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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 4
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Schmidt, Fritz-Philipp: Ein Meisterwerk der Anatomie, [2]
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Die Blasen- und Schaumbildung im Leim und deren Nachteile, [1]
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Zustände in französischen Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0020

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[6

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr 4.

pier als Kenntnisse vermittelnde sog. „Tieranatomie"
von Neuhaus [1909J bei der das Skelett fehlt [I] be-
ruht zum grossen Teile darauf.)
Freiwillige Anerkennungen sind ihm in grosser
Zahl zuteil geworden und eine wenigstens allgemeine
Bestätigung meiner hier geäusserten Wertschätzung
findet man in denAeusserungen zweier Meister-Fach-
männer der Tiermalerei: P. Meierheim und H. Zügel;
dieser schreibt: „Praktisch und in jeder Beziehung
vorzüglich . . . übertrifft alles bis jetzt Dagewesene in
einerWeise, dass sie in allen Künstlerkreisen Freude
hervorrufen muss."
Ich möchte hinzufügen, dass diese Freude vertieft
wird durch das Bewusstsein, dass eine Beherrschung
der Anatomie die Fesseln dauernder Modellabhängig-
keit — nicht zu verwechseln mit dauerndem, selbst-
verständlich nie endendem Naturstudium — sprengen
und den Geistesausdruck befreien hilft.
Auf Grund dieser Auffassung unterzog ich mich
gern der Aufgabe einer Besprechung, zugleich auch in
dem lebhaften Gefühle, dass die Künstlerschaft
den Urhebern — Herausgebern und dem Verleger
— eine Dankesschuld abzutragen habe.*)
Die Blasen- und Schaumbildung im Leim
und deren Nachteiie.
Bei der Verarbeitung von Leim zeigen sich mit-
unter eine Unmenge von Bläschen oder Schaum,
welche auch bei den Leimanstrichen, den Grundie-
rungen und Farbenanstrichen sehr störend wirken, und
es ist nicht möglich, ganz gleichmässig gedeckte glatte
und saubere Flächen oder Striche mühelos zu erhalten,
und da liegt der Fehler allein nur im Leim.
Wenn die Leimtafeln vor dem Erweichen einer
genauen Prüfun" unterzogen werden, indem man sie
gegen das Fenster hält, da zeigt der fehlerfreie Leim
eine ganz gleichmässige, ziemlich klare Durchsicht.
Sind dagegen kleinere und grössere rundliche Bläschen
wie Perlen oder schaumähnliche Trübungen vorhanden,
dannkann auf eine blasige, schäumige Lösung gerechnet
werden, denn beim Schmelzen schwimmen die Blasen
usw. auf der Oberfläche herum, und wenn sie nicht
entfernt werden, geraten sie in die Anstriche, Farben
usw., wobei die vorher erwähnten Fehler auftreten.
Die Entfernung der Blasen ist deshalb unbedingt er-
forderlich, und möchte ich darauf hinweisen, dass
selbst der beste Leim vielfach diesen Mangel aufweist,
weshalb es durchaus ausgeschlossen ist, einen sonst
guten und einwandfreien Leim deshalb als minder-
wertig anzusehen, denn die Blasen sind dadurch ent-
standen, dass bei der Erzeugung des Leims mit dem
Rührscheit die flüssige Masse zu rasch durchgearbeitet
und dabei sehr viel Luft eingerührt wurde, die nicht
mehr entweichen konnte, so dass eine Einkapselung
der Bläschen erfolgen musste.
Die Leimtafeln zeigen nun den Fehler ganz deut-
lich, und muss die Lösung in der Art von den Blasen
befreit werden, dass kleine Kartonstreifen glatt zuge-
schnitten und die auf der Oberfläche schwimmenden
Blasen durch langsames Darüberwegziehen, Zusammen-
schieben und Abheben entfernt werden, worauf die
Lösung in der gewünschten Weise gebraucht werden
kann.
Die Zubereitung des Leims als Klebe- oder Farben-

*) Anmerkung. Dem Wunsch der Redaktion nach
Beigabe veranschaulichender Abbildungen konnte der
Verlag nur durch den bereits vorhandenen, in Nr. 3
beiliegenden Prospekt nachkommen. Ich möchte be-
merken, dass ich eine andere Auswahl der Bilder ge-
troffen haben würde. D. O.

mischmittel ist indessen ebenfalls wichtig, um eine
reine und besonders blasenfreie Lösung zu erhalten,
denn durch unsachgemässes, hauptsächlich aber zu
schnelles Umrühren während des Lösens und des Ver-
arbeitens können wieder Blasen und Schaum entstehen,
die genau zu demselben Fehler führen.
Der beste Leim ist der, der beim Zerschlagen
einen lauten Klang von sich gibt und in scharfkantige
Splitter wie Glas zerspringt, welche Eigenschaften der
tierische Leim unbedingt zeigen muss, gleichviel, unter
welchem Namen er in den Handel kommt und welche
Farbe, ob hell oder dunkel, er zeigt. Sind die Tafeln
dagegen aus einer faulen, zersetzten, d. h. kranken
und säuerlich gewordenen Masse hergestellt, dann
haben sie eine trübe, Heckigstreilige Durchsicht, gleich-
viel, ob die Färbung dunkel oder hell ist, und die
Tafeln sind biegsam und klebrig, so dass sie sich
überhaupt nicht zerschlagen lassen, da sie beim
Lagern sehr gern Feuchtigkeit anziehen und leicht
schimmeln. Dass ein solcher Leim ganz gewaltig an
Bindekraft verloren hat, ist leicht erklärlich, und dass
er wegen der säuerlichen Beschaffenheit als Farben-
mischmittel ganz ungeeignet ist, ergibt sich doch von
selbst, denn viele empfindliche Farben und Metall-
bronzen werden von der Säure oxydiert, so dass sie
ihr Feuer, den Glanz und das schöne glatte Aussehen
verlieren, matt und stumpf oder schliesslich sich ganz
verfärben bezw. geschwärzt werden.
Die Klarheit und Härte ist also der beste Prüf-
stein des Leims, denn der Tierleim, der zur Herstel-
lung der Gelatine benutzt wird, muss diese Eigen-
schaften zeigen, wenn die Gelatinefolien eine tadellose
Durchsicht erhalten sollen; und wenn auch die Gela-
tine keine so grosse Klebekraft aufweist, so ist die
Helligkeit der beste Gradmesser der Leimgüte, dessen
Klebekraft und Farbe durch die verschiedenen Blei-
chungen zum grössten Teil entzogen worden ist, die
die Zubereitung der Gelatine erfordern.
(Schluss folgt.)

Zustände in französischen Museen.
Grosse Kunstschätze sind in den zahlreichen fran-
zösischen Provinzialmuseen dem Untergange nahe, wenn
nicht ernst und mit Verständnis, vor allem bald, ein-
gegriffen wird — so schreibt A. Bredius, der berühmte
holländische Kunstgelehrte, soeben in der „Kunst-
chronik". Die Fälle von Verwahrlosung, die Bredius
aufführt, sind traurig genug. Im Museum von Epinal
hängt ein Rembrandt, eine alte Frau, deren Kopf und
Hände fast ganz in rohester Weise übermalt sind,
während ihr Kleid in Weiss, Schwarz und Goldgelb
trefflich erhalten ist. Anderwärts würde man dies
Werk zu einem der herrlichsten Werke des Meisters
erstehen lassen. Im selben Museum ist der Wärter
stocktaub, und man könnte die wundervollen Glas-
fenster des 16. Jahrhunderts zerschlagen, ohne dass
der gute Mann nur das geringste davon merken würde.
In dem kleinen Museum von Bar le Duc hänct das.
sogenannte Selbstporträt des Tintoretto so hoch, dass
man nur erkennen kann, dass es voller Blasen ist. Ein
hübsches Porträt Ludwigs V. als Knabe von Rigaud
blättert stark ab, und grosse Stücke sind herunterge-
fallen. Hinweise darauf von einem Ausländer nimmt
ein französisches Blatt gar nicht auf. So sind wohl
die Hunderte von herrlichen Bildern, die in den fran-
zösischen Provinz'almuseen unter oft sehr wertlosen
Werken verstreut sind, zu einem langsamen, aber
sicheren Untergange verurteilt.

Verlag der Werkstatt der Kamst (E. A. Seemann, Leipzig).
 
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