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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 4
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Berger, Ernst: Neue Gutachten über die römisch-pompejanische Wandmaltechnik, [9]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0017

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Manchen, H. Nov. 19:2.

Beilage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint 14tägig unter Leitung von Maler Prof. Ernst Berger.

IX. Jahrg. Nr. 4.

Inhalt: Neue Gutachten über die Technik der römisch-pompejanischen Wandmalerei. VI. Mitgetelit von E. B.
— Die Perspektive in der Bildnismalerei. Von Theodor Wedepohl. (Schluss.) — Ein Meisterwerk der
Anatomie. Von Fritz-Philipp Schmidt. (Schluss.) — Die Blasen- und Schaumbildung im Leim und
deren Nachteile. — Zustände in französischen Museen.

Neue Gutachten über die Technik der römisch-pompejanischen Wandmalerei. VI.
Mitgeteilt von E. B.

In der gleichen Angelegenheit schreibt Herr
Kollege Ed. Deventer, Berlin-Zehlendorf:
„Stets habe ich mit grösstem Interesse Ihre
wertvollen Abhandlungen über technische Fragen,
so insbesondere über die der pompejanischen
Wandmalereien verfolgt.
Seit Jahren reibe ich selbst meine Farben
auf dem Stein und möchte heute auch nicht mit
den besten Tubenfarben tauschen, denn das Binde-
mittel wird immer das Bedeutendere bleiben und
keiner hat das wohl mehr erkannt als der grosse
Genius Böcklin.
Nach einem Zeitraum von 20 Jahren war ich
wieder auf etliche Tage in Pompeji und im Na-
tionalmuseum zu Neapel. Neben der hohen
künstlerischen Kultur, die aus allen diesen wunder-
baren Malereien spricht, konnte ich meine Ver-
mutungen bezüglich der Technik an Ort und
Stelle auf die Probe stellen. Es war mir nicht
anders möglich, als festzustellen, dass die ganze
Malweise weder mit Fresko- noch mit Wachs-
malerei etwas zu tun hat, sondern dass es nur
eine stuccolustroartige Technik in Verbindung
mit einer besonderen Art von Tempera sein kann.
Die Art des Auftrages, der Pinseldrucke und
-ausläufe, der dünnen und der dicken gedeckten
Farben lassen auf eine leicht traktable Mischungs-
flüssigkeit schliessen. Besonders kann man an
vielen Malereien noch heute eine schaumartige,
mit winzig kleinen Bläschen*) aufgetragene Deck-
farbe beobachten, im Gegensatz dazu die ganz
dünnen Abtönungen der Htntergründe.
Als Weiss scheint eine dem Kalk ähnliche

*) Seifenartige Beimischung zur Tempera: etwa
Meerlauge mit einem fettigen Harz.

Materie verwendet worden zu sein, jedenfalls
hat es eine ganz besondere Deckkraft besessen,
um damit jenen eigentümlichen, flotten und doch
recht kräftigen Auftrag ausführen zu können. Bei
den blassgrünen und violetten Gewändern zeigen
diese deckenden Töne einen Charakter, wie man
sonst nur an mit Kalk gemischten Farben beob-
achten kann. Der tiefe sonnenverbrannte kupfer-
braune Fleischton an Männerkörpern ist kräftig
deckend, dabei doch flüssig aufgetragen, teilweise
wie eine aufliegende Glasur, vielleicht eine ein-
heimische Erdfarbe.
Ausser an Gemälden ist es lehrreich, die ge-
werbsmässige Behandlung des einfachen Anstrichs
zu beobachten*), z. B. in einem Hause eine dia-
gonale Wellenlinienverzierung eines Sockels, mit
schwarzer Farbe und mit einem Streichpinsel
äusserst flüssig in Wellenbewegung auf weissem
Grund aufgetragen, und zwar immer in einem
Zug von oben nach unten. Der Farbenauftrag
ähnelt in Durchsicht und Dicke den mit Kleister-
farben hergestellten Vorsatzpapieren. Um das
herstellen zu können, muss entweder der Unter-
grund noch feucht sein oder vorher durchnässt
werden oder die Malflüssigkeit muss entsprechend
lange nass bleiben.
Je nach dem Künstler und der Wertbemessung
der Malerei bringt die Technik Abweichungen,
mal in feinerem dünnen, mal in stärker und grö-
berem Farbenauftrag, hier mehr ins matte, dort
mehr ins glänzende gehend. Dass man nach
Vollendung Wachs als Schutzdecke verwendete,

*) In München bestand eine Technik mit Leim-
farbe und Wachsbeimischung, welche nach demTrocknen
mit Handbürsten halbglänzend gebürstet wurden.
 
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