Nr. i2
Münchner kunsttechnische Blätter.
47
Achse horizontal, betrachtet, wodurch die Zeich-
nung in die Länge gezogen erscheint, der Eindruck
entsteht, als ob diese Werke späterer Zeit an-
gehörten.
Am deutlichsten ist die Rückbildung des astig-
matischen Längsbildes auf dem Selbstporträt
(Titelbild bei Mayer), das Greco etwa in den
sechziger Jahren zeigt (im Besitz von Beruete,
oben erwähnt), mit Hilfe des konvex-zylindrisch
geschliffenen Glases zu beobachten; denn der
Kopf ist hier unverhältnismässig lang, mit spitzem
Schädel, entsprechend langer Nase usw. Durch
das Korrektionsglas (Achse vertikal) wird der
Kopf mit einem Mal ganz normal, die Stirne tritt
richtig zurück, die Kopfbreite entspricht der all-
gemeinen Form, die Ohren, die zuerst ganz un-
möglich zu sitzen scheinen, bekommen die Lage,
die ihnen gebührt usw.
Es ist wohl anzunehmen, dass auch bei an-
deren Malern, wenn auch glücklicherweise in
seltensten Ausnahmen, Fälle von Astigmatismus
Vorkommen, aber ein so in die Augen springen-
der wie bei Greco ist bis jetzt nicht bekannt
geworden. E. B.
Malmaterialienkunde und Unterricht.
Von D. H. (Schluss.)
Die einzelnen Grundmaterialien werden genau be-
schrieben, auch ihr chemisches Verhalten beimTrocknen,
z. B. beim Kalk, erörtert, die Zweckmässigkeit der An-
wendungsform wird eingehend geschildert, Rezepte
sind reichlich mitgeteilt.
Im zweiten Teil finden wir die Farbstoffe, und
zwar nach ihrer chemischen Herkunft gruppiert, weil
„diese in der Regel die Erklärung gibt für das Ver-
halten der Farbstoffe in der technischen Anwendung".
Diese Anordnung ist jedenfalls die natürliche und von
vornherein übersichtlicher, als wenn die Farbstoffe in
weisse, gelbe, rote, grüne usw. eingeteilt werden; sie
ist auch der in neueren Büchern gewählten Gruppie-
rung in Normal- und Nichtnormalfarben, oder wie es
auch mitunter heisst, in „Normalhauptpigmente" und
„Normalnebenpigmente" entschieden vorzuziehen Denn
der Begriff „Normalfarbe" kann sich nur auf die in
einer bestimmten Technik verwandten Farbstoffe be-
ziehen, so dass eine Farbe für Leimtechnik oder
Wasserfarbe normal sein kann, für Oel- oder Kalk-
malerei aber nicht. Ueberdies sind die Ansichten
über Normalfarben noch schwankend*).
Hillig teilt die Farbstoffe in anorganische und
beschreibt je nach den Elementen, die die färbende
Substanz abgibt, die Farben, die Blei, Zink, Eisen,
Kupfer, Quecksilber, Kobalt, Antmion, Chrom, Mangan,
Kalzium, Barium, Schwefel, Kohlenstoff u. a. enthalten,
dann die organischen Farben pflanzlichen und tie-
rischen Ursprungs, endlich die Teerfarbstoffe.
An dieser Anordnung Hesse sich nur aussetzen,
dass zwischen natürlichen und künstlich hergestellten
Farbstoffen nicht genügend unterschieden wird.
Diesem Abschnitt schliesst der Autor noch ein
Kapitel über das Verhältnis zwischen Bindemittel und
Farbstoff nebst den Prüfungsmethoden (Verstreichbar-
*) Bis jetzt hat z. B. Bleiweiss als Normalfarbe ge-
golten. Neuestens wird (Techn. Mitteil. f. Mal. XXIX,
Nr. 28) gesagt: „Bleiweiss ist keine Normalfarbe, aber
eine Grundfarbe."
keit, Ausgiebigkeit, Feinheit des Korns, Färbevermögen)
an, dann die Liste der verträglichen und unverträg-
lichen Farbstoffe sowie die Bestimmungen über Gift-
farben nach den Gewerbeordnungen von Deutschland
und Oesterreich.
