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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0039

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14

rucke sähe, erblickete ich ihn wieder auff der Erden liegend
und sein Haubf tieff in den Staub drückend.

Pferdeleben.
Auf dem Theaterplatze standen die Droschken in dunklen
Reihen. Leise rann der Regen. Das Licht der Laternen flackerte
im Winde und zeichnete wunderlich geformte Schatten auf
dem feuchten Pflaster. Die Pferde senkten den Kopf; sie
fühlten, wie die Nässe langsam durch die dünne Decke drang,
die ihren Rücken bedeckte, — und drüben blieb es immer noch
still, wie wenn die Oper die ganze Nacht dauern sollte.
„Wann wird das Elend enden?" stöhnte ein abgemagertes,
schwaches Pferdchen und schüttelte seine feuchte Mähne.
Sein Nachbar zog die Lippen zurück und zeigte seine
dicken gelben Zähle; ein teuflischer Zug von Ironie lag in die-
sem stillen Grinsen. Das war ein altes, philosophisches Pferd;
es hatte Vieles durchgemacht und hätte Wunder erzählen kön-
nen von der schönen Welt und von den schlechten Menschen.
Jetzt rasselte eine schwere, von zwei Pferden gezogene
Kutsche vorbei und hielt vor einer Seitenthür des Theaters.
„Das ist der Theaterwagen", hub das Pferdchen wieder an.
„Die zwei Schimmel haben's gut; fressen Hafer, soviel sie be-
gehren, und haben einen leichten Dienst." „Ich war auch ein-
mal im Theaterdienst", erwiderte sein Nachbar. „Warum bist
du nicht dort geblieben?" fragte das Pferdchen. Es bekam
keine Antwort. Immer stärker rann der Regen, und die Kut-
scher fluchten. — „Warum bist du nicht dort geblieben?"
wiederholte es. „Wegen der Luise Leina; hast du schon von
der Luise Leina gehört?" „Nein," sagte das Pferdchen und
scharrte mit dem rechten Vorderfuß auf dem glatten Pflaster.
„Das war eine große Schauspielerin, eine sehr große Schau-
spielerin", fuhr der Philosoph fort, den die Erinnerung an
seine Jugend zu erwärmen schien. „Als sie in die Stadt kam,
sprach man nur noch von ihr, und als ich vor dem Theater
stand und zum ersten Male auf sie wartete, war ich stolz, sie
fahren zu dürfen, und hielt mich für etwas Höheres als die
Andern.
Es war eine kalte Decembernacht. Das Schauspiel war aus,
die Equipagen eilten davon, die Menge verlief sich. Es wurde
immer stiller, der Theaterdiener schloß die Thore und löschte
die Laternen aus, bis auf eine über dem Nebeneingang, der
für die Mitwirkenden bestimmt war. Vor diesem Thor ging
ein junger Mann auf und ab. Die Schauspieler kamen heraus
mit aufgekrempelten Kragen, die Choristinen huschten an ihm
vorbei, ihr Bündelchen am Arm, in ihren leichten Mänteln
 
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