Sachlichkeit konterfeite! Uber die vollendete Reife und das sichere Besitztum dieses
Anfanges gab es wohl eine Entwicklung — das kann man auch in Mannheim
sehen —, keinen Fortschritt. Da ist Corinth, von dem ich hier vor Jahren nur die
krasse Bravour des »Apostels Paulus« sah; eine Landschaft aus Nizza, licht- und
wärmegebadet, zeigt nicht nur die Macht, sondern auch die Leichtigkeit, ja Zärt-
lichkeit seiner Hand und seines Auges. Das grobe Breitbildnis Gerhard Hauptmanns,
das den Dichter in seiner wichtigsten Zeit (um 1890) zeigt, befremdet mich beinahe.
Wie intim, wie „psychologisch“, ja wie nervös suchend kann der Pinsel dieses
Künstlers werden, wenn es nicht die sichere Wirklichkeit des „gemeinen“ Fleisches-
lebens breitspurig zu feiern, sondern das Stille, Unsichtbare der Persönlichkeit mit
auf die Leinwand zu bringen gilt. Überhaupt diese angebliche „Ungeistigkeit“
der „Impressionisten“, von der hierzulande zu lästern, — damals wenigstens, als ich
die Heimat verlieb, — unter den Intellektuellen gleichsam zum guten Ton gehörte.
Da sehe ich auch von Liebermann ein neu erworbenes Bildnis und eine neue
Landschaft. In dem Bildnis hat er sich selbst gemalt, in kühlen, hellgrauen Tönen,
ernst, gelassen, zusammengenommen, höchst repräsentativ, die Quintessenz seines
Daseins aussprechend ohne das Gestellte, Angestrengte anderer Selbstbildnisse,
die ich einst von Liebermann sah, in ruhiger Malerhaltung, mit einem Blick voll
ungebrochener Festigkeit und Aufmerksamkeit auf das Äußere gerichtet, das Äußere
meisternd, wie ein Maler es soll, mit dem Blick eines durchaus Diesseitigen, der das
Sichtbare verfolgt und festhält und in dem doch ein schwermütiges Absdiied-
nehmenmüssen, Gefühl der Vergänglichkeit an der Schwelle des Greisenalters
mitschimmert. Dazu die Landschaft: ein Stück von rotem Blühen, ein rascher Augen-
blick in die Tiefe des Gartens, nur das feinste, schwereloseste der Sichtbarkeit,
zitternde Farbe von Gras und Beet in sübem Mittagslicht auffangend, aus Raumtiefen
lockend unter der schmeichelnden Helle der Luft. Ein Alterswerk gerade in seiner
Leichtigkeit, Anspruchslosigkeit,die dochnichtsvon dem blob nüchtern Feststellenden
des Impressionismus hat: gemalt mit der Güte, Abschiedszärtlichkeit, aber auch
mit der geheimen Resignation des Alters, das auf das Ganze verzichtet, — vielleicht
weil es auch im Kleinsten des Ganzen inne wird, vielleicht auch weil es erkennt,
dab dieses Ganze nur für einen Gott gemacht ist. Und dann endlich MaxSlevogt,
von dem ich voll Erstaunen fast ein ganzes Kabinett mit neuen Landschaften erblicke.
Ein Diener sagt mir, dab Slevogt sie während der Kriegszeit auf seinem Pfälzer
Weingut bei Landau gemalt habe und mit Stolz spricht er von „unserm Pfälzer
Kabinett“, das Erde und Früchte dieses immer noch gelobten Ländchens ver-
schwenderisch in Landschaften undStilleben um uns ausbreitet. Kühle Waldlichtung,
gründunkelnd mit schimmerndem Goldlack, weiter Blick ins leuchtende Land, der
Garten vor dem Haus mit der violett schimmernden Erde und der Ruhebank, dann
die strotzende Malerei des Staudengartens mit dem Meister als Gärtner mitten
darin, üppige Melonen endlich, die im Silberlichtsich förmlich baden. Ein heimatliches
Anfanges gab es wohl eine Entwicklung — das kann man auch in Mannheim
sehen —, keinen Fortschritt. Da ist Corinth, von dem ich hier vor Jahren nur die
krasse Bravour des »Apostels Paulus« sah; eine Landschaft aus Nizza, licht- und
wärmegebadet, zeigt nicht nur die Macht, sondern auch die Leichtigkeit, ja Zärt-
lichkeit seiner Hand und seines Auges. Das grobe Breitbildnis Gerhard Hauptmanns,
das den Dichter in seiner wichtigsten Zeit (um 1890) zeigt, befremdet mich beinahe.
