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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 8
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Berger, Ernst: Neue englische maltechnische Literatur, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0033

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HBachen, 6. Jam. 1913.

Beilage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Prof.Ernst Berger.

IX. Jahrg. Nr. 8.

Inhait: Neue engiische maitechnische Literatur. Von E. B. — Künstierische Erziehung. Von Hugo Struck.
(Schiuss.) — Ueber neuzeitiiche Techniken im Maier- und Anstreichergewerbe. Von Ch. Mangoid.
— Literatur.

Neue englische maitechnische Literatur.
Von E. B.

Lange bevor wir in Deutschland unsere Auf-
merksamkeit auf Schriften früherer Zeitperioden
richteten, die uns Kunde von den Maiweisen un-
serer Vorgänger zu bringen imstande sind, ist
man in England damit beschäftigt gewesen, diese
Manuskripte zu sammeln und der Oeffentlichkeit
zugänglich zu machen. Es war die Zeit, da man
bei uns, durch die grosse Bautätigkeit des kunst-
sinnigen bayerischen Königs Ludwig I. veraniasst,
begann, die monumentale Malerei wieder neu zu
beleben und zu diesem Zwecke alte Methoden
der Technik, vor allem die Enkaustik des Alter-
tums und die Freskomalerei der Renaissancezeit,
hervorzog. Aber während wir uns mit allerlei
Rekonstruktionen abmühten, ging man in England
gründlicher zuwege und suchte in alten Manu-
skripten die Fäden wiederzufinden, die durch
Mangel an einer Tradition verloren gegangen
waren.
Es ist in erster Linie das Verdienst einer
Frau, der Mrs. M. P. Merrifield gewesen, die
zahlreichen und überall zerstreuten Angaben über
alte Technik zu sammeln und in Druck zu legen.
Ihr erstes Buch war eine Ausgabe von Cennino
Cenninis Traktat von der Malerei (1844), bald
darauf erschien (1846) „The Art ofFresco Pain-
ting", in dem sie alle Angaben über altitalienische
und spanische Freskomalerei gesammelt hatte,
und im Jahre 1849 folgte das grosse grund-
legende Werk, das die wichtigsten Originalabhand-
lungen vom 12. bis zum 18. Jahrhundert nebst
Uebersetzungen, Noten und einer allgemeine Ein-
leitung in zwei dicken Bänden enthält*). Dieses
*) Mrs. M. P. Merrifield, Ancient Practice of
Painting. Original Treatises dating from the XIIth to
XVIII th centuries on the Arts of Painting in oil, mi-
niature, mosaic and on glass. 2 Bände. London 1849.

umfassende Werk, als Arbeit einer hochgebildeten
Dame schon durch die Beherrschung des sprach-
lichen Teiles bewundernswert, ist bis heute nicht
überboten worden.
Fast gleichzeitig hatte der Maler und spätere
Direktor der Londoner Nationalgalerie, Ch. L.
Eastlake sein vielbeachtetes Werk verfasst,
dessen erster Band (1847) der Geschichte der
Oeltechnik gewidmet ist*), während im zweiten
Bande die verschiedenen Anwendungsweisen zur
Blütezeit der italienischen und flandrischen Malerei
eingehend gewürdigt sind.
Welchen Einfluss die obenerwähnten Werke
der Mrs. Merrifield auf die künstlerische Produk-
tion ihrer Landsleute ausübten, kann aus der
Gründung der Brüderschaft der „Prae-Raphaeliten"
ersehen werden, die sich in ihrer Technik direkt
an die alten Malweisen, wie sie Cennini beschreibt,
anschlossen. Auch die Wiederbelebung der Fresko-
malerei in zahlreichen Gemälden des neuerrichteten
Parlamentsgebäudes in London ist auf Merrißelds
Initiative zurückzuführen.
Inzwischen sind Jahrzehnte vergangen, das
Interesse an den alten Quellenschriften hat sich
überall vertieft, sowohl diesseits als auch jenseits
des Kanals, dazu kam noch der Einfluss, den
chemische Forschungen auf die Farbenerzeugung
und Prüfung alter Malereien ausübte, so dass es
nicht wundernehmen kann, neuen bedeutsamen
Arbeiten auf diesem Gebiete zu begegnen.
Wieder steht in erster Linie das weibliche
Geschlecht, das die Schwierigkeiten philologischer
Natur mit einer gewissen Leichtigkeit oder —
*) Materials for a History of Oilpainting. 2 Bände.
London 1847 und j869. Eine deutsche Uebersetzung
ist von Dr. J. Hesse vor einigen Jahren besorgt worden
(Hartlebens Verlag, Wien und Leipzig 1907).
 
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