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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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F

K

E

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BADEN, WÜRTTEMBERG UND DIE
KU NST. Es ist bekannt, daß nicht lange nach
der Revolution in Süddeutschland ein Plan auf*
tauchte, der allenthalben besprochen und ernst#
haft durchgedacht wurde, der Plan, wie durch
einen Zusammenschluß von Württemberg und
Baden ein größerer süddeutscher Staat geschaffen
werden könne. Es hatte zunächt den Anschein,
als ob nichts leichter und natürlicher wäre, wie
dies, das frühere Königreich und das frühere
Großherzogtum unter eine Verwaltung zu
bringen, um so den doppelten Haushalt zu er#
sparen und den politischen Umfang zu stärken.
Man schien in Berlin diesen Anfang einer
Zentralisation süddeutscher Staaten wohlwol#
lend zu beachten, man hatte vor alllem in
Württemberg aus begreiflichen Gründen den
lebhaften Wunsch, diese Vereinigung zu Stande
zu bringen und man war auch in Baden nicht
abgeneigt, sich einmal zusammen an den grünen
Tisch zu setzen. Als man nun aber die Vor# und
Nachteile erwog und klar überblickte, wo die
günstigeren Bedingungen für Wirtschaft und
Industrie, wo die Wasserkräfte, die Erdschätze,
die Handelsstraßen zu finden wären, als sich
immer mehr herausstellte, daß nur Stuttgart als
Landeshauptstadt in Frage kommen solle und
daß derSchwabe denBadenerwieeinenjüngeren
Bruder ansehen wolle, war die Entscheidung
nicht allzuschwer zu treffen. Da man schon
heute aus den vereinigten Thüringischen Staaten
Seufzer der Reue und desUnmuts vernimmt, muß
man den Fragen derartiger Vereinigungen um
so vorsichtiger gegenübertreten. Die erwartete
Vereinfachung der Haushaltung hätte sich im
Wesentlichen nicht ergeben, es wäre aber wie
einst im Elsaß das schädliche System der landes#
fremden Beamtenherrschaft aufgetaucht, aus
dem alles andere als Harmonie und Gemein#
schaff erwachsen wäre. Kurzum, man sah in
beiden Regierungen ein, daß die Aufgaben der
Vergangenheit wie der Zukunft für beide Staaten
nicht die gleichen wären. Von seinem Stand#
punkt aus hatte also Baden gar keine andere
Wahl, als sich in seinem eigenen Hause einzu#
richten und die schwäbische Nachbarschaft als
eine verwandte und befreundete in allen süds
deutschen und politischen Fragen wohlwollend
zu behandeln, schon um das süddeutsche Gegend
gewicht gegebenfalls halten zu können. Be#

trachten wir nun — nachdem der besprochene
Plan hoffentlich endgültig beiseite gelegt ist —
unsere kulturelle Lage und unsere Aufgaben,
um auch hier die erwünschte Gegenprobe auf
unsere Rechnung zu machen.
Baden, das sich durch kluge Hauspolitik und
durch Napoleons Gnade aus einer kleinen Mark#
grafschaft zu einem süddeutschen Staat ent#
wickelte, hat durch seine geographische Lage
Aufgaben und Möglichkeiten, die zum Teil
noch in der Zukunft liegen. Seit alten Zeiten
ein fruchtbares Kulturland der Altstämme mit
romanischem Einschlag, in späteren Jahrhun#
derten vor allem durch das alte Kulturbecken
des Bodensees mit Italien, Frankreich, Burgund,
durch seine Land# und Wasserstraßen mit dem
Elsaß, mit der Schweiz, und mit Mitteldeutsch#
land in geistigem Austausch, ist Baden noch heute
eine Brücke zu den Kulturkreisen des Westens
und Südens. Die fränkischen und alemanni#
sehen Stämme bedingten seine Kunstsprachen,
die wir in dem Begriff der oberrheinischen
Kunst zusammenfassen. Die fruchtbaren An#
regungen, die vor allem aus Frankreich herüber#
wirkten, sind nicht zu verkennen. Kurzum, ein
lebendiger Organismus, der auch heute noch
das weitere Deutschland belebt, ist Baden durch
die neue Gestaltung des Reiches vor neue Auf#
gaben gestellt worden. Der alemannische Kunst#
kreis wird seine fruchtbaren Wechselwirkungen
mit dem Elsaß ebensowenig aufgeben dürfen, wie
andererseits der künstlerische Austausch mit der
Schweiz neue Mittel und Wege finden wird, oder
schon gefunden hat. Während Württemberg,
Hessen, Bayern nicht eigentlich als Gebende oder
Nehmende unsere Kunst beachten, hat Preußen
— d. h. Berlin — eine Reihe bedeutender badi#
scher Künstler für sich gewonnen, die als füh#
rende Kräfte neue Anregung zu spenden wissen.
Überall finden sich in einzelnen Städten und
Landschaften Badens kleine Kulturzentren, die
sich Ansehen und Wirkung zu schaffen wissen.
Die Hoch# und Kunstschulen des Landes — ich
denke vor allem an Heidelberg, Freiburg, Karls#
ruhe — sind in ihrem Fortwirken gesichert und
ziehen, wie Musik und Theater, trotz der Un#
gunst der Zeiten neue Kräfte an sich. Es gibt
kaum eine Zeit, die durch ihre geistigen Bewe#
gungen so bedeutend und denkwürdig, die aber
durch die pekuniäre Lage für den kulturellen

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