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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 5
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Berger, Ernst: Zur Neuausgabe von Leonardo da Vincis Traktat von der Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0021

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Manchen, 25. Wo?. 1912.

Beitage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint <4tägig unter Leitung von MaterProf. Ernst Berger.

!X. Jahfg. Nr. 5.

Inhalt: Zur Neuausgabe von Leonardo da Vincis Traktat von der Materei. — Die Fabrikation der Lacke. Von
Dr. W. Baringer. — Die Btasen- und Schaumbiidung im Leim und deren Nachteite. (Schluss.) —
Ueber Retuschierfirnis „Karma". — Hochglanzbronze für Konturen oder Entwürfe. Von J. Mai. —
Das Schreiben oder Maien auf Pappe. Von J. M.

Zur Neuausgabe von Leonardo da Vincis Traktat von der Maierei.

Zu den grössten Geistern, die die Renaissance-
zcit hervorgebracht hat, gehört entschieden Leo-
nardo da Vinci. Er ist zu jenen seltenen
Erscheinungen zu zählen, die von Natur aus
vielseitig begabt, nicht nur in dem von ihnen
erwählten Beruf ausserordentliches leisteten, son-
dern auch in allen anderen Zweigen der prak-
tischen Tätigkeit und des wissenschaftlichen For-
schens ihren Zeitgenossen weit vorausgeeilt waren.
Nicht bloss als Maler und Bildhauer, auch als
Ingenieur und Architekt war er tätig, baute
Kanäle und Festungen, erfand Maschinen, war
nebenbei eifriger Musiker, ein geistvoller Dichter
und Improvisator.
Eine seiner hervorragendsten Eigenschaften
war seine Gründlichkeit, mit der er allen Prob-
lemen nachging und über deren Lösung er nach-
grübelte, solange er lebte. Viele von seinen
Aufzeichnungen sind erhalten, noch mehr vielleicht
verloren gegangen oder nur in Abschriften aus
zweiter und dritter Hand auf uns gekommen.
Schon zu Lebzeiten Leonardos wussten manche
Zeitgenossen, dass er ein „Buch von der Malerei
und den menschlichen Bewegungen" geschrieben
hatte (Fra Luca Pacioli verbürgt dies im Jahre
1498). Leonardo führte vermutlich auch Teile
seiner Schriften mit sich, als er starb. Es wird
angenommen, dass deren Erbschaft an seinen
treuen sachverständigen Schüler Francesco
Melzi überging. Ein vollendetes Manuskript
scheint darunter nicht gewesen zu sein, sondern
Teilschriften, aus denen bald nach Leonardos
Tode versucht wurde, den „Traktat von der Ma-
lerei" zusammenzustellen, und die aus dem i6.
und 17. Jahrhundert stammenden Abschriften Leo-
nardischer Originalabhandlungen bildeten die

Grundlage für die tßO Jahre später erfolgten
ersten Ausgaben*).
Die umfangreichste und wertvollste Sammlung
von Abschriften des Traktats findet sich aber in
einem Kodex der vatikanischen Bibliothek (Codex
vaticanus No. 1270), der aus dem Besitze der
Herzoge von Urbino stammt, und - it grösster
Sorgfalt von Heinrich Ludwig (i. J. 1882) her-
ausgegeben wurde. Diese Arbeit des gelehrten
und durch sein theoretisches Wissen ausgezeich-
neten Malers hat erst den Reichtum der Leonar-
dischen Texte ins vollste Licht gesetzt und ihm
verdanken wir es, wenn wir heute besser als
vorher imstande sind, uns in dem oft schwer zu-
gänglichen Labyrinth leonardesker Diktion zurecht-
zufinden. An diese Ausgabe lehnen sich die
neueren Editionen an und sie ist auch der jüng-
sten zugrunde gelegt, die mit vielem Verständnis
und Sorgfalt Marie Herzfeld neu herausgegeben
und eingeleitet hat**).
Für unsere heutige Künstlergeneration, die
ganz und gar auf die Aeusserlichkeiten der Mache,
auf den Geschmack und das Feingefühl für Ton-
werte u. dgl. eingeübt ist, mag vielleicht vieles
in Leonardos Schriften konventionell oder ver-
altet erscheinen, aber der gründliche Forscher,
der die kleinsten Dinge der Natur studiert, alles
bedenkt, was für die Kunst des Malens wichtig

*) 165! erschien eine solche in italienischer Sprache
zu Paris; [786 die erste deutsche Uebersetzung von
Joh. Georg Böhm d. Aeit. in Nürnberg.
**) Leonardo da Vinci, Traktat von der Ma"
lerei. Nach der Uebersetzung von Heinrich Ludwig
neu herausgegeben und eingeleitet von Marie Herz-
feld. Vertag von Eugen Diederichs, Jena [909. Preis
geh. to Mk., geb. j2 Mk.
 
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