Den weitaus grössten Raum des Buches nimmt
der dritte Teil ein. Unter dem Titel „Nach Material
und Zweck richtet sich die Technik" beschreibt
hier der Verfasser alles, was für die Technik der
Malerei, den Aufbau der Schichten von der Grundie-
rung bis zur letzten Firnisschicht wichtig ist. Er geht
auf die Prozesse des Trocknens, auf physikalische und
chemische Vorgänge, auf Veränderungen der Schichten
(Kleben, Rissigwerden, Blauanlaufen, Nachdunkeln,
Bleichen usw.) sehr genau ein, er beschreibt die op-
tischen Gesetze der Farben (Glanz, Spektralfarben,
Schillerfarben u. a.) und auch die übrigen Eigenschaften
des Farbenmaterials (Löslichkeit, Wetterfestigkeit,
Säurefestigkeit, Hitzebeständigkeit, Feuerfestigkeit)
werden behandelt. Dabei werden die Schäden (Rost,
Wandfeuchtigkeit, Schimmelbildung) und die Mittel,
die dagegen Anwendung finden, erörtert.
Ein letzter, vierter Teil enthält die Beschreibung
einzelner dekorativer Techniken, die neuererzeit
Verwendung finden (Tupfen, Spritzen, Wickeln, La-
sieren, plastische Aufträge, Velourtechnik) und das
Wichtigste über Vergolden, Bronzieren sowie das
Schablonieren.
Man sieht aus dieser kurzen Uebersicht, dass
kaum eine Frage der Maltechnik übergangen wird, ja
selbst vor schwierigeren Problemen schreckt der Ver-
fasser nicht zurück, mitunter freilich in einer Form,
die mit dem „Bildungsgrad" eines einfachen Anstreicher-
lehrtings schwer vereinbar sein dürfte.
Aber das Zugeständnis muss dem Verfasser ge-
macht werden, dass ihm der Versuch, ohne die Kennt-
nisse in der Chemie oder der Physik bei seinen Lesern
vorauszusetzen, das schwierige Gebiet der Maltechnik
in allen seinen Verzweigungen doch allgemein ver-
ständlich dargestellt zu haben, gelungen ist.
Ein Beweis dafür, dass seine Fachgenossen der
gleichen Ansicht sind, ist in dem Umstand zu ersehen,
dass Hiltigs Buch in den meisten Handwerker-, Kunst-
gewerbe-und gewerblichenFortbildungsschulenDeutsch-
lands offiziell eingeführt ist und so zur Vorbereitung
der Kenntnis aller chemischen und physikalischen
Vorgänge bei der Mal- und Anstrichtechnik beizu-
tragen berufen scheint.
Es ist dies ein Erfolg des Systems der innigen
Verbindung des praktischen Unterrichts mit theo-
retischer Durchdringung des Lehrstoffes, wie es nicht
nur für die kunstgewerbliche Ausbildung, sondern
ebenso für die Ausbildung des Künstlers wünschens-
wert ist.
Zum Picasso-Rummel*).
Ein Gespräch in der Picasso-Ausstellung der
modernen Galerie.
A. : Soll das auch Kunst sein, was uns hier aufgetischt
wird? Dieses Aneinanderreihen von Strichen und
gekurvten Linien, von Drei- und Vierecken ohne
jeden Zweck für die Bildwirkung. Gedanken sollen
hier ausgedrückt werden durch gedankenloses Wieder-
holen gleicher Sinnlosigkeiten! Ja, sag' doch nur,
was das heissen soll?
B. :--
A.: Da sind doch die Neos und Ultras mit ihrem Ku-
bismus und Futurismus noch eher zu verstehen, weil
sie doch mit den unumgänglichen und möglichen
*) Wir erhalten diesen Beitrag von einem Freunde
dieser Blätter mit dem Bemerken, dass obiges Ge-
spräch fast wörtlich so geführt worden sei. E. B.
