Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

DOI Heft:
Nr. 21
DOI Artikel:
Friedel, Arthur: Die formalen Elemente des Gesichtes, [2]
DOI Artikel:
Urban, Hermann: Pflichten des Künstlers - Pflichten des Staates, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0088

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
84

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 2t.

Folge der Einwirkung des Muskels, ein Beispiel
von der ausserordentlichen Gesetzmässigkeit, die
bis ins Kleinste der Natur herrscht. Dieser
Muskel, der Herabzieher des Brauenkopfes, fasst
also den Brauenkopf von unten und zieht ihn
jederseits nach unten aussen; denn wie er im
Brauenkopf selbst endet, so ist er andererseits
am Schädel oberhalb des inneren Augenwinkels
befestigt. Seine Wirkung wird meist gemeinsam
mit dem bedeutend kräftigeren Augenbrauen-
runzler erfolgen, der so kräftig ist, dass er sich
am Schädel sogar eine eigene Fazette abschleift.
Er geht vom unteren Rand des Stirnbeines aus
und fügt sich in die Haut über der Brauenmitte
ein; die Stelle ist bei der Kontraktion deutlich
als Grübchen zu sehen. Sein unterer Rand über-
ragt den Knochenrand und liegt daher vor der
Augenhöhle. Ihm sind die senkrechten Falten
auf der Stirn zu Last zu schreiben. Manchmal
findet man diese Falten schon an jugendlichen
Köpfen, die dadurch etwas Ernstes, Sorgenvolles
im Ausdruck bekommen. Das braucht aber gar
nicht mit Sorgen zusammenzuhängen, ist vielmehr
ein Zeichen von angeborener Kurzsichtigkeit. Bei
dieser nämlich pflegen Kinder, die erst in spä-
teren Jahren zu einer Korrektur durch Augen-
gläser kommen, die Stirn instinktiv kraus zu ziehen,
weil dadurch, durch Mitwirkung auch noch an-
derer Augenmuskeln, die Sehschärfe um weniges
besser wird. So kann auch die Physiognomie
einmal täuschen.
Zu diesen beiden Muskeln jederseits, dem
Herabzieher des Brauenkopfes und dem Augen-
brauenrunzler, kann sich auch noch die Wirkung
eines fünften Muskels gesellen, der die Nasen-
wurzel und das Feld darüber, die sog. Glabella,
bedeckt. Daher nennt ihn auch H. Virchow den
Herabzieher der Glabella, während man ihn in
Lehrbüchern trotz seiner breiten fächerförmigen
Gestalt als den schlanken Muskel (m. procerus)
bezeichnet findet. Was macht dieser nun? Er
zieht auch noch die mittenüber zwischen den
Augenbrauen gelegene Haut abwärts und wirft sie
an der Nasenwurzel zu einer wagerechten Falte auf.
Diese drei Muskeln stehen nur im Dienste
beider Brauen; ausserdem haben aber noch Ein-
fluss auf sie einmal der schon erwähnte Augen-
ringmuskel, zum anderen der noch zu besprechende
Stirnmuskel. (Wird fortgesetzt.)
PAichten des Künstlers — Pflichten
des Staates. 11.
Der in Nr. 16 dieser Blätter unter obiger Auf-
schrift erschienene Artikel von Prof. Herrn. Ur-
ban ist in den Techn. Mitt. für Mal. zum Gegen-
stand einer Kontroverse geworden. Zur Klar-
stellung einer offenbar missverstandenen Bemer-
kung in seinem Artikel sendet uns Herr Prof.
Urban die folgende Zuschrift:

Zum Artikel: Kämmerer. Die künstlerische, soziale u.
wirtschaftliche Bedeutung einer Wissenschaft
der Maltechnik.
(Nr. 24, Technische Mitteilungen für Malerei.)
Herr Kämmerer schreibt: Ich kann der Mei-
nung Urbans, dass die Versuchsanstalt den Künst-
lern wenig nützt und wertlos wäre, nicht zu-
stimmen, vielmehr glaube ich, dass sie ausser-
ordentlich nützlich ist und durch die Arbeiten,
welche bisher gemacht worden sind, positive Re-
sultate erzielt hat.
Der Absatz in meinem Artikel „Pflichten des
Künstlers, Pflichten des Staates", Münchner Kunst-
technische Blätter Nr. 16, lautet: Die schon exi-
stierende chemische Versuchsanstalt für Maltech-
nik am Kgl. Polytechnikum nützt uns Künstlern
nur wenig, wie denn die allermeisten nicht ein-
mal wissen, dass eine solche überhaupt existiert.
Wie kommt sie auch dahin und wieso führt sie
den ganz unberechtigten Titel „Versuchsanstalt
für Maltechnik"? Sie kann doch nur „Versuchs-
anstalt für Materialienkunde in der bildenden Kunst"
heissen. Ganz gleich, welcher Leiter an der Spitze
dieser Anstalt steht, sie wird für den Künstler
wertlos sein, solange sie nicht an eine Atelier-
werkstatt in einem Kunstinstitut angegliedert
wird. Denn notwendig ist ein enges und ak-
tuelles Zusammenwirken von Künstler und Che-
miker, wobei jeder vom anderen lernen und diesen
wieder fördern kann. In wenigen Dezennien
könnte eine absolute Materialwissenschaft aufgebaut
werden.
Ich hätte, um Missverständnisse zu verhindern,
den Sinn, den ich dem Worte wertlos beilege,
näher präzisieren sollen — wertlos, solange der
studierende Künstler nicht zwangsweise die Vor-
träge der Versuchsanstalt für Maltechnik anhören
muss, was nur richtig zur Durchführung gebracht
werden kann, wenn dieses Institut der Akademie
angegliedert ist.
Ich schätze die Versuchsanstalt hoch ein, sie,
die seinerzeit durch Herrn Ad. Keims rastlose
Energie Körper angenommen hat, aber nicht min-
der das Positive, was wissenschaftlich auf dem
Gebiete der Malmaterialienkunde von ihrem, von
Anfang an tätigen, derzeitigen Leiter, Herrn Prof.
Eibner, geleistet wurde und wird.
Diese wertvollen Arbeiten kommen nicht ge-
nügend zur Kenntnis der Künstlerallgemeinheit
und im besonderen liegen sie für den Schüler
brach, solange eine Versuchsanstalt nicht in ein
Kunstinstitut eingereiht ist.
Warum dezentralisieren, was zentralisiert ge-
hört. Nur dann kann ein enges Zusammenwirken
von Werkstatt und Wissenschaft in der Zukunft
Grosses leisten, „eine absolute Erfahrungs-
wissenschaft."
Juni 1913. Herrn. Urban.
 
Annotationen