unten autgestrichene Oelung war jedenfalls nicht
fest trocken, als der schnellertrocknende Lack
(Firnis) daraufkam als Schluss. Oft wird bei
solchen Oelungen ein Tag um den andern weiter-
gearbeitet. So war es auch hier. Die Zeit zum
Abliefern drängte, die Räume wurden bis zuletzt
benützt und schnell fertiggemacht. Die auf den
Türen sitzende Farblasur trocknete langsamer
aus und der darauf in zu kurzem Zeitraum auf-
getragene Lack schneller und fester und so
kamen die bis aufs Holz gehenden Risse,
während alle andern lackierten Türen tadel-
os sind.
Genau so ist es beim Bilde. Der zu früh ge-
gebene Schlussfirnis, das ungenügende Trocknen

Wirth-Beriin. (Schluss.)
der Untergründe unserer Malereien oder die An-
wendung schlecht trocknender Maibutter und Re-
tuschen bringen dasselbe hervor. Zehnmal geht
es gut — das elftemal reisst's.
Jeder Maler muss es sich zum Grundsatz
machen, vorsichtig nachzusehen, dass alles trocken
ist. Warum findet man so oft Kopien nach alten
Meistern durch und durch gerissen, während die
Originale jahrhundertelang tadellos blieben? Weil
der Kopist nicht die nötige Zeit und Sorgfalt
darauf verwendet, vielleicht gerade die letzten
acht Tage alles vergewaltigt hat. Geduld gehört
gerade dazu, ein altes Meisterwerk so zu kopieren,
dass es dem Originale nahe kommt.
Auch beim Lackierer, bei dem es kein Ge-
heimnis gab und keines verloren ging, finden
wir dasselbe Grundgesetz. Was muss eine Kutsche
aushalten — und wie hält die Farbe. So ein
Wappen auf einem Wagenschlag sieht aus wie
ein altes Bild. Hier ist genau derselbe Grund-
satz: unten mager — fett zuletzt. Die ersten
Aufträge sind meistens Terpentinfarben. Selbst
wenn der erste Lack aufgetragen wird — wird
er, ehe der zweite Auftrag kommt — geschliffen
und dadurch gewissermassen entfettet. Allerdings
hat der Lackierer den Vorteil, dass jeder An-
strich, den er schleift, hart ist, sonst kann er
nicht geschliffen werden.
Immerhin bleibt sein Grundsatz derselbe und
er richtet seine Anstriche so ein, dass sie fest
werden.
Das soll auch der Anstreicher tun, und wenn
er es nicht tut, so reisst ihm die Farbe eben
durch, was ein guter Beobachter oft finden kann.
Beim Handwerk finden wir, weil es einfacher
ist, die Ursache leichter.
Der Farbenauftrag beim Bilde ist kein so
 
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