Münchner kunsttechnische Blätter.
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Achse horizontal, betrachtet, wodurch die Zeich-
nung in die Länge gezogen erscheint, der Eindruck
entsteht, als ob diese Werke späterer Zeit an-
gehörten.
Am deutlichsten ist die Rückbildung des astig-
matischen Längsbildes auf dem Selbstporträt
(Titelbild bei Mayer), das Greco etwa in den
sechziger Jahren zeigt (im Besitz von Beruete,
oben erwähnt), mit Hilfe des konvex-zylindrisch
geschliffenen Glases zu beobachten; denn der
Kopf ist hier unverhältnismässig lang, mit spitzem
Schädel, entsprechend langer Nase usw. Durch
das Korrektionsglas (Achse vertikal) wird der
Kopf mit einem Mal ganz normal, die Stirne tritt
richtig zurück, die Kopfbreite entspricht der all-
gemeinen Form, die Ohren, die zuerst ganz un-
möglich zu sitzen scheinen, bekommen die Lage,
die ihnen gebührt usw.
Es ist wohl anzunehmen, dass auch bei an-
deren Malern, wenn auch glücklicherweise in
seltensten Ausnahmen, Fälle von Astigmatismus
Vorkommen, aber ein so in die Augen springen-
der wie bei Greco ist bis jetzt nicht bekannt
geworden. E. B.
Malmaterialienkunde und Unterricht.
Von D. H. (Schluss.)
Die einzelnen Grundmaterialien werden genau be-
schrieben, auch ihr chemisches Verhalten beimTrocknen,
z. B. beim Kalk, erörtert, die Zweckmässigkeit der An-
wendungsform wird eingehend geschildert, Rezepte
sind reichlich mitgeteilt.
Im zweiten Teil finden wir die Farbstoffe, und
zwar nach ihrer chemischen Herkunft gruppiert, weil
„diese in der Regel die Erklärung gibt für das Ver-
halten der Farbstoffe in der technischen Anwendung".
Diese Anordnung ist jedenfalls die natürliche und von
vornherein übersichtlicher, als wenn die Farbstoffe in
weisse, gelbe, rote, grüne usw. eingeteilt werden; sie
ist auch der in neueren Büchern gewählten Gruppie-
rung in Normal- und Nichtnormalfarben, oder wie es
auch mitunter heisst, in „Normalhauptpigmente" und
„Normalnebenpigmente" entschieden vorzuziehen Denn
der Begriff „Normalfarbe" kann sich nur auf die in
einer bestimmten Technik verwandten Farbstoffe be-
ziehen, so dass eine Farbe für Leimtechnik oder
Wasserfarbe normal sein kann, für Oel- oder Kalk-
malerei aber nicht. Ueberdies sind die Ansichten
über Normalfarben noch schwankend*).
Hillig teilt die Farbstoffe in anorganische und
beschreibt je nach den Elementen, die die färbende
Substanz abgibt, die Farben, die Blei, Zink, Eisen,
Kupfer, Quecksilber, Kobalt, Antmion, Chrom, Mangan,
Kalzium, Barium, Schwefel, Kohlenstoff u. a. enthalten,
dann die organischen Farben pflanzlichen und tie-
rischen Ursprungs, endlich die Teerfarbstoffe.
An dieser Anordnung Hesse sich nur aussetzen,
dass zwischen natürlichen und künstlich hergestellten
Farbstoffen nicht genügend unterschieden wird.
Diesem Abschnitt schliesst der Autor noch ein
Kapitel über das Verhältnis zwischen Bindemittel und
Farbstoff nebst den Prüfungsmethoden (Verstreichbar-
*) Bis jetzt hat z. B. Bleiweiss als Normalfarbe ge-
golten. Neuestens wird (Techn. Mitteil. f. Mal. XXIX,
Nr. 28) gesagt: „Bleiweiss ist keine Normalfarbe, aber
eine Grundfarbe."
keit, Ausgiebigkeit, Feinheit des Korns, Färbevermögen)
an, dann die Liste der verträglichen und unverträg-
lichen Farbstoffe sowie die Bestimmungen über Gift-
farben nach den Gewerbeordnungen von Deutschland
und Oesterreich.
