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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 22
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Berger, Ernst: Wiederauffindung der Technik antiker Wandmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0094

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9o

Münchner kunsttechnische Btätter.

Nr. 22.

Wiederaufßndung der Technik antiker
Wandmalerei.
Unter dieser Ueberschrift veröffentlicht die „Frankf.
Ztg." vom iS. Juni a. c. folgenden Artikel von Dr. Albert
Brach-Rom, der für die Frage der römisch-pompe-
janischen Technik von Interesse ist.
„Seit den Zeiten Raffaels und seiner Schüler
bildet die Frage der Technik antiker Wandmalerei
und der zur Erzielung der marmorartigen Härte und
Glätte der Wandflächen angewandten Methode ein
ungelöstes Geheimnis. Die Enkaustik, auf die man
lange diese Malweise zurückführen zu können glaubte
und von deren Anwendung die antiken Schriftsteller
wiederholt berichten, hat sich lediglich als eine am
Schluss der Bemalung angewandte Wachsdeckung gegen
Feuchtigkeitseinflüsse, aber niemals als ein zur Malerei
zu verwendendes Bindemittel erwiesen. Ebensowenig
konnte die Freskotechnik in Frage kommen, da
diese den stückweise präparierten nassen Kalkgrund
zur Voraussetzung hat, während sich aus den erhal-
tenen antiken Malereien ergibt, dass ihre Technik ein
beliebiges, von bestimmter Zeit ganz unabhängiges
Arbeiten zuliess und die Farben auf dem vorher bis
zur vollständigen Erhärtung präparierten und fertig
geglätteten Grunde nachträglich aufgetragen wurden.
Alle diesbezüglichen auf uns gekommenen Nachrichten
der antiken Schriftsteller stimmen hierin überein; trotz-
dem aber blieb die Frage nach der von den Alten
angewandten Technik bisher ungelöst, und die grösste
Schwierigkeit bestand gerade darin, dass alle Berichte
der Quellenschriften ausdrücklich von der der Be-
malung vorausgehenden Erhärtung und Polierung der
Wandflächen sprechen, die Malereien aber trotzdem
unter den letzteren zu liegen scheinen, wodurch gerade
die besondere Eigentümlichkeit und Schönheit der
antiken Wandmalereien erzielt wurde. Hieraus ergab
sich nun, dass das Geheimnis der von den Alten an-
gewandten Technik darin bestand, durch Prägnierung
der Wandflächen diesen die Aufnahmelähigkeit der
Bemalung zu ermöglichen und ihnen gleichzeitig die
marmorartige Härte und den Glanz dieses Materials
zu verleihen.
Es ist nun das Verdienst eines jungen deutschen
Malers, Rolf Hausmanns, durch langjährige in Rom
angestellte Versuche die so lange gesuchte antike
Maltechnik wiedergefunden zu haben. Auf der Basis
der alten Quellenschriften gelang es ihm, einen Modus
für die Zubereitung des Kalkes zu finden, der diesem
alle für eine solche Technik bedingten Eigenschaften
und Eigentümlichkeiten verlieh. Durch Zusatz einer
bestimmten organischen Substanz, deren Zusammen-
setzung vorerst noch das Geheimnis des Erfinders ist
und von deren Anwendung die meisten antiken Quellen-
schriften, ohne sie näher zu definieren, sprechen, auf
den Malgrund wird erzielt, dass sich der Charakter
des Kalkes verändert. Er nimmt schon während der
Präparierung des Grundes alle Eigenschaften des
Marmors an, sowohl seine steinerne Härte als auch
seine eisige Kälte und, was die Hauptsache ist, er er-
hält ohne Schwierigkeit den Spiegelglanz, diese Haupt-
bedingung und besondere Eigentümlichkeit der antiken
Wandmalerei. Es ergab sich somit eine Behandlungs-
möglichkeit des Kalkes, die zur Bestätigung der aus
frühesten Zeiten aui uns gekommenen Beschreibungen
und Nachrichten führte. Dabei ergaben die angestellten
Versuche die eigentümliche Eigenschaft des Malgrundes,
dass er nach Erreichung seines Spiegelglanzes und
trotz seiner steinartigen Härte bei entsprechender Be-
handlung die auf ihn gesetzten Farbentöne so auf-
nimmt, dass dieselben, genau wie bei den antiken
Originalen, sich der Oberfläche derartig einfügen, als
ob die vorausgegangene Politur nachträglich erfolgt
wäre.

