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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 19
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Buchner, Georg: Malerfarben und Kolloidchemie, [3]
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Unterricht in der Malmaterialienkunde, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0080

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76

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. t9.

ziation statt, indem die verschiedenen Wasser-
moieküie mit sprungweise veränderlicher Spannung
verdampfen. Dagegen ist die Entwässerungs-
kurve der Hydrogele eine stetig verlaufende
Kurve ohne sprunghaftes Vorwärtsschreiten.
Als Beispiel einer künstlich erzeugten farbigen
Vereinigung von Kolloiden diene der sog. Gold-
purpur, der keine chemische Verbindung, sondern
eine innige Mischung von kolloidalem Gold und
kolloidaler Zinnsäure darstellt.
Es sei noch bemerkt, dass Aenderungen in den
Verwitterungsbedingungen auch Aenderungen der
Gelbildung zur Folge haben; also werden in den
verschiedenen Klimas verschiedene Gelformen auf-
treten. Während z. B. bei uns der Feldspat zu
Ton, also einem Tonerde-Kieselsäuregel ver-
wittert, verwittert er in den Tropen zu dem roten
Laterit, einem Tonerdegel (Gelgeographie). Man
hat Mittel, um nachzuweisen, welche ungefähren
Mengen von Kolloidstoffen, z. B. in Tonen usw.,
enthalten sind, durch die Fuchsinfärbung, indem
fast alle Bodenkolloide als stark basophile Körper
eine schwarzrote Färbung annehmen (Kurt Endel!,
„Zeitschrift für Chemie und Industrie der Kolloide"
1909).
Die Hydrogele des Mineralreiches weisen nach
Cornu vielfache Analogien mit den organischen
Gelen auf. Es seien hier nur erwähnt die Waben-
struktur, die Intussusgeption, die Schrumpfung, das
Altern der Kolloide, die Kolloidsymbiose, das
Beschränktsein der Hydrogele auf isoklimatische
Zonen usw. Die Gele des Mineralreiches können
entweder homogen sein oder aus Gelgemischen
bestehen. Die letzteren bilden sich entweder
durch Koagulation, dann kann man die Einzel-
bestandteile mikroskopisch unterscheiden — oder
sie enstehen durch Wechselwirkung entgegen-
gesetzt geladener Hydrosole, dann erscheinen sie
unter dem Mikroskop homogen. Die Gele bilden
auch einfache oder mehrfache Adsorptionsverbin-
dungen miteinander; so besteht z. B. der Bauxit,
abgesehen von adsorbierten Verbindungen, aus
einem Gemenge von Alumiumoxyd- und Eisen-
oxydgelen und den Kristalloiden Diaspor und
Hydrargillit. — Nur nebenbei sei darauf hin-
gewiesen, dass nach neueren Anschauungen der
mit Wasser angemachte Zement ein Kolloid dar-
stellt, eine mineralische Gallerte, die aus halb-
glasigen, an der Oberfläche angequollenen Splittern
besteht, welche in diesem Zustande miteinander
verkitten. Ferner kann man allem Anschein nach
mit Recht z. B. den Rubin als eine kolloidale
Lösung von Chromoxyd in Tonerde, den Saphir
als eine kolloiddisperse Phase von Kobaltoxyd
betrachten.
Zweifellos sind es die Farben mit kollo-
idaler Struktur, z. B. die eisenhaltigen Tone
— also nach unserer Auffassung die Gelgemische
aus Tonerde-Kieselsäuregel und Eisen-

hydroxydgelen —, welche beim Anreiben mit
Oel viel mehr dieses Bindemittels gebrauchen als
die kristallinischen Farben.
Beachtenswert ist auch, dass die Farbstoffe
der Oele und Fette mit den Mineralgelen an
Farblack erinnernde gefärbte Adsorptionsverbin-
dungen bilden und dass auf diese Weise Farben-
änderungen auftreten können.
Jedes System von Stoffen stellt entweder ein
wirkliches oder zumeist nur ein scheinbares Gleich-
gewicht (metastabiler Zustand) dar und ist den
mannigfachsten Aenderungen seines Zustandes in-
folge der verschiedensten Energien, wie z. B.
Wärmeenergie, kinetischer — chemischer — elek-
trischer — strahlender Energie u. dg!., ausgesetzt.
Hierüber möchte ich mich in bezug auf die
Malerfarben in einem weiteren Artikel ver-
breiten. Heute beschränke ich mich darauf, auf
die Bedeutung des kolloidalen Zustandes
für das Studium der Malerfarben hin-
gewiesen zu haben, woraus sich für die
maltechnischen Fragen eine Menge von
Problemen ergeben.
Das Hauptcharakteristikum kolloidaler Systeme
betrifft die grosse spezifische Oberfläche oder den
hohen Dispersitätsgrad ihrer Teilphasen und die
gleichmässige räumliche Verteilung derselben. Die
Beschaffenheit des Dispersitätsgrades kolloidaler
Farben wird einen grossen Einfluss auf Farbe
und Deckvermögen usw. haben, die Aenderungen
dieses Dispersitätsgrades — also die Zustands-
änderungen derartigerkolloidalerSysteme,
werden bei maltechnischen Fragen weit-
gehend zu berücksichtigen sein.
Zum Schlüsse sei noch darauf hingewiesen,
dass die kolloidchemische Bearbeitung der Maler-
farben auch bezüglich der Fabrikation derselben
eine Bedeutung erlangen wird. Bekanntlich be-
sitzen die Kolloide, wie z. B. die reine Tonsubstanz,
die Eigenschaft, infolge ihrer elektrischen Jonen-
ladung durch den elektrischen Strom sich aus
ihren Lösungen ausscheiden zu lassen. Ebenso-
gut diese Eigenschaft bereits mit Erfolg zur Reini-
gung des Tones an Stelle des früheren Schlämm-
prozesses industriell verwertet wird, könnte diese
Art der Präparation auch für Malerfarben von
kolloider Beschaffenheit, also für die Erdfarben,
Verwendung finden.
Unterricht in der Malmaterialienkunde.
Zu dem obigen Thema bringen wir hier mit freund-
licher Erlaubnis des Herrn Prof. Dr. A. Eibner den
in den „Technischen Mitteilungen für Malerei" (April
1913) veröffentlichten Programmauszug seiner an
der Kgl. Technischen Hochschule zu München gehal-
tenen Vorlesungen über die „Grundzüge der Mal-
materialienkunde" zum Abdruck.
Voriesungsprogramm
nach dem Stande im Wintersemester :9i2(i3.
 
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