Den weitaus grössten Raum des Buches nimmt
der dritte Teil ein. Unter dem Titel „Nach Material
und Zweck richtet sich die Technik" beschreibt
hier der Verfasser alles, was für die Technik der
Malerei, den Aufbau der Schichten von der Grundie-
rung bis zur letzten Firnisschicht wichtig ist. Er geht
auf die Prozesse des Trocknens, auf physikalische und
chemische Vorgänge, auf Veränderungen der Schichten
(Kleben, Rissigwerden, Blauanlaufen, Nachdunkeln,
Bleichen usw.) sehr genau ein, er beschreibt die op-
tischen Gesetze der Farben (Glanz, Spektralfarben,
Schillerfarben u. a.) und auch die übrigen Eigenschaften
des Farbenmaterials (Löslichkeit, Wetterfestigkeit,
Säurefestigkeit, Hitzebeständigkeit, Feuerfestigkeit)
werden behandelt. Dabei werden die Schäden (Rost,
Wandfeuchtigkeit, Schimmelbildung) und die Mittel,
die dagegen Anwendung finden, erörtert.
Ein letzter, vierter Teil enthält die Beschreibung
einzelner dekorativer Techniken, die neuererzeit
Verwendung finden (Tupfen, Spritzen, Wickeln, La-
sieren, plastische Aufträge, Velourtechnik) und das
Wichtigste über Vergolden, Bronzieren sowie das
Schablonieren.
Man sieht aus dieser kurzen Uebersicht, dass
kaum eine Frage der Maltechnik übergangen wird, ja
selbst vor schwierigeren Problemen schreckt der Ver-
fasser nicht zurück, mitunter freilich in einer Form,
die mit dem „Bildungsgrad" eines einfachen Anstreicher-
lehrtings schwer vereinbar sein dürfte.
Aber das Zugeständnis muss dem Verfasser ge-
macht werden, dass ihm der Versuch, ohne die Kennt-
nisse in der Chemie oder der Physik bei seinen Lesern
vorauszusetzen, das schwierige Gebiet der Maltechnik
in allen seinen Verzweigungen doch allgemein ver-
ständlich dargestellt zu haben, gelungen ist.
Ein Beweis dafür, dass seine Fachgenossen der
gleichen Ansicht sind, ist in dem Umstand zu ersehen,
dass Hiltigs Buch in den meisten Handwerker-, Kunst-
gewerbe-und gewerblichenFortbildungsschulenDeutsch-
lands offiziell eingeführt ist und so zur Vorbereitung
der Kenntnis aller chemischen und physikalischen
Vorgänge bei der Mal- und Anstrichtechnik beizu-
tragen berufen scheint.
Es ist dies ein Erfolg des Systems der innigen
Verbindung des praktischen Unterrichts mit theo-
retischer Durchdringung des Lehrstoffes, wie es nicht
nur für die kunstgewerbliche Ausbildung, sondern
ebenso für die Ausbildung des Künstlers wünschens-
wert ist.
Zum Picasso-Rummel*).
Ein Gespräch in der Picasso-Ausstellung der
modernen Galerie.
A. : Soll das auch Kunst sein, was uns hier aufgetischt
wird? Dieses Aneinanderreihen von Strichen und
gekurvten Linien, von Drei- und Vierecken ohne
jeden Zweck für die Bildwirkung. Gedanken sollen
hier ausgedrückt werden durch gedankenloses Wieder-
holen gleicher Sinnlosigkeiten! Ja, sag' doch nur,
was das heissen soll?
B. :--
A.: Da sind doch die Neos und Ultras mit ihrem Ku-
bismus und Futurismus noch eher zu verstehen, weil
sie doch mit den unumgänglichen und möglichen
*) Wir erhalten diesen Beitrag von einem Freunde
dieser Blätter mit dem Bemerken, dass obiges Ge-
spräch fast wörtlich so geführt worden sei. E. B.