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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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BERLINER KUNST. (September.) Das Graphische
Kabinett präsentierte im September eine Übersicht über
Schnitte, Radierungen und Lithographien derjenigen
Künstler, deren Propagierung das Gesicht dieses ganzen
Unternehmens bestimmt, und man kann sagen, das Ge-
samtniveau ist ziemlich beträditlich, sogar Außerordent-
liches ragt hervor. Zu diesem Außerordentlichen müssen
vor allem einige Blätter Heckeis und Schmidt-Rottluffs
gerechnet werden. Beide Künstler können solchen, die
hin und wieder wankend werden, den Glauben an die neue
Kunst zurück geben. Man sehe sidi diesen Hecke! an
mit seiner zwar oft vergrübelten und allzu sensitiven,
aber dodi immer geistigen (asketisch-geistigen) Haltung;
ein Werk wie das Selbstbildnis in vier Farben (schwarz,
olivengrün, blau und braun) ist etwas geradezu Er-
schütterndes! Nicht minder die beiden Männer am
Tisch oder der stille (radierte) Frauenkopf. Die Brutali-
tät des jüngsten Schmidt-Rottluff kann auch prachtvolle
Dinge produzieren wie den großen Monumcntalkopf,
die beiden Kaßen, die Trauernden am Meer, die
Melancholie; troß allem, was sidr gegen ihn sagen
ließe, ist er immer noch eine der mächtigsten Ersdiei-
nungen heutzutage. — Auch anderes ist bemerkens-
wert, so drei reife Blätter des alten Rohlfs, vor allem
eine Komposition aus drei Figuren; ein kleiner köstlidier
Farbenholzschnitt des Dresdners Otto Lange in Rot,
Lila, Graubraun, Blau: Esel vor einer Mühle; einige
kraftvolle Impressionen Otto Müllers, drei wunder-
schöne Radierungen des verwandelten und jeßt so trcff-
lidr breughelisch — iiberbreughelischcn Max Beckmann
(seine großen Lithographien, hier ebenfalls ausgestellt,
fallen ab ihres übergroßen Formates und ihres Tedi-
nischen halber, — das ist grober Dilettantismus, weit
unter dem kiinstlerisdien „Dilettantismus“ des
George Groß, an den sie hin und wieder anklingen).
Eine Serie von radierten Köpfen des zu kernhafter
Reife gedeihenden Meidners, der auch dem großen
Breughel nahesteht, bedeutet eine Bereicherung, — viel-
leidit ist gerade das Bildnis seine eigentlkhe Welt. —
Der „Sturm“ zeigt Nahverwandtes nebeneinander: Klee
und den schon voriges Mal genannten R. Goering.
über den Zweiten ist nicht viel Neues zu sagen;
während man nodi vor seinen Blättern steht, wird
er inzwischen die Pfeife längst wieder weggesdrlcudert

haben, aus der er diese traumzarten Seifenblasen blies.
Uber Klee, den Künstler, den tief in sich Gesenkten,
ist man genügend orientiert, so weit das möglich ist
bei einer so scheuen Seele; es gibt immer Dinge unter
seinen Aquarellen und spinnewebfeinen Federdichtungen,
für die man ihm danken muß, und es bleibt nur zu
bedauern, daß sie sidi häufig einer Geheimschrift be-
dienen, aus der nur wenige Wahrheit abzulesen im-
stande sind. BEYER.
LEIPZIGER KUNSTAUSSTELLUNGEN. - Die
Leipziger Jahres-Ausstellung (LJA) und die vom Kunst-
verein veranstaltete Gedächtnisausstellung für Max
Klinger geben ein untrügliches Bild der zerrütteten
kunstpolitischen Lage Leipzigs: auf der einen Seite
die sorgfältige Sammlung aller Reliquien einer Begabung,
die in keinem inneren Konnex mit der modernen Zeit
stand, — auf der Gegenseite das Durdieinander viel-
fältig gerichteter kleiner Talente ohne beträditliche innere
Größe und äußere Umfänglichkeit des Formates.
Gewiß ist die K1 i n g e r a u s s t e 11 u n g mehr eine Nachlaß-
Sammlung, wie eine wirkliche Gedächtnisfestlichkeit,
die dodi nur durch das Zurschaustellen ganz bedeutender
Werke sich kennzeichnen müßte. Hier aber sind gute
alte Dinge auf die gleiche Linie der Wertung gerückt
worden, wie sehr fragwürdige späte und nidit vollendete.
Atelierreste treten in Wettbewerb mit Vollkommenheiten !
Allerdings ja nur mit Vollkommenheiten eben des Be-
reidies Max Klingers, — eines bedeutenden Mannes,
dem aber dodi das Formhafte aller Kunstarten, die er
pflegte, niemals so sehr ins Blut übergegangen war,
daß es seine Werke ganz und gar durchdrungen hätte.
Man braudit nicht in die LJA zu gehen, um dort an
ein Paar wundervollen Zeidinungen A. Rodins die
Arbeiten Klingers zu messen. Auch in den zu Ende
geführten Werken Klingers selbst stehen unvermittelt
außerordentliche Partien neben ganz sonderbar unge-
konnten, nicht bewältigten. Gleichwohl ist der klassi-
zistisch-naturalistische Kunstwille des Unermüdlichen in
so programmatischer Klarheit in der Vielgestaltigkeit
seiner Produktion da, daß der Respekt vor der seelisdien
Spannung und den gelungenen Arbeiten, die von ihr
durdizogen und manchmal auch getragen sind, selbst
dem wach und rege wird, der solch intellektualisierter

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