Manchen, 1. Sept. 1913.
Beitage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Prof. Ernst Berger.
!X. Jahrg. Nr. 23.
Inhalt: Das Iliuminierbuch des Vaientin Boitz von Rufach. Von M. St. — Winke für Aquareitmaier. Von
Ch. Mangoid. (Fortsetzung). — Neue Patente. — Fachiiteratur.
Das Illuminierbuch des Valentin Boitz von Ruiach*).
Unter den in deutscher Sprache verfassten
Maierbüchern nimmt das „Iiiuminierbuch" eine
hervorragende Steile ein. Neben einem kleinen in
Augsburg 1535 gedruckten „Kunstbuchlin", das
ausser wenigen Farbenrezepten hauptsächlich An-
gaben für Gold- und Waffenschmiede enthält, ist
das Illuminierbuch des Boitz das älteste in deut-
scher Sprache, ausschliesslich für Maler bestimmte
Druckwerk, und seine Bedeutung für die damalige
Zeit kennzeichnet sich schon durch die grosse
Zahl von Auflagen, die seit dessen erstem Erscheinen
i. J. 1549 bis 1688 erschienen sind und Zeugnis
dafür ablegen, wie gesucht dieses Kunstbüchlein
gewesen sein mag. Bis dahin waren wohl Auf-
schreibungen vorhanden, sie gingen von Hand zu
Hand und von Werkstatt zu Werkstatt, vielfach
nur als Notizen für den eigenen Gebrauch bestimmt
und von gar manchen wurden solche Aufzeich-
nungen als wertvolles Eigentum betrachtet, das
nicht allgemein bekannt gemacht werden dürfte.
Das Zunftwesen der Zeit verbot sogar solch ein
die Genossen schädigendes Vorgehen. Um so
grösser erscheint das Wagnis des Boitz von Ru-
fach, ein Buch in Druck zu geben, das jedem
Kunstbeflissenen zugänglich sein sollte und alles
enthielt über die Art, die Farben zu bereiten, zu
mischen und aufzutragen, und dessen Inhalt „allen
Brieffmalern, sampt anderen solcher Künstler lieb-
haber nützlich und gut zu wissen" bestimmt war.
Kulturhistorisch interessant ist es, die Ent-
*) Sammlung maltechnischer Schriften, Bd. IV. Illu-
minierbuch, Wie man allerlei Farben bereiten,
mischen und auftragen soll. Allen jungen angehenden
Malern und Illuministen nützlich und förderlich. Durch
Valentinum Boitz von Rufach. Nach der ersten
Auflage von 1549 mit Einleitung und Anmerkungen
im Register versehen von Dr. C. J. Benziger in Bern.
Verlag von Georg D. W. Callwey, München :9t3. Preis
geh. M. 3.—, geb. M. 4.—.
schuldigung einzusehen, die Boitz deshalb gleich
in seiner Vorrede zum besten gibt, denn es würden
sich, wie er sagt, gewiss „etliche missgünstige
neidige Künstler wider diss meyn einfältig an-
leitung in die Illuminierung sehr bekümmern,
als ob ihnen deshalb etwas abbruchs ihrer Nah-
rung darus folgen würdt", und er gibt diesen
dann zur Antwort, dass ihn nur die Absicht ge-
leitet habe, durch Verbreitung der Anweisungen
der Kunst zu dienen und andere Illuminierer zu
veranlassen, durch ihre Erfahrungen das Werk
zu verbessern, das allen Genossen dann „zu
mehrem lob und nutz dienen" werde.
Es ist das Verdienst des Stadtbibliothekars
Dr. J. C. Benziger in Bern, von dem jetzt so
selten gewordenen Iliuminierbuch des Boitz eine
Neuausgabe besorgt zu haben, durch die es den
Malern von heute möglich wird, sich ein Bild
davon zu machen, was für Farben und Bindungs-
mittel vor Jahrhunderten von unseren Vor-
fahren in Gebrauch gewesen sind. Das Illuminier-
buch enthält freilich in erster Linie nur das
Arbeits- und Rüstzeug der Miniatur- oder Brief-
maler (Kartenmaler), die sich von den eigentlichen
Malern (Schilderer) als gesonderter Zweig des
Gewerbes zunftmässig aneinandergeschlossen
hatten, bis um die Mitte des 16. Jahrhunderts das
Briefmalen auch als eine freie Kunst erklärt wurde*).
Nach der allgemeinen Verbreitung der Buch-
druckerkunst bestand ihr Verdienst hauptsächlich
in dem Illuminieren von Holzschnitten mancherlei
Art, die in grossen Mengen koloriert auf Märkten
feilgehalten wurden. Urkunden auf Pergament
und Papier wurden, ebenso wie allerlei Widmungs-
blätter, in der Art unserer heutigen Aqua-
*) Vgl. Hillig, Geschichte der Dekorationsmalerei
als Gewerbe, Hamburg 191:, S. Hoff.