Diese Resultate führen in selbstverständlicher
Weise zu all den verschiedenen uns aus den antiken
griechisch-römischen Wandmalereien entgegentreten-
den künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten, so dass
sich hieraus für die Monumentalmalerei unserer Zeit
neue und ungeahnte Ziele und Perspektiven heraus-
bilden. Es ist nun die Möglichkeit gegeben, an allen
Teilen und Ausdehnungen einer zu bemalenden Wand-
fläche gleichzeitig arbeiten zu können, ohne, wie bei
der Freskotechnik, gebunden zu sein, einzelne Teile
abhängig von anderen zum Abschluss bringen zu müssen,
wodurch eine Arbeit beliebig aufgenommen, weiter-
geführt und vollendet werden kann. Besonders fällt
dabei ins Gewicht die Zartheit und Feinheit der Farben^
und Linienführung und die grosse Freiheit in Benutzung
und Wahl der Pigmente als unbeeinflussbar von der
Einwirkung des Kalkes und die hierdurch ermöglichte
reichere Farbenskala. Ferner wird auch die Haltbar-
keit und Beständigkeit der antiken Wandmalereien
erreicht, ohne dass — wie angestellte Versuche er-
gaben — Witterungs- und Feuchtigkeitseinflüsse eine
zerstörende Wirkung ausüben können. Es ist sogar
erreicht worden, dass fast zerstörte und verblasste
antike Wandmalereien durch Zuführung der oben
erwähnten Substanz aufs Beste restauriert werden
konnten."
Nachschrift:
Mit den obigen Ausführungen möge das von Herrn
Rolf Hausmann in der Frage abgegebene Gutachten
in Nr. 14 des VIII. Jahrganges dieser Blätter verglichen
werden, in dem es heisst: „Die Stuccolustrotechnik
muss sich in ihrer Herstellung, bis auf wenige
Punkte, so mit der der pompejanischen Tek-
torien decken, dass es bei dieser ihrer engen
Verwandtschaft mit derselben tatsächlich erstaun-
lich ist, dass auch heute hier in Italien, der Heimat
dieser Technik, die pompejanische Malerei wie ein
verlorenes und nicht wieder aufzufindendes „Secreto"
betrachtet wird."
Die mir von Herrn Hausmann vor einiger Zeit
übersandten Proben sind in der Tat sehr fest und
glänzend glatt, sie ähneln in ihrer Erscheinung manchen
römischen Stuckmalereien. Im Interesse der völligen
Aufklärung wäre es aber wohl erwünscht, wenn Herr H.
sich entschliessen würde, die Stellen der antiken
Schriftquellen namhaft zu machen, die ihm zur Basis
seiner Annahme gedient haben, und wenn er die
mysteriöse Zubereitung des Kalkes sowie der orga-
nischen Substanz, von deren Zusammensetzung „die
meisten antiken Quellenschriften, ohne sie
näher zu definieren, sprechen", näher bezeichnen würde.
Wozu denn dieses Geheimtun? E. B.
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In A. Hartlebens Verlag, Wien und Leipzig,
ist erschienen:
Die Art, Behandlung und Wiederherstellung
der
01-, Tempera- und Freskogemälde
sowie der
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Von
Ludwig Kainzbauer.
Mit 32 Abbildungen.
Preis geh. M. 2.—.

Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).
 
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