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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 12
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Zum Picasso-Rummel: ein Gespräch in der Picasso-Ausstellung der Modernen Galerie
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Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 12.

Formelementen der Natur rechnen, wenn sie sie
auch zerstückeln und zerreissen! Aber Picasso lehnt
auch diese Mittel ab; er konstruiert seine Bilder
aus Formelementen, die zum dargestellten Gegen-
stand nicht die geringste Beziehung haben. Ich bitte
dich, schau' dir das Bild „Der Dichter" an oder das
mit der Bezeichnung „Glas und Tasse", die „Rum-
flasche" , die „Mandolinenspielerin" an, und diese
Reihe von fast gleich bepinselten Leinwänden, Bilder
kann man nicht sagen! Verstehst du das?
: Der reinste Blödsinn, diese „notwendige Erneue-
rung" der Malweise! Hast du im Katalog gelesen:
Picasso habe, als man ihn fragte, warum er so male,
nichts anderes zu erwidern gewusst, als dass er so
malen müsse! Also unter einem Zwang, oder wie
es heisst, Gehirnrindenzwang, entstehen diese Werke,
die nur er verstehen mag, wir anderen vernünftig
Denkenden aber nicht. Mit Kunst hat diese jüngste
Phase Picassos nichts zu tun. Das ist meine Meinung.
(Es hat sich den Beiden inzwischen der Eigentümer
des Kunstsalons genähert.)
Der Kunsthändler: Ja, mein Herr, wissen Sie denn
auch sicher, dass Ihre Meinung die richtige ist?
A.: Vorerst glaub' ich das schon, denn ich bin noch
im Besitze meiner Sinne, und genau so wie ich wer-
den hundert andere auch die gleiche Meinung haben,
dass diese Bilder unverständlich sind und un-
möglich ernst genommen werden können.
Der Kunsthändler: Aber bedenken Sie doch, dass
Picasso grosse Preise hat und in Sammlerkreisen
geschätzt ist. Damit ist noch ein Geschäft zu machen.
A. : Das sagt alles! Ein Geschäft! Ich mache Ihnen
daraus keinen Vorwurf. Sie sind ja dazu da. „Pi-
cassos" als Wertpapiere anzusehen, dagegen habe
ich nichts, als Anlagekapital können solche Bilder
vielleicht dienen, obwohl ich sicher bin, bei Picasso
würden Sie Ihr Geld verlieren werden. Was sagst
du dazu, möchtest du lieber einen Picasso als ein
Industriepapier haben? Aber mit Kunst hat diese
Malerei nichts gemein! Hast du etwas gesagt?
B. :-
Der Kunsthändler: Ich gebe gerne zu, dass ich
selbst diese Manier auch nicht verstehe, zu ihnen
noch keine richtige Beziehung gefunden habe. Mir
geht es so, wie manchem anderen. Aber Sie wissen,
vor zehn Jahren haben die Leute genau dasselbe
von den Bildern des Van Gogh gesagt und sie auch
nicht verstanden. Heute werden dessen Bilder, die
vor noch wenigen Jahren um ein Butterbrot zu haben
waren, mit Tausenden bezahlt. Und Leibi und Thoma
nicht minder.
A.: Lassen Sie, bitte, diese Vergleiche aus dem Spiel.
Nie kann Picasso mit diesen verglichen werden!
Und bei Van Gogh, der heute gewiss überschätzt
wird, hatte man immer noch einen Maler vor sich,
der mit Form und Farbe sich abmühte, bei dem
das Ringen an sich Respekt einhösste, bei dessen
Werken aber leider deutlich die Spuren des Wahn-
sinns, dem er erlag, zu spüren sind. Bei Picasso
liegt die Sache so: entweder er ist nicht normal
oder er „blufft" nur das Publikum.
Der Kunsthändler: Wir werden in ein paar Jahren
sehen, wer von uns Recht behält. Ich erlaube mir,
die Herrdn zu einem Vortrag einzuladen, den ein
junger Kunstgelehrter zur Einführung in die Kunst
Picassos hier in den Räumen der Galerie vor seinen
Werken halten wird.
A.: Danke dafür. Vorerst kann ich des ästhetischen
Gängelbandes Entbehren.
Der Kunsthändler: Ich habe die Ehre, mich Ihnen
zu empfehlen.
(Wendet sich anderen Besuchern zu.)

A. : Was sagst du nun dazu? Ein Kunstgelehrter ist
zum Verständnis der modernen Kunst engagiert!
Die Kunst wird Spekutationsobjekt wie ein Börsen-
papier! Man fragt nicht nach dem Kunstwert, son-
dern nach dem Kurswert. Man kauft, man verkauft.
Aesthetischer Wert ist Nebensache! Höre doch
diesen Satz der Einführung zum Katalog. Da heisst
es: die jungen Künstler der verschiedensten Länder
(Frankreichs, Deutschlands, Italiens, Russlands, Nor-
wegens usw.) wären allesamt von der künstle-
rischen Persönlichkeit Picassos, des jungen
Spaniers, direkt oder indirekt befruchtet
worden. Wohin das führen soll, wenn dieser Un-
sinn, diese Art der Mache vorbildlich würde, das
ist nicht auszudenken! Wo ist der Lessing, der
wieder einmal unsere jungen Künstler über die
Grenzen der Malerei belehrte, wie er es in seiner
„Laokoon" betitelten Schrift getan hat. Solch einen
könnten wir jetzt brauchen, um gegen die Auswüchse,
die sich als Kunst gebärden, für die ehestens noch
der Psychiater Interesse haben dürfte, endlich ein
kraftvolles Veto zu sprechen. Aber du hast bis
jetzt noch kein Wort gesagt! Wie stellst du dich
zu dieser neuesten und modernsten Kunst!?
B. : Ich? Ich sage gar nichts. Nur begreife ich nicht,
wie du dich darüber so aufregen konntest; denn was
ich hier sehe, dat ist doch überhaupt — nischt!
(Sie verlassen eiligst das Lokal.)
Bücheranzeigen
des Paul Neff Verlag (Max Schreiber) Esslingen a. N.
H. S. Templetons Anleitung zur Miniaturmalerei
nebst einem Anhang über das Bemalen von Photo-
graphien von A. H. Wall. Autorisierte Ueber-
setzung aus dem Englischen von O. Strassner.
Preis geheftet Mk. 2.—.
In jüngster Zeit fängt man an, der Miniaturmalerei,
deren reizende Erzeugnisse aus der Urgrossväter Tagen
wir wohl in Museen und Privatsammlungen gelegent-
lich bewundern, wieder regeres Interesse zuzuwenden
und diese Kunst wieder in ihre Rechte einzusetzen.
Die Literatur versucht nun gleichzeitig hieran mitzu-
arbeiten, indem sie uns Bücher in die Hand gibt, die
sich eingehend mit diesem Thema beschäftigen und
auf das grosse Publikum belehrend wirken wollen. So
dürfen wir es wohl mit Freuden begrüssen, dass O.
Strassner das in England vielverbreitete Büchlein von
H. S. Templeton ins Deutsche übertragen und so den
zahlreichen Miniaturmalern bei uns zugänglich gemacht
hat. Daneben aber werden die im Anhang gegebenen
Belehrungen über das Bemalen von Photographien
sicherlich grossen Anklang linden, da auch diese Kunst
überall gerne gepflegt wird.
Die Hinterglasmalerei. Anleitung zur Herstellung
von Malereien hinter oder unter Glas sowie
Glasmalerei-Imitation, Glasvergoldung u. dg!.,
von Ernst Wessels, Maler. Mit II Abbil-
dungen. Preis geheftet Mk. 2.—.
Was dieses Büchlein bietet, sagt schon der Titel;
es will in schlichter und einfacher Weise dem Lernen-
den ohne alle unnötige theoretische Belastung durch
direkten und praktischen Unterricht an die Hand
gehen. Wenn sich auch der Verfasser bewusst ist,
dass aus einem Buche allein eine Malerei unmöglich
ganz erlernt werden kann, so hilft er in dieser Schrift
doch über die ersten Klippen hinweg und gibt nicht
allein dem kunstliebenden Laien, sondern auch dem
vorwärtsstrebenden Fachmann wertvolle Fingerzeige,
die für beide von grossem Nutzen sein können.
 
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