Wie intim, wie „psychologisch“, ja wie nervös suchend kann der Pinsel dieses
Künstlers werden, wenn es nicht die sichere Wirklichkeit des „gemeinen“ Fleisches-
lebens breitspurig zu feiern, sondern das Stille, Unsichtbare der Persönlichkeit mit
auf die Leinwand zu bringen gilt. Überhaupt diese angebliche „Ungeistigkeit“
der „Impressionisten“, von der hierzulande zu lästern, — damals wenigstens, als ich
die Heimat verlieb, — unter den Intellektuellen gleichsam zum guten Ton gehörte.
Da sehe ich auch von Liebermann ein neu erworbenes Bildnis und eine neue
Landschaft. In dem Bildnis hat er sich selbst gemalt, in kühlen, hellgrauen Tönen,
ernst, gelassen, zusammengenommen, höchst repräsentativ, die Quintessenz seines
Daseins aussprechend ohne das Gestellte, Angestrengte anderer Selbstbildnisse,
die ich einst von Liebermann sah, in ruhiger Malerhaltung, mit einem Blick voll
ungebrochener Festigkeit und Aufmerksamkeit auf das Äußere gerichtet, das Äußere
meisternd, wie ein Maler es soll, mit dem Blick eines durchaus Diesseitigen, der das
Sichtbare verfolgt und festhält und in dem doch ein schwermütiges Absdiied-
nehmenmüssen, Gefühl der Vergänglichkeit an der Schwelle des Greisenalters
mitschimmert. Dazu die Landschaft: ein Stück von rotem Blühen, ein rascher Augen-
blick in die Tiefe des Gartens, nur das feinste, schwereloseste der Sichtbarkeit,
zitternde Farbe von Gras und Beet in sübem Mittagslicht auffangend, aus Raumtiefen
lockend unter der schmeichelnden Helle der Luft. Ein Alterswerk gerade in seiner
Leichtigkeit, Anspruchslosigkeit,die dochnichtsvon dem blob nüchtern Feststellenden
des Impressionismus hat: gemalt mit der Güte, Abschiedszärtlichkeit, aber auch
mit der geheimen Resignation des Alters, das auf das Ganze verzichtet, — vielleicht
weil es auch im Kleinsten des Ganzen inne wird, vielleicht auch weil es erkennt,
dab dieses Ganze nur für einen Gott gemacht ist. Und dann endlich MaxSlevogt,
von dem ich voll Erstaunen fast ein ganzes Kabinett mit neuen Landschaften erblicke.
Ein Diener sagt mir, dab Slevogt sie während der Kriegszeit auf seinem Pfälzer
Weingut bei Landau gemalt habe und mit Stolz spricht er von „unserm Pfälzer
Kabinett“, das Erde und Früchte dieses immer noch gelobten Ländchens ver-
schwenderisch in Landschaften undStilleben um uns ausbreitet. Kühle Waldlichtung,
gründunkelnd mit schimmerndem Goldlack, weiter Blick ins leuchtende Land, der
Garten vor dem Haus mit der violett schimmernden Erde und der Ruhebank, dann
die strotzende Malerei des Staudengartens mit dem Meister als Gärtner mitten
darin, üppige Melonen endlich, die im Silberlichtsich förmlich baden. Ein